Nachfolgenden Text, des uns nahestehenden Experten Jean-Pierre Schiltknecht, zeigt sehr deutlich, dass unser Kampf gegen den Kapazitätsausbau am Flughafen Zürich nebst der Lärmkomponente auch eine wichtige Umweltkomponente enthält. Schliesslich setzen wir uns mit unterschiedlichen Aspekten für die gleiche Sache ein.
Flughafen Zürich grösster Klimasünder des Kantons
Klimastrategie ohne Luftverkehr unglaubwürdig
Der Luftverkehr ist gemäss kürzlicher Interpellationsantwort des Bundesrates mit 27% grösster Treibhausgas-Emittent der Schweiz, grösser als der Strassenverkehr, die Industrie oder die Gebäude. Noch gravierender ist die Situation im Kanton Zürich: Basierend auf der 2019 vertankten Kerosinmenge am Flughafen steigt der entsprechende Treibhausanteil, bezogen auf den Standortkanton Zürich, auf über 200% des terrestrisch anfallenden CO2. Die Klimarelevanz des vom Flughafen Zürich aus startenden Luftverkehrs ist damit mehr als doppelt so gross wie diejenige aller übrigen Schadstoffemittenten des Kantons zusammen!
5.6 Mio. Tonnen betrugen die CO2- Emissionen des Kantons Zürich 2019 (ohne Luftverkehr). 4.2 Mio. Tonnen CO2 wurden gemäss Eurocontrol durch die vom Flughafen vertankte Kerosinmenge ausgestossen. Hinzu kommen die in grosser Höhe ausgestossenen Nicht-CO2- Flugschadstoffe (u.a. auch Kondensstreifen), die auf die Treibhauserwärmung eine doppelt so grosse Auswirkung wie der reine CO2-Ausstoss der Triebwerke haben. CO2-neutral heisst für den Luftverkehr nicht klimaneutral! Die für den Luftverkehr massgebende Treibhausgasrelevanz ergibt sich erst durch Multiplikation des reinen CO2-Ausstosses von 4.2 Mio. Tonnen mit dem Treibhaus-Gewichtungsfaktor 3. Die vom Flughafen Zürich zu verantwortende Klimabelastung erreicht daher allein schon durch die Kerosinemissionen mehr als den doppelten Wert aller restlichen Emittenten im Kanton.
Der Kanton will bis 2040 (vermeintlich) klimaneutral sein. Von konkreten Massnahmen soll aber ausgerechnet der Flugverkehr ausgeklammert sein, denn dieser liege nicht in der Hoheit des Kantons. Diese Aussage des Regierungsrates, den mit Abstand grössten Verursacher der Treibhauserwärmung im Kanton von der Klimastrategie auszuklammern, ist vor dem Hintergrund der Sperrminorität des Kantons im VR des Flughafens eine nicht nachvollziehbare Fehlentscheidung, der die Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit der ganzen Klimastrategie in Frage stellt. Gemäss Flughafengesetz ist der Kanton verpflichtet, den Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Auswirkungen des Flugverkehrs zu berücksichtigen. Offenbar gehört der Schutz der Zürcher Bevölkerung vor den Klimafolgen nicht in den Kompetenzbereich der Regierung. Nicht nachvollziehbar, warum der grösste Klimasünder Flugverkehr, der auch mit theoretisch 100% CO2- neutralem synthetischem Treibstoff wegen den doppelt so hohen Nicht-CO2-Treibhauswirkungen in grosser Höhe nie klimaneutral sein wird und kann, vom Kanton (und auch vom Bund) nicht einmal im Ansatz in die Klimaverantwortung eingebunden werden soll. Ein Affront gegenüber allen, die opferbereit ihren Klimabeitrag erbringen.
Die wettbewerbsverzerrende Tiefpreispolitik der durch Steuerfreiheit subventionierten Luftfahrt braucht eine Trendwende zur Kostenwahrheit, z.B. über Lenkungsabgaben auf Kerosin. Ohne adäquate Kerosinbesteuerung fehlen den Investoren die Anreize für riskante technologische Investitionen in langfristig CO2-neutrale Technologien. Da die heute als Alibi-Argumentation bemühte Herstellung von synthetischem Treibstoff ein Vielfaches an sauberer Solarenergie benötigt, als das Endprodukt schlussendlich hergibt, müsste die unvorstellbar grosse Landfläche von ganz Italien mit solartechnischen Anlagen verbaut werden, allein um den Bedarf der weltweiten Luftfahrt (jährlich 415 Milliarden Liter Treibstoff) CO2-neutral (d.h. erst zu 1/3 klimaneutral) abdecken zu können (vermeintlich CO2-neutral, denn mit einer Verdreifachung des Luftverkehrs gemäss IATA- Prognose für das Jahr 2050 wird das Wachstum der Luftfahrt alle Bemühungen um CO2- Neutralität pulverisieren, ganz zu schweigen von einer Klimaneutralität am Himmel). Um mit fossilem Kerosin konkurrieren zu können, müssten zudem die Gestehungskosten pro kWh Solarstrom auf einen Rappen fallen. Beides wohl eine realitätsfremde Utopie, allein schon im Hinblick auf den Zeitrahmen der Klimaziele. Wenn Fluggesellschaften synthetische Treibstoffe im Beimischbereich als Alibi-Argumentation bemühen, um ihre weiterhin klimafeindlichen Wachstumsziele über die Runden zu bringen, dann ist dies im Hinblick auf die suggerierte Klimarelevanz reine Augenwischerei.
Ohne eine wirksame Einbindung des grössten Klimasünders Luftverkehr in die Klimamitverantwortung läuft auch die kantonale Klimastrategie Gefahr, in der Bevölkerung ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Jean-Pierre Schiltknecht, Zollikerberg, 4.4.2022