Alfred Borter
Das Jahr 2007 bringt für den Flughafen mehrere wichtige Weichenstellungen. Eine davon ist die Abstimmung über die Volksinitiative »für eine realistische Flughafenpolitik». Sie muss spätestens am 17. Juni vors Volk gebracht werden, die dreijährige Frist seit der Einreichung lauft nämlich am 7. Juli ab. Was die Initianten wollen, ist klar: Sie wollen nicht mehr als 250\'000 Flugbewegungen pro Jahr in Zürich und eine mindestens neunstündige Nachtsperrung.
Ebenfalls klar ist, was der Regierungsrat will. Auf keinen Fall kann er dieser Forderung zustimmen. Für die Volkswirtschaft end den Flughafen wären die Konsequenzen nämlich verheerend. «Der Wegfall des Drehkreuzes würde zu eiern Strukturbruch und damit in einer abrupten Vernichtung bestehender
Wertschöpfung führen», hält die Regierung in ihren Antrag zur Ablehnung der Initiative fest. Stattdessen schlägt sie eine Beschränkung der Zahl stark durch Fluglärm gestörter Personen auf 47\'000 gemäss dem Zürcher Flugrämindex (ZFI) vor.
Was der Kantonsrat will, ist weniger klar. Die zuständige Kantonsratskommission hat einen Mehrheits- sowie zwei Minderheitsanträge für Gegenvorschläge verabschiedet: Die Kommissionsmehrheit will maximal 320\'000 Flugbewegungen und sieben Stunden strikte Nachtruhe. Die bürgerliche Minderheit fordert einen Volksentscheid, sobald 320\'000 An- und Abflüge erreicht sind, und verbindet diesen «Soft-Plafond» mit dem ZFI sowie einer siebenstündigen Nachtflugsperre mit Spielraum für verspätete Flüge. Die linksgrüne Kommissionsminderheit wünscht maximal 320\'000 Flugbewegungen und acht Stunden Nachtruhe.
Der Kantonsrat ist frei
Der Kantonsrat ist allerdings frei, als Gegenverschlag das dem Volk zu unterbreiten, was er für richtig hält. Eine Beschränkung auf 320\'000 Bewegungen würde dem Flughafen noch etwas Entwicklungsmöglichkeiten erlauben, denn gegenwärtig zählt man 265\'000 Starts und Landungen. Was die Nachtsperre angeht, kann man acht Stunden wünschen oder auch bloss deren sieben, alles kombiniert mit dem ZFI oder auch nicht. Möglich wäre sogar, der Volksinitiative gar keinen Gegenvorschlag gegenüberzustellen Die Ratsdebatte ist für den 5. Februar angekündigt.
Und das Volk? Eine repräsentative Meinungsumfrage im Juli hat ergeben, dass die Beschränkung auf 250\'000 Bewegungen als zu einschneidend, eine Plafonierung des Fluglärms hingegen als sinnvoll angesehen wird. Ob sich das Volk in Juni 2007 gleich entscheidet, ist allerdings fraglich. Fraglich ist auch, was eine solche Volksabstimmung bewirkt. Die per Volksinitiative angestrebte Verfassungsänderung entpuppt sich nämlich bloss als Auftrag. Die kantonalen Stellen sollten demnach «insbesondere heim Bund» darauf hinwirken, dass die Eckwerte bezüglich Flugbewegungen und Nachtruhe berücksichtigt werden.
Kanton kann mitwirken
Der Kanton hat zwar gewisse Mitwirkungsrechte, doch die Entscheidung liegt in den wesentlichsten Punkten auf Bundesebene. Der Bund hat sich in seiner im Herbst 2303 neu formulierten Luftverkehrspolitik klar für einen wettbewerbsfähigen Zürcher Flughafen mit Hub-Funktion ausgesprochen.
Am 8. Dezember präsentierte das Bundesamt für Zivilluftfahrt 19 technisch machbare Flughafen-Betriebsvarianten. Sie dienen als Grundlage für einen Eintrag im Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL, der auf eidgenössischer Ebene die Rahmenbedingungen des Flugbetriebs langfristig festlegt. Jetzt können sich die umliegenden Kantone dazu äussern. Der Zürcher Regierungsrat hat dies bereits getan und alles abgelehnt, was vom herkömmlichen Flugbetrieb mit Nordausrichtung abweicht. Nach einer Überarbeitung dürfte gegen Ende 2007 auch das Volk im öffentlichen Mitwirkungsverfahren zu Wort kommen. Abschliessend entscheiden will der Bundesrat im Jahr 2009.
Im SIL-Prozess finden also 2007 ebenfalls Weichenstellungen statt, mit sehr viel konkreteren Auswirkungen als bei der Volksabstimmung über die Beschränkungsinitiative und einen allfälligen Gegenvorschlag. Konsequenzen gibt es auf jeden Fall für die Richtplanung im Kanton. Die muss im Einklang mit den SIL-Prozess erfolgen. Die Anrainergemeinden des Flughafens wollen endlich Klarheit, wie und wo man noch bauen kann in ihren Gemeinden. Je nach am Ende gewählter Flugbetriebsvariante haben sie mehr oder weniger Spielraum. Die Entscheidungsfindung wird sich freilich noch einige Zeit hinziehen. Ausserdem wird sich der Kantonsrat darüber klar werden müssen, was er mit der Pistenmoratoriums-Initiative von 42 Gemeindeexekutiven anfangen will.
Was macht Deutschland?
Und über allem schwebt die Ungewissheit über die Flugverkehrspolitik der deutschen Behörden. Sie haben dem Flughafen Zürich ja die Schwierigkeiten erst eingebrockt, als sie mit dem Anflugverbot hinsichtlich deutschen Gebiete vor sieben Uhr werktags und vor neun Uhr am Wochenende den Flughafen und die involvierten Behörden zwangen, die Einführung von Südanflügen und vermehrte Ostanflüge vorzunehmen. Deutschland hat es in der Hand, Lockerungen anzubieten, aber auch, die Verordnungsbestimmungen weiter zu verschärfen. Es wird vom Verhandlungsgeschick der Schweizer und insbesondere von Bundesrat Moritz Leuenberger abhängen, was bei den Gesprächen herauskommt.
Nur eine untergeordnete Rolle spielt dabei der Kanton Zürich. Doch auch er kann bei den deutschen Nachbarn für gutes Wetter sorgen. Die 2004 formulierten Eckpfeiler der Zürcher Flughafenpolitik sind immer noch gültig, wie der Sprecher von Volkswirtschaftsdirektorin Rite Fuhrer, Gregor Lüthy, erklärt: Schutz der Bevölkerung, Stärkung des Wirtschaftsstandorts und der Volkswirtschaft des Kantons Zürich durch einen wettbewerbsfähigen Flughafen mit Drehkreuzbetrieb, Vertrauen der Bevölkerung und Akzeptanz des Flughafens sowie Sicherheit und Zuverlässigkeit des Flugbetriebs.