Bannstrahl gegen die grossen Passagierjets (ZOL)

Publiziert von VFSNinfo am

Forch Protestaktion zum dritten Jahrestag der Südanflüge

Flamme gegen Fluglärm

Gestern früh erinnerten rund 400 Personen beim Forchdenkmal daran, dass sie seit drei Jahren jeden Morgen durch Flugzeuge aus dem Schlaf gerissen werden.

Christian Brändli

Von weit her war das Forchdenkmal, einst erstellt als Sinnbild für die Opfer des Ersten Weltkrieges, gestern früh zu sehen. Erhellt hatten das Mahnmal Aktivisten der Bewegung «Flugschneise Süd   Nein». «Das ist ein ganz trauriges Jubiläum», erinnerte Thomas Morf, Präsident des Vereins, in seiner flammenden Rede, «aber auch nach drei Jahren Südanflügen geben wir unseren Protest nicht auf.»

Schneiser als Opfer

Den Ort für ihren Protest hatte der Verein ganz bewusst gewählt, «sind wir doch Opfer einer Gewalt, die heute viel subtiler erfolgt.» Gegen 400 Anwohner der Anflugschneise hatten sich um 6 Uhr morgens bei der grossen Flamme eingefunden, um im Lärm der anfliegenden Passagierjets ihre Forderungen zu wiederholen.

Neben der Aufhebung der frühmorgendlichen Südanflüge - wochentags von 6 bis 7 und am Wochenende gar bis 9 Uhr verlangten die Redner die Ausrichtung des Flughafens Kloten auf die traditionelle Nordausrichtung. Grosse Hoffnungen auf dem Weg zu einem störungsfreien Morgenhimmel setzen die Südschneiser insbesondere in den gekröpften Nordanflug. FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger kündigte an, dass seine Partei die Lancierung einer Volksinitiative prüfe, mit der der gekröpfte Nordanflug forciert werden solle. «Den gekröpften Nordanflug können wir als Druckmittel in die Verhandlungen mit Deutschland einbringen», unterstrich Leutenegger. Die einseitige deutsche Verordnung ist heute Gegenstand von Verhandlungen in Berlin.

Gar nichts übrig für den vom Regierungsrat präsentierten Zürcher Fluglärmindex (ZFI) hat Morf: «Der ZFI ist nur ein Wachstumsgarant für den Flughafen.» Auch die Bürgerorganisation für die Stadt Zürich und das Glattal, «Zürich Nord gegen Fluglärm», forderte gestern die schnellstmögliche Einführung des gekröpften Nordanfluges sowie Verlängerung der Nachtruhe auf neun Stunden.

Leuenberger in Berlin

Heute sind die Südanflüge, respektive die deutsche Verordnung, die diese nötig machte, Gegenstand eines Treffens zwischen Bundesrat Moritz Leuenberger und dem deutschen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Berlin.  

ZOL, 31.10.2006, Seite 1


Forch  400 Südanfluggegner protestierten beim Forchdenkmal gegen den morgendlchen Fluglärm

Bannstrahl gegen die grossen Passagierjets

Die Gegner der Südanflüge geben nicht auf. Für ihren Protest gegen die seit dem 30. Oktober 2003 stattfindenden morgendlichen Landeanflüge über den Pfannenstiel wähten sie das Forchdenkmal aus.

Christian Brändli

Noch bevor das erste Flugzeug über den Pfannenstiel schwebt, macht sich ein «Gespenst» vor dem Forchdenkmal zu schaffen. Die Dame mit dem weissen Tuch über dem Kopf versucht, ihr «Hilfe»-Plakat anzuschwärzen. Wirklich gespenstisch ist vielmehr der erste grosse Passagierjet, der um 6.03 Uhr brummend durch die dunkle Wolkendecke bricht und sich blinkend Richtung Flughafen Kloten macht. «Der ist aber noch weit oben. Bei uns in Gockhausen sieht das ganz anders aus», meint eine Frau.

Kampf teilweise erfolgreich

Gegen 400 Gegner der Südanflüge haben sich gestern früh mit Fackeln bewehrt beim Forchdenkmal getroffen, um des «traurigen Jubiläums drei Jahre Südanflüge» zu gedenken. «Ich ärgere mich auch nach dieser Zeit noch immer über die Flieger. Vor allem habe ich Angst vor einem Flugzeugabsturz», ruft Christine Dörig, die auf der Forch zu Hause ist, den Demonstranten entgegen. Besonders betrübt sie aber, dass sie das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren habe.

