Abfuhr für Rita Fuhrers Fluglärm-Index (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Verkehrskommission des Kantonsrats lehnt Rita Fuhrers Fluglärm-Index ab. Sie will die Flugbewegungen stattdessen bei 320\'000 plafonieren. Von Hans-Peter Bieri

Die kantonsrätliche Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt (Kevu) hat die Vorberatung der Plafonierungsinitiative und des Gegenvorschlags der Regierung abgeschlossen, doch einig war sie sich nur in einem Punkt: Es braucht einen Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative. Die Initiative verlangt für den Flughafen Kloten einen Bewegungsplafond von 250\'000 und eine Nachtruhe von minimal neun Stunden; der Gegenvorschlag der Regierung will stattdessen die Zahl der vom Fluglärm stark gestörten Personen plafonieren. Abgesehen von diesem Punkt konnte sich die Kommission aber weder darauf einigen, ob die Initiative zur Annahme oder Ablehnung empfohlen werden noch wie der Gegenvorschlag aussehen soll, der ihr gegenübergestellt wird. Die Entscheide in der 15er-Kommission (5 SVP, 5 SP, 2 FDP, 1 Grüner, 1 CVP, 1 EVP) fielen dabei zum Teil hauchdünn aus, wie gestern mitgeteilt wurde:

  • Die Plafonierungsinitiative wird mit 9 zu 6 Stimmen abgelehnt. SVP, FDP, CVP und EVP stehen gegen SP und Grüne.
     
  • Der Gegenvorschlag des Regierungsrats, der Zürcher Fluglärm-Index (ZFI), wird ebenfalls abgelehnt, diesmal mit 8 zu 7 Stimmen. Hier siegten SP, Grüne, CVP und EVP über SVP und FDP.
     
  • Die gleiche knappe Kommissionsmehrheit aus linken und Mitte-Parteien schlägt stattdessen als Gegenvorschlag folgende Änderung des Flughafengesetzes vor: «Der Staat wirkt darauf hin, dass die Zahl von 320\'000 Flugbewegungen pro Jahr nicht überschritten und eine Nachtflugsperre von sieben Stunden eingehalten werden.»
     
  • Die unterliegende knappe Minderheit aus SVP und FDP hält am ZFI fest und verbindet ihn in einem Minderheitsantrag mit einer Abwandlung des Mehrheitsantrags (Nachtruhe von sieben Stunden, bei 320\'000 Bewegungen eine Weiterentwicklung der Flughafenkapazität nicht ohne Zustimmung der Stimmberechtigten).
     
  • Eine weitere Minderheit aus SP und Grünen verlangt in einer Abwandlung des Mehrheitsantrags neben der Plafonierung bei 320\'000 Bewegungen eine Nachtruhe von acht Stunden. Sie nimmt damit die Behördeninitiative von 69 Gemeinden auf. 
  • Die Nachtflugsperre wird dabei im Mehrheitsantrag und im Minderheitsantrag von SP und Grünen als Nettowert verstanden; Notlandungen sind erlaubt, aber kein Verspätungsabbau. Im Minderheitsantrag von SVP und FDP ist es ein Bruttowert, die Nachtsperrzeit kann also durch Verspätungsabbau reduziert werden.

«Der kleinste gemeinsame Nenner» Kevu-Präsidentin Sabine Ziegler (SP) räumte ein, der Kommissionsgegenvorschlag sei «der kleinste gemeinsame Nenner». Der ZFI fiel nach ihren Worten vor allem aus Gründen der Kommunizierbarkeit durch. Der ZFI sei sinnvoll als Monitoringinstrument, insofern habe Rita Fuhrer durchaus etwas Vernünftiges vorgeschlagen. Aber er sei noch nicht ausgereift und noch nicht stabil genug. Zudem könne man ihn kaum vermitteln. «Die Initiative arbeitet mit zwei einfachen Zahlen, unser Gegenvorschlag tut dies jetzt auch.»

Regierung wie Initianten halten allerdings wenig vom Resultat der Kommissionsberatungen. Rita Fuhrer liess durch ihren Mediensprecher Gregor Lüthy ausrichten, sie sei weiterhin der Meinung, dass eine Plafonierung der Flugbewegungen im Widerspruch zur Luftfahrtpolitik des Bundes stehe und deshalb ungeeignet sei, die Immissionen durch den Luftverkehr zu reduzieren. SP-Kantonsrat Ruedi Lais vom Initiativkomitee umgekehrt erklärte, ein Rückzug der Plafonierungsinitiative zu Gunsten des Kommissionsvorschlags komme nicht in Frage. «Bei sieben Stunden Nachtruhe muss man mit uns schon gar nicht reden.»

Diskutieren würde das Initiativkomitee über einen Rückzug allenfalls, wenn der Minderheitsantrag von SP und Grünen zum Gegenvorschlag würde. Nur die 69 Unterzeichnergemeinden der Behördeninitiative sind bereit, ihr Begehren zu Gunsten des Kommissionsgegenvorschlags zurückzuziehen. Dieser sei zwar nicht ihr Wunschresultat, aber ein brauchbarer Kompromiss, sagte der Nürensdorfer Gemeindepräsident Franz Brunner.

Kantonsrat entscheidet

Auf den Kantonsrat kommt damit nicht nur eine hochemotionale Debatte, sondern auch ein ebenso kompliziertes Abstimmungsverfahren zu. Er muss zuerst eine Parole zur Plafonierungsinitiative fassen, die so oder so vors Volk kommt, wenn sie nicht zurückgezogen wird. Dann muss er unter den Gegenvorschlägen eine Auswahl treffen, und schliesslich muss er entscheiden, ob er den siegenden Vorschlag überhaupt will oder nicht.

06.12.2006, Tagesanzeiger


siehe auch:
Lärmbefreiung (Leserbrief TA)