Zumikon vom lokalen Immobilienboom ausgeschlossen
Von Claude A. Ginesta*
Mit dem Entschluss für ein neues Anflugregime auf dem Flughafen Kloten und dem Start der Südanflüge sind für Zumiker Landeigentümer im Jahr 2001 ungewisse Zeiten angebrochen. In den ersten 24 Monaten nach der Ankündigung konnten praktisch keine Freihandverkäufe registriert werden. Schnäppchenjäger waren zwar präsent, doch die Liegenschaftsbesitzer waren nicht bereit, Immobilien zu Schleuderpreisen zu veräussern. Die fehlenden Verkäufe verunmöglichten es damit lange Zeit, die Preise für Bauland in Zumikon richtig einzuschätzen.
Verkäufe brauchen mehr Zeit
Inzwischen hat sich die Situation indessen normalisiert, und fünf Jahre nach dem politischen Ja zu Südanflügen muss konstatiert werden, dass die bezahlten Landpreise deutlich sanken. Das frühere Niveau mit Werten von 1600 bis 1800 Fr./m2 bzw. an Spitzenlagen von bis zu 2000 Fr./m2 ist heute ausser Reichweite. Auf den ersten Blick scheint sich der Schaden zwar in Grenzen zu halten: Nominal hat sich das Preisniveau «nur» um rund 10% verringert. Wenn man jedoch bedenkt, dass in den umliegenden Gemeinden die Baulandwerte in den letzten fünf Jahren um bis zu 50% gestiegen sind, muss schon von klaren Einbussen gesprochen werden. Dasselbe gilt auch für die Preise überbauter Liegenschaften, auch wenn diese nicht völlig mit den Baulandwerten korrelieren. Der Wertanteil für das Bauland am Gesamtwert einer Liegenschaft liegt erfahrungsgemäss bei 30% bis 50% - der wertmindernde Effekt von Fluglärm auf die gesamte Immobilie ist also entsprechend geringer.
Eine weitere Problematik ist der Verkaufshorizont. Während in Seegemeinden für Verkäufer geradezu «Eldorado-Zustände» herrschen und Liegenschaften innert Kürze veräussert werden, muss in Zumikon realistischerweise mit einem Verkaufszeitraum von drei bis neun Monaten gerechnet werden. Damit weist der Markt ähnliche Verkaufsfristen auf wie z. B. das Zürcher Oberland, das Glatt- oder das Limmattal.
Übrige Goldküste hat profitiert
Anders ist die Situation in Zollikon, Küsnacht, Erlenbach und auch Herrliberg. Diese Zürichseegemeinden haben aufgrund der Südanflüge eine eigentliche Sogwirkung entfaltet. Alle Lagen in diesen Gemeinden wurden noch gesuchter, und besonders Kaufinteressenten mit höchsten Ansprüchen, welche früher Zumikon durchaus als denkbaren Wohnort in Betracht zogen, konzentrierten sich auf die Gemeinden ohne Fluglärm. In den letzten fünf Jahren konnte daher in diesen Gemeinden ein regelrechter Boom bei den Landpreisen beobachtet werden, mit jährlichen Steigerungsraten von 5-7%.
Während im Jahr 2001 in Küsnacht für ein Baugrundstück an einer guten Lage etwa 2000 bis 2200 Fr./m2 bezahlt wurden, liegen heute die Preise bereits sehr deutlich über 3000 Fr./m2. Selbst für mittlere Lagen muss zurzeit mit 1800 bis 2000 Fr./m2 kalkuliert werden, ohne jegliche Seesicht und nicht immer an ruhiger Lage. In Zollikon bewegt sich der Markt in noch höheren Sphären, so dass an besten Lagen auch schon einmal 4000 Fr./m2 in Rechnung gestellt werden. Selbst Erlenbach erreicht inzwischen das Niveau von Küsnacht, d. h., es werden an guten Lagen hin und wieder 3000 Fr./m2 oder mehr geboten.
Plötzlich vergleichsweise günstig
Grundsätzlich ist allerdings für den Markt Zumikon keine Besorgnis angebracht. Zumikon bleibt eine sehr privilegierte Wohngemeinde - mit einer schnellen Anbindung an die Stadt, guter Infrastruktur sowie äusserst schönen, locker überbauten Wohngebieten mit vielen Einfamilienhäusern. Die nach wie vor restriktiven Bauvorschriften (grosse Grenzabstände, limitierte Anzahl Geschosse) verhindern eine allzu starke Verdichtung. Laufende Verkaufsmandate zeigen denn auch, dass reges Interesse für Bauland wie auch für Bestandesliegenschaften tatsächlich vorhanden ist. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass das Wohnen in den beliebtesten Zürichseegemeinden inzwischen so teuer geworden ist, dass Kaufinteressenten wieder vermehrt einen Grundstückskauf in der Region Zumikon/Forch/Ebmatingen ins Auge fassen.
Durch die extreme Verteuerung der Baulandwerte an der Goldküste wirken die Baulandpreise in Gemeinden wie Zumikon - wo zurzeit für gut gelegenes, unüberbautes Bauland zwischen 1400 Fr./m2 und 1600 Fr./m2 bezahlt werden - nun sehr attraktiv und günstig. Besonders Neubauten können heute zudem mit kontrollierten Lüftungen sowie Schallschutzmassnahmen ausgerüstet werden, welche den störenden Fluglärm auf ein erträgliches Mass reduzieren. Und last, but not least ist ja das letzte Wort über die Zukunft der Südanflüge noch nicht gesprochen.
* Claude A. Ginesta, eidg. dipl. Immobilientreuhänder und Betriebsökonom, ist Partner bei Ginesta Immobilien in Küsnacht.
NZZ, 03.11.2006, Seite 77