Initianten wollen maximal 320 000 Bewegungen und 8 Stunden Nachtruhe - Gegner sind skeptisch
Die Plafonierung am Flughafen Zürich droht gemäss einem neuen Szenario ohne Volksabstimmung eingeführt zu werden. Der Fall könnte eintreten, wenn der Zürcher Kantonsrat einem Plafond von 320 000 Bewegungen zustimmt, kein Referendum ergriffen und die Volksinitiative für 250 000 Bewegungen zurückgezogen wird.
ark. Während der Verkehrsminister und die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin auf diplomatischem Parkett für eine Lösung des Fluglärmkonflikts unterwegs sind, steht in den Niederungen der kantonalen Politik die Plafonierung zuoberst auf den Traktanden. Befürworter und Gegner entwerfen Strategien, und die zuständige kantonsrätliche Kommission steht kurz vor dem Entscheid, was sie dem Plenum beantragen soll. In Diskussion stehen die Volksinitiative für eine Plafonierung bei 250 000 Bewegungen und 9 Stunden Nachtruhe, eine Behördeninitiative für 320 000 Bewegungen und 8 Stunden Nachtruhe sowie der Zürcher Fluglärm-Index (ZFI), der Gegenvorschlag der Regierung.
Kein obligatorisches Referendum mehr
Bisher war man davon ausgegangen, dass das Volk letztlich über eine oder zwei Vorlagen zu befinden haben würde. Nun wird hinter den Kulissen ein Szenario für die Einführung einer Plafonierung ohne Abstimmung gehandelt. Gemäss dem seit Anfang 2005 gültigen Gesetz über die politischen Rechte braucht es keine Abstimmung mehr, wenn der Kantonsrat einer Gesetzesinitiative zustimmt - es sei denn, es werde das Referendum ergriffen. Dieser Passus wurde dem Kantonsrat vor wenigen Tagen im Fall der Initiative «Chance für Kinder» zum Verhängnis (NZZ 27. 10. 06). Er beschloss eine Abstimmungsempfehlung, anstatt die Initiative anzunehmen oder abzulehnen. Deshalb muss die Abstimmung im Rat nun wiederholt werden.
Anders ist die Ausgangslage bei der Plafonierungsinitiative. Sie fordert eine Verfassungsänderung und untersteht somit weiterhin dem obligatorischen Referendum. Hingegen entfällt dieses, wenn der Kantonsrat einen Gegenvorschlag für eine Gesetzesänderung beschliesst und die Initianten ihr Begehren zurückziehen. Genau darauf basiert das Szenario Plafonierung ohne Abstimmung. Sowohl die Behördeninitiative wie auch der ZFI enthalten Änderungen des Flughafengesetzes und nicht der Verfassung. Wenn nun also die Initiative zurückgezogen und das fakultative Referendum nicht ergriffen würde, träte automatisch der Gegenvorschlag in Kraft, und damit könnte bereits Mitte 2007 eine Plafonierung Tatsache sein.
Ruedi Lais, Mitträger der Plafonierungsinitiative, erklärt auf Anfrage, dass ein Gegenvorschlag auf der Basis des ZFI oder ein solcher mit weniger als acht Stunden Nachtruhe für einen Rückzug der Initiative nicht in Frage kämen. «Dies brächte keine Entlastung für den Süden und den Osten», so Lais. Aus Sicht der Initianten hätte die Variante ohne Abstimmung den Vorteil, dass man am Schluss sicher nicht ohne leere Hände dastehen würde: «Wenn in der Volksabstimmung sowohl die Plafonierungsinitiative wie der Gegenvorschlag scheitern, waren die ganzen Bemühungen umsonst», so Lais. Den Rückzug würde man nach Ablauf der Referendumsfrist beschliessen. «Wir wollen uns nicht austricksen lassen», sagte er.
Kantonsrat schon 2002 für Plafonierung
Eine kantonsrätliche Mehrheit für eine Plafonierung bei 320 000 Bewegungen wäre keine Überraschung, das Parlament hat bereits im November 2002 ein entsprechendes Postulat überwiesen. Auch eine Nachtruhe von acht Stunden scheint nicht ausser Traktanden. Die Behördeninitiative mit der entsprechenden Forderung fand zumindest im Norden des Kantons Zustimmung bis weit ins bürgerliche Lager. Vor diesem Hintergrund scheint es unwahrscheinlich, dass der ZFI, der keine Plafonierung vorsieht, ungeschoren durch den Kantonsrat kommt. Das Mitte-Links-Lager scheint dem Vernehmen nach einen Gegenvorschlag mit einer Kombination aus ZFI und einem Plafond von 320 000 zu favorisieren.
Wenn nicht alles täuscht, dürfte die entscheidende Frage also sein, ob die Gegner jeglicher Plafonierung ein Referendum ergreifen wollen. Thomas Koller, Vizepräsident des Komitees für ein weltoffenes Zürich, hält eine Nachtruhe von über sieben Stunden für «tödlich» für den Flughafen. Er würde deshalb weibeln für ein Referendum, wenn eine solche Zahl beschlossen würde, sagte er. Ähnlich tönt es vom kantonalen Gewerbeverband. Geschäftsführer Martin Arnold kann sich nicht vorstellen, dass der KGV eine Plafonierung und 8 Stunden Nachtruhe akzeptieren würde. Allerdings ist man sich beim KGV offenbar noch nicht sicher, ob das die Bevölkerung auch so sieht. Nächste Woche will man neue Umfrageergebnisse veröffentlichen, die die Stimmung im Volk wiedergeben sollen.