«Ich würde es wieder machen» (ZOL)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluglärm-Index: Rita Fuhrer fand ihre Werbetour nützlich - Kritiker bleiben kritisch

Rita Fuhrer hat die Werbetournee für ihren Fluglärm-Index zu Ende gebracht. Trotz Kritik von verschiedenen Seiten: Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin gibt sich optimistisch.  

von Marius Egger  

Hoch über die Stadt Zürich, ins Restaurant Die Waid lud Regierungsrätin Rita Fuhrer gestern die Medienschaffenden ein - zu einem «inoffiziellen Frühstück». Der Blick schweifte über die schimmernden Dächer von Zürich, den schwarz gefärbten See und verlor sich erst ganz hinten in den Glarner Alpen. Eine Aussicht, wie bei einem Landeanflug auf den Flughafen Zürich. Nur der Fluglärm fehlte. Ihren «Rundflug» zu diesem Thema hat die Volkswirtschaftsdirektorin kürzlich beendet. Er führte bis in den tiefen Aargau hinein - und darüber hinaus.
In insgesamt elf Zürcher Gemeinden weibelte Regierungsrätin Fuhrer in den letzten Wochen für den Zürcher Fluglärm-Index (ZFI). Als regierungsrätlicher Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative (250 000 Flugbewegungen pro Jahr) war der ZFI von Fuhrer Ende August lanciert worden. Er will die Anzahl der vom Fluglärm geplagten Personen auf 47 000 beschränken. Eine «Zauberformel», die die Kritker allein schon wegen der mathematischen Komplexität ins Grübeln brachte. Rita Fuhrers Ziel für ihre Werbetournee war deshalb klar formuliert: «Aufklären und informieren».

«Zürcher wollen diskutieren»

Allerdings hätte ihr die Lust bereits am ersten Auftrittsabend vergehen können. Gerade einmal zehn Personen wollten mit ihr in Affoltern am Albis diskutieren. Zu Fuhrers Ehrenrettung muss jedoch gesagt sein: Die Gemeinde ist vom Fluglärm nicht tangiert.
Der Durchschnitt an Zuhörern steigerte sich dann im Verlaufe der Tournee auf 100. Nicht nur dies, auch die detaillierten Fragestellungen brachten Fuhrer zur Überzeugung: «Die Zürcherinnen und Zürcher wollen diskutieren, auch sachlich.» Dass ihr gerade die Bevölkerung von Dietikon, wo sie ihren letzten Auftritt hatte, sehr sachlich vorkam, erstaunt wenig. Die Limmattaler Gemeinde ist kaum fluglärmgeplagt. In den belärmten Regionen fielen die Diskussionen jedenfalls weit emotionaler aus.
Vor allem in der Südschneiser-Gemeinde Maur, wo die Veranstaltung mit 220 Personen auf das grösste Interesse stiess, musste Fuhrer viel Kritik und auch einiges Gelächter über sich ergehen lassen. «Aber», so führte die Regierungsrätin gestern aus, «ich habe insgesamt eigentlich mehr und organisiertere Gegner erwartet. Der harte Kern ist zwar gekommen, aber keine grosse, organisierte Masse.»

Prognose ist schwierig

So zog Rita Fuhrer gestern bei Kaffee und Gipfeli denn auch die Bilanz: «Ich würde es wieder machen.» Sie zeigte sich überzeugt, dass der ZFI im Zürcher Volk eine Mehrheit finden würde, wenn er als Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative zur Abstimmung käme. «Heute weiss man, was der ZFI ist. Jeder kann darüber diskutieren», frohlockte sie.
Zu diskutieren haben auch die Zürcher Kantonsräte noch über den Index. Hier sind die Prognosen weniger optimistisch. Auch Fuhrer weiss um die Schwierigkeit, den ZFI durch die Beratungen zu boxen. «Eine Prognose ist schwer abzugeben», sagte sie. Zumindest die eigene Fraktion sende nach anfänglichem Misstrauen nun positive Signale aus. Ob sich allerdings die Kantonsräte aus den vom Fluglärm geplagten Regionen vor den bevorstehenden Wahlen ebenfalls für den ZFI erwärmen lassen, ist fraglich.
Geweibelt hat Fuhrer für ihre Flughafenpolitik auch ausserhalb der Kantonsgrenzen. Zum Beispiel im Aargau. Dort gab sie etwas voreilig vor, die Kantonsregierung in Sachen gekröpftem Nordanflug bereits auf ihre Seite gebracht zu haben. Und dass sie sich im solothurnischen Olten immer noch im Aargau wähnte, brachte ihr auch kaum Pluspunkte.  

Einige Meinungen zum ZFI:

«Nicht konstruktiv»
Peter Staub, Flughafen-Schutzverband:
«Ich war an der Veranstaltung von Regierungsrätin Fuhrer in Rümlang dabei, und ich hatte den Eindruck, sie ist überhaupt nicht angekommen. Rita Fuhrer konnte weder den ZFI konstruktiv erklären noch ist sie auf kritische Fragen eingegangen. Im Prinzip ist der Richtwert ja auch eine Plafonierung, aber er lässt allen Spielraum nach oben offen. Er spielt also vor allem dem Flughafen in die Hände. Zudem glaube ich nicht, dass Massnahmen ergriffen werden, sollte der Richtwert einmal überschritten werden.»


«Nicht transparent»
Paul Studer, Gemeindepräsident Oetwil an der Limmat:
«Ich halte vom ZFI nicht so viel. Erstens zeigt er nicht auf, wer die Verlierer sein werden. Und zweitens, und das erachte ich als grösste Schwäche, kann niemand sagen, was passiert, wenn der Grenzwert tatsächlich einmal überschritten wird. Meistens passiert ja gar nichts, wenn irgendein Grenzwert in den roten Bereich zu liegen kommt. Frau Fuhrer konnte den ZFI auch nicht transparenter machen. Das stelle ich auch auf Grund der Reaktionen fest: Der ZFI wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.


«Schon erstaunlich»
Ruedi Lais, Mitglied des Komitees Plafonierungsinitiative:
«Es ist schon erstaunlich, dass ein Regierungsratsmitglied auf eine elftägige Werbetournee geht. Rita Fuhrer hätte eigentlich auch andere wichtige Dossiers zu bearbeiten und hat dem ZFI ein überstarkes Gewicht gegeben. Aus parteipolitischer Sicht hat ihr die Tour aber sicherlich geholfen, vor den Wahlen die Reihen zu schliessen. Einige Gemeindepräsidenten, die eigentlich für die Behördeninitiative ihrer Gemeinden stimmen wollten, können ihr nun aus Partei-Loyalität nicht in den Rücken zu fallen.»


«Eher ungläubiger»
Richard Hirt, Präsident Fluglärmforum Süd:
«Ich war in Maur an der ZFI-Veranstaltung von Rita Fuhrer. Sie hat dort zwar redlich versucht, den Fluglärm-Index zu erklären. Allerdings hat sie ja selber betont, dass sie ihn nicht versteht. Die Mehrheit der Leute ist danach eher noch ungläubiger nach Hause gegangen, als sie gekommen ist. Je mehr man sich in den ZFI vertieft, desto schwieriger ist er zu verstehen. Und es sind wohl auch noch einige Hunde in dieser Sache begraben. Ich denke, rechtlich ist der ZFI als Gegenvorschlag kaum durchsetzbar.»



ZOL, 07.10.2006