Auszüge aus einem Interview mit Bundespräsident Moritz Leuenberger in der Zürcher Landzeitung/ZOL:
Vom Kulturdialog zum Flugverkehr. Der SIL Prozess, der in ein neues Betriebsreglement für den Flughafen Zürich münden soll, ist im Gang. Wo stehen die Verhandlungen?
Der Prozess verläuft planmässig. Gegen Ende Jahr werden wir alle möglichen Varianten von An- und Abflügen auf dem Tisch haben.
In seinem Luftfahrtsbericht vom Dezember 2004 hat sich der Bundesrat klar für ein nachfrageorientiertes Wachstum auf den Schweizer Flughäfen ausgesprochen. Für das Jahr 2020 werden für den Flughafen Zürich rund 400 000 Luftbewegungen prognostiziert. Gelten diese Parameter noch immer?
Der Bericht zur Luftfahrtpolitik bleibt die Richtschnur für konkrete Entscheide des Bundes für den Flughafen Zürich. Und an diesem Bericht wird auch das Gesuch der Flughafenbetreiberin für ein neues Betriebsreglement gemessen. Die 400 000 Flugbewegungen entspringen einer Prognose darüber, wie sich die Nachfrage entwickeln dürfte. Die Studie ist eine Grundlage, die für den SIL erstellt wurde.
Daraus wäre zu schliessen, dass es am Flughafen Zürich keine Plafonierung geben wird.
Der Flugbetrieb soll zwar die Nachfrage befriedigen. Aber ebenso muss er sich an den Kriterien der Nachhaltigkeit messen. Der Bund hat seine luftfahrtpolitischen Ziele klar definiert, aber auch die Meinung des Kantons Zürich zur künftigen Ausgestaltung des Flugbetriebs ist wichtig.
Nachhaltigkeit und Nachfragebefriedigung die beiden Begriffe sind auf Kollisionskurs...
Ja, natürlich. Sozialverträglichkeit, Umweltschutz und ökonomische Ziele sind ja bekanntlich nicht leicht unter einen Hut zu bringen.
Was halten Sie vom Fluglärm-Index, den die Zürcher Regierung als Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative präsentiert hat?
Ein sehr interessanter Denkansatz.
Eine Gretchenfrage: Sind Sie für Lärmverteilung oder kanalisierung? Das ist doch ein klarer Fall: Der Fluglärm sollte kanalisiert werden, und zwar nach Norden. Das sage ich seit Jahren. Bloss: Es bei diesem Bekenntnis bewenden zu lassen, ist billig, denn die Realität. ist eine andere, seit die deutsche Verordnung in Kraft getreten ist.
Der gekröpfte Nordanflug bedeutet für viele Menschen einen Hoffnungsschimmer. Ist das Zertifizierungsverfahren zwingend mit dem SIL Prozess verknüpft, dessen Ende heute nicht abzusehen ist?
Nein, theoretisch liesse sich der gekröpfte Nordanflug unabhängig von den Diskussionen zum SIL Prozess einführen. Die Südanflüge mussten ja wegen der deutschen DVO auch sofort eingeführt werden, also könnte ihr Ersatz als eine indirekte Folge der DVO auch rasch eingeführt werden.
Und wann kommt der «Gekröpfte?
Mit Entzug der aufschiebenden Wirkung von allfälligen Rekursen könnte aus meiner Sicht eine noch zu bestimmende Form des gekröpften Nordanflugs im Jahr 2008 eingeführt werden. Das Gesuch für den «Gekröpften» liegt derzeit allerdings wieder beim Flughafen Zürich. Das erste Gesuch war von vorneherein nicht bewilligungsfähig. Unique wusste das auch zum Voraus.
Von Deutschland liegt eine Einladung für Gespräche über das Thema Flughafen Zürich auf dem Tisch. Was kann die Schweiz anbieten, damit Deutschland zu Konzessionen bereit wäre?
Das Einzige, was ich weiss, ist, dass ich nicht mit einer pfannenfertigen Lösung aus Berlin zurückkehren werde. Es gilt eine Lösung zu finden, die in allen Anflugkorridoren möglichst vielen Menschen dient. Auch Deutschen. Gleichzeitig muss eine wettbewerbsfähige Entwicklung des Flughafens sichergestellt sein. Ich bin froh, dass die Gespräche wieder in Gang kommen, aber ich muss heute einen zu hohen Erwartungsdruck bremsen. Denn die Problematik ist komplex, und eine Lösung ist nicht einfach zu finden.
Was könnte die Schweiz noch anbieten?
Es geht nicht nur um das Thema Flugverkehr, sondern es geht mir um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten überhaupt.
Etwas präziser bitte!
Hören Sie, ich kann doch die bevor stehenden Gespräche mit Deutschland nicht via Medien führen!
ZOL/ZL, 03.10.2006, Seite 13