Warum eine nationale Flugticketabgabe der Umwelt wenig bringt (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Die FDP Schweiz macht Dampf und will eine Lenkungsabgabe auf Flugtickets. Die Swiss und weitere Stimmen weisen auf Gefahren einer überstürzten Einführung hin. Fraglich ist, wie mit einer nationalen Steuer der Umwelt Gutes getan werden kann.

Die Delegierten der FDP haben sich wenige Monate vor den Parlamentswahlen mit grossem Mehr für eine Lenkungsabgabe auf Flugtickets ausgesprochen. So weit, so gut, denn Klimaschutz muss mit Blick auf die auch in der Luftfahrt tendenziell steigenden CO2-Emissionen ernst genommen werden. Aus ökonomischer Warte kann zunächst festgehalten werden, dass nach dem Verursacherprinzip Flugreisende für die ausgestossene CO2-Emission und weitere die Umwelt belastende Schadstoffe geradestehen sollen. Das tun sie zurzeit nicht, auch wenn es inzwischen populär geworden ist, etwa über die Stiftung Myclimate individuell eine CO2-Kompensation zu leisten. Ein Pluspunkt der auch von Lufthansa und Swiss geförderten CO2-Kompensation mit Myclimate besteht in der Freiwilligkeit, denn Eigenverantwortung ist zentral.

Anreize für Ausweichmanöver

Brächte nun ein nationaler Alleingang mit der Einführung einer Flugticketabgabe die erhofften Resultate? Viel hängt davon ab, wie eine Abgabe konstruiert wäre und wie stark sie das Portemonnaie belasten würde. Wäre die Steuer richtiggehend teuer, würden in Europa viele Schweizer auf die Bahn, den Bus oder das Auto setzen, um an den Bestimmungsort zu gelangen, wobei die Umweltbilanz kaum jedes Mal dadurch verbessert würde. Geht es um Langstreckenflüge, ist guter Rat ohnehin teuer, denn meistens ist das Zeitbudget limitiert, und eine Schiffsfahrt ist ökologisch auch nicht das Gelbe vom Ei.

Deutschland erhebt übrigens schon seit 2011 eine Flugverkehrsabgabe, wobei dies explizit geschah, um die Staatsfinanzen zu stärken; diese sind inzwischen gestärkt worden, aber die Steuer ist geblieben. Andernorts, etwa in den Niederlanden, wurde eine Verkehrssteuer vor Jahren wieder abgeschafft, weil viele Bürger auf grenznahe Flughäfen in Deutschland ausgewichen waren. Solange Frankreich und Italien von solchen Steuern die Finger lassen, würde eine ins Gewicht fallende Schweizer Ticketabgabe zweifellos dazu animieren, ab Basel-Mülhausen, Lyon oder Mailand eine Flugreise anzutreten. Womöglich würden Zürcher nach Mailand reisen, um via Zürich einen Langstreckenflug in Angriff zu nehmen. Einer der kaum ausgegorenen Pläne sieht jedenfalls eine Entlastung bzw. Steuerbefreiung für Transitpassagiere in Zürich und Genf vor –ein weiterer Anreiz für Ausweichmanöver.

Innovation findet ohnehin statt

Leyla Ibrahimi, die die auf Flugreisen nach Kosovo und Nordmazedonien spezialisierte Air Prishtina führt, sagt, die geforderte Flugticketabgabe sei sicherlich nicht die grosse Lösung. Falls sie käme, müsste es eine gesamteuropäisch einheitliche Abgabe sein. Air Prishtina arbeitet eng zusammen mit der Fluggesellschaft Chair, der einstmaligen Germania Flug AG, wobei auch ab Basel-Mülhausen Flüge angeboten werden. Der angefragte Flughafen Zürich sieht vor allem Probleme, wenn die Flugticketabgabe nur in Zürich, aber nicht in Basel (da auf französischem Gebiet), eingeführt würde, und fordert weiter, Transferpassagiere von der Steuer auszunehmen. Zudem bestehe das Risiko, dass die eingenommenen Gelder nicht für die Reduktion des CO2-Verbrauchs eingesetzt würden.

Der frühere FDP-Nationalrat und Crossair-Pilot Paul Kurrus hat unlängst in der NZZ auf die Gefahren von Ausweichverkehr hingewiesen. Werden Umwege in Kauf genommen, tritt das Gegenteil des Gewünschten ein, nämlich eine zusätzliche Belastung der Umwelt. Die Swiss weist in einer Stellungnahme ebenfalls darauf hin, dass nationale Steuern ökologisch unerwünschten Umwegverkehr zur Folge haben können, vor allem aber die Wertschöpfung und Arbeitsplätze im eigenen Land gefährden.

Skeptisch stimmt weiter, dass die FDP Schweiz die Einnahmen aus der «Lenkungsabgabe auf Flugtickets» anscheinend dafür verwenden möchte, die Forschung für eine klimafreundliche Luftfahrt voranzutreiben. Mit Verlaub: Geht es um die Innovation im Flugzeugbau, sind Airbus, Boeing sowie Rolls-Royce und Co. nicht nur viel besser positioniert, sondern seit Jahrzehnten schon an der Arbeit. Es besteht mit anderen Worten die Gefahr, Gelder ohne Aussicht auf Erfolg in die falschen Kanäle zu lenken. Hohe Kerosinpreise entfalten seit längerem eine ähnliche Wirkung wie eine Steuer, wenn es um die Suche nach leichteren und im Betrieb effizienteren Flugzeugen geht. Die Swiss rechnet vor, dass sie die CO2-Emissionen in den vergangenen zehn Jahren je Passagierkilometer um einen Fünftel senkte. In derselben Zeitspanne nahmen die CO2-Emissionen um 9%, die Zahl der beförderten Passagiere aber um 51% zu.

Auf internationale Kