Gegen die zusätzlichen Starts nach 22 Uhr am Flughafen Zürich könne er nichts ausrichten, sagt der Zürcher Regierungsrat. Und er erklärt, wie diese Slots überhaupt zustande kommen.
Der Regierungsrat kritisiert den Ausbau der Flugverbindungen am Abend. Er könne aber weder die Flugpläne der Airlines noch auf die Vergabe der Slots beeinflussen. Das schreibt er in seiner Antwort auf eine Anfrage aus dem Kantonsrat.
Im Frühjahr ist bekannt geworden, dass der Flughafen Zürich zusätzliche Abflug-Slots für Langstreckenflüge beantragt hat. Zuerst war von sechs Starts die Rede. Es sind aber lediglich deren vier. Sie fallen alle in die Zeit zwischen 22 und 22.20 Uhr, also genau dann, wenn Anwohner besonders empfindlich auf Fluglärm reagieren.
Von den zusätzlichen Slots betroffen ist vor allem die Bevölkerung nördlich des Flughafens. Am Abend gilt bei stabilen Wetterbedingungen das Ostkonzept mit Anflügen
aus Osten (auf Piste 28) und Starts nach Norden (Pisten 32 und 34).
Der Flughafen erklärt den Ausbau mit der Nachfrage nach zusätzlichen Interkontinentalverbindungen. Es bestehe in der erwähnten Stunde noch genügend Kapazität. Zudem seien die zusätzlichen Starts nicht in den Drehkreuzbetrieb der Swiss eingebunden, sagt Philipp Bircher, Mediensprecher der Flughafen Zürich AG. «Analysen zeigen, dass Interkontinentalverbindungen von Drittairlines zwischen 22 und 22.30 Uhr verspätungsfrei abgewickelt werden können.»
Um aber sicher zu gehen, werde man die Slots schrittweise erhöhen. Die ersten beiden sind per Sommerflugplan 2020 geplant. Sie würden provisorisch gelten, ohne automatisches Anrecht auf die Folgejahre. Falls sie sich bewähren, soll es auf den Sommerflugplan 2022 zwei weitere provisorische Slots geben.
Fluglärmgegner kritisieren seit Jahren die späten Starts am Flughafen Zürich. Obwohl um 23 Uhr Betriebsschluss ist, dürfen Flugzeuge zum Abbau von Verspätungen noch bis 23.30 Uhr ohne Ausnahmebewilligung abheben. Dass allein im Jahr 2018 rund 2300 Flüge erst nach 23 Uhr abgehoben sind, liegt vor allem an den überlasteten Spitzenzeiten am Morgen und Mittag. Viele Maschinen gehen dann mit Verspätung raus. Den Zeitverlust können sie oft nicht mehr aufholen. Die Verspätungen kumulieren sich bis in die Nacht hinein.
Die Swiss und der Pilotenverband Aeropers wehren sich gegen die vier zusätzlichen Slots. «Die Erfahrungen, die unsere Piloten am Flughafen Zürich im letzten Sommer und auch dieses Jahr schon wieder machten, zeigen deutlich, dass zusätzliche Flugbewegungen im Moment nicht angebracht sind», sagt Aeropers-Mediensprecher Thomas Steffen. «Selbst wenn keine aussergewöhnlichen Wetterbedingungen herrschen, ist ein pünktlicher Abflug in Zürich wegen Kapazitätsengpässen oft nicht möglich.»
Im Moment würden von allen Seiten grosse Anstrengungen unternommen, um die Pünktlichkeit in Zürich zu verbessern, sagt Steffen. Jeder weitere Flug belaste das System zusätzlich und laufe diesen Bemühungen zuwider. «Die Passagiere und das Personal sind zunehmend frustriert und beide sitzen in Bezug auf die Pünktlichkeit im selben Boot. Offensichtlich ist dem Flughafen die weitere Steigerung der Einnahmen wichtiger als die Verbesserung der Situation für die aktuellen Kunden.»
Historische Slots sind «Grossvater-Rechte»
Die Slots werden jeweils von der Slot Coordination Switzerland vergeben. Sie besteht aus Vertretern der Flughäfen Zürich und Genf sowie der Airlines Swiss, Edelweiss Air und EasyJet. Bei der Vergabe muss die Koordinationsstelle die Startzeiten der Vorjahre berücksichtigen.
Gemäss EU-Slotverordnung hat eine Airline grundsätzlich Anspruch, einen Slot im Folgejahr wieder zu erhalten. Sie muss allerdings nachweisen, dass sie diesen zu mindestens 80 Prozent genutzt hat.
Diese historischen Slots werden «Grandfather Rights» genannt. Nutzen die Airlines die Startzeiten nicht, verstossen gegen Regeln oder kommen mit den Zahlungen der Startgebühren nicht nach, müssen sie nach dem Prinzip «use it or lose it» die Slots wieder abgeben. Tagsüber liegt die Zahl der Slots bei etwa 66 pro Stunde. Zwischen 22 und 23 Uhr sind es deutlich weniger.
Seit fast 20 Jahren gibt es in dieser Stunde nur 36 Starts. Das ist historisch begründet.
Bevor die deutsche Regierung 2001 dem Flughafen die deutsche Durchführungsverordnung (DVO) auferlegte, landeten die Flugzeuge am Abend jeweils aus Norden und starteten auch wieder in diese Richtung. Wegen dieses wechselseitigen Betriebs konnten gar nicht mehr Maschinen abheben. Bei dieser Kapazität beliess man es auch, als man das An- und Abflugregime änderte.
Die nun vorgesehene schrittweise und provisorische Einführung von vier zusätzlichen Slots sei ein von allen Beteiligten akzeptierter Kompromiss, erklärt Mediensprecher Bircher. Entsprechend sei dafür auch keine Schlichtungsverhandlung oder kein abschliessender Entscheid des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) nötig.