Daniel Friedli, Andrea Kučera
Bei den Wahlen hat das grüne Lager klar gewonnen. Nun hat es auch im Nationalrat einen ersten Erfolg verbuchen können, und zwar bevor das Plenum überhaupt das erste Mal getagt hat: Das Ratsbüro, zu dem unter anderem alle Fraktionschefs gehören, unterstützt die Forderung, dass die Parlamentarier künftig ökologischer reisen sollen.
Für Reiseziele, die per Zug innert 8 Stunden zu erreichen sind, soll ihnen der Bund künftig nur noch das Bahnbillett vergüten. Wer fliegen will, müsste das Ticket aus der eigenen Tasche bezahlen. In der Praxis würde das etwa heissen, dass nach Brüssel, Berlin oder London nicht mehr gratis geflogen werden kann.
Angestossen hat diese Reisevorschriften der Grüne Michael Töngi, nicht zuletzt unter dem Eindruck einer Reise von Verkehrspolitikern im Februar nach Berlin. Diese besuchten dort Kollegen aus dem deutschen Bundestag, pikanterweise, um mit diesen über «die zentrale Rolle der Eisenbahn» bei der ökologischen Verkehrsentwicklung zu diskutieren. Doch bis auf eine Ausnahme reisten alle Delegationsteilnehmer per Flugzeug an.
«Das hat mich gestört und mich zusätzlich motiviert, hier aktiv zu werden», sagt Töngi. Denn ein Grossteil der Flüge der Parlamentarier seien gut vermeidbare Kurzstreckenflüge. Er findet: Wie alle Bürger sollten auch die Volks- und Kantonsvertreter hier einen Beitrag an den Klimaschutz leisten.
Dass dadurch wertvolle Arbeitszeit verloren gehe oder gar zusätzliche Übernachtungen nötig würden, lässt der Luzerner nicht gelten. «Man kann auch im Zug gut arbeiten», sagt er. «Zudem gibt es ja Nachtzüge, hoffentlich bald noch mehr.» Dementsprechend freut sich Töngi, dass das Ratsbüro seinen Vorstoss nun unterstützt und mit positivem Bescheid an den Ständerat weitergeleitet hat.
Was Töngi von den Parlamentariern einfordert, verlangt er ebenso von den Angestellten der Bundesverwaltung. Dort allerdings hat bereits Umweltministerin Simonetta Sommaruga das Zepter übernommen.
Auch sie will die Zahl der Kurz- und Mittelstreckenflüge der Beamten reduzieren, und zwar über einen vorgegebenen Absenkpfad. Über die Umsetzung wird der Bundesrat bald entscheiden, geplant sind dabei auch «verbindliche Weisungen zur Wahl von Flug oder Zug».
Welchen Stellenwert dieses Thema mittlerweile geniesst, zeigten diese Woche auch die Vorbereitungen auf die Uno-Klimakonferenz, die am 2. Dezember in Madrid startet: Die 13-köpfige Delegation des Bundes wollte trotz einer Reisezeit von über 13 Stunden per Zug nach Spanien reisen.
Weil die Fahrt durch Frankreich aber bis zuletzt wegen Überschwemmungen und Streikdrohungen unsicher war, kaufte man vorsichtshalber sowohl Zug- wie Flugtickets. Letztere gab man dann kurzfristig zurück.
Dies wiederum hatte zur Folge, dass ausgerechnet der Vertreter des Umweltverbandes WWF plötzlich etwas einsam als Flugpassagier übrig blieb, zusammen mit dem Vertreter des Gewerbeverbands. Wegen der unsicheren Bahnverbindung hatte er sich fürs Fliegen entschieden.
Erst als die Vorhut des Bundes am 28. November die erfolgreiche Ankunft in Madrid meldete – und nach Rückfrage dieser Zeitung – stieg auch der WWF-Mitarbeiter am 29. November in letzter Minute auf den Zug um.