Wahrend man bereits das Grollen und Jaulen des vierten und fünften Flugzeugs an diesem Morgen hört, erinnert Jürg Zwicky aus Zumikon an den zurückliegenden Kampf gegen die Sudanflüge. Leider hätten sie Recht bekommen. Schon vor fünf Jahren zeigte ein Plakat der Fluglärmgegner die drohenden Vögel über dem Süden. «Aber was wäre, wenn wir nichts gemacht hätten gegen diese Anflüge? Dann wäre wohl alles noch viel schlimmer. Alles wäre offen ohne Limiten. » Rundum ist Zustimmung zu vernehmen.

Als würde das Licht die dröhnenden Jets vertreiben können, wird jede Maschine von einigen Schneisern mit Stablampen angestrahlt. Allein, die grossen Vögel lassen sich vom Bannstrahl nicht abhalten.

Als Mittel gegen die Südanflüge und die zusätzlichen Ostanflüge sieht Zwicky den gekröpften Nordanflug. Unter Applaus hält er fest, dass die Flughafenführung selbst finde, dass der Norden die richtige Anflugrichtung sei und dass der Gekröpfte machbar sei.

Schneiser fühlen sich diskreditiert

Wahrend am Horizont die Dunkelheit schon von helleren Streifen durchbrochen wird, ergreift FDP Nationalrat Filippo Leutenegger das Wort. Unter Klatschen und Rufen macht er seinem Arger über den «Tages Anzeiger» Luft. Dieser hatte letzte Woche Südanfluggegnern vorgehalten, dass sie in ihrem Kampf die Grenzen von Anstand und Recht Überschreiten würden. «Hier wird versucht, diese Bewegung zu diskreditieren und kriminalisieren, wettert Leutenegger. Gleichzeitig kündigt er an, dass die FDP notfalls über eine Volksinitiative der Forderung nach einer raschen Einführung des gekröpften Nordanfluges Nachdruck verleihen werde, sollten die wiederaufgenommenen Gespräche mit Deutschland nicht konkrete Ergebnisse bringen.

Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd - Nein, macht den Anwesenden Mut, dass das Engagement des Vereins nicht aufhören werde, bis die Südanflüge vom Tisch seien. «Wir schaffen uns damit nicht nur Freunde. Aber unsere Argumente und Fakten sind richtig», unterstreicht er. «Die Nerven liegen zum Teil blank, auf beiden Seiten. Das ist bedauerlich, aber auch menschlich», meint Morf, nur um nachzudoppeln, dass sie immer mit legalen Mittel ihren Kampf geführt hätten. Gerade im Fall der zwei Schneiser, die beschuldigt worden waren, mit ihren Stablampen den Flugverkehr gestört zu haben, habe sogar das Gericht ihnen Recht gegeben.

Es ist kurz nach halb sieben, und der 14. Jet dröhnt an diesem ganz normalen Morgen über die Köpfe der Protestierenden hinweg. Es ist der 1097. seit Einführung der Südanflüge. Während die einen sich wieder auf den Heimweg machen, stehen andere noch zusammen, diskutieren und genehmigen sich den vom Verein offerierten Kaffee, Gipfeli und «Schneiser-Guetsli» - goldgelbe Mailänderli in Flugzeugform.

Nicht an Lärm gewöhnt

Ursula Steinrisser, Rosmarie Oberwasser und Liv Siebenhaar gehören zu jenen, die sich auch nach drei Jahren noch nicht an die lärmigen Anflüge haben gewöhnen können. Jede versucht auf ihre Art, mit der Situation fertig zu werden. Während Liv Siebenhaar nur noch nach Einnahme von Tropfen schlafen kann, verlässt sich Ursula Steinrisser auf ihren Mann, der jeden Morgen um 6 Uhr aufsteht, um die Fenster zu schliessen. Und Rosmarie Überwasser hält fest, dass der Lärm sicher keine Einbildung sei. Seien ihre Enkelkinder bei ihr zu Besuch, stünden diese jeweils um 6.10 Uhr am Bett und beklagten sich, dass sie nicht mehr schlafen könnten.

Allen aber ist gemein, dass sie nicht verstehen können, dass mit den Südanflügen Recht gebrochen worden sei: «Als Bürger werden wir gar nicht mehr wahrgenommen.»

ZOL, 31.10.2006, Seite 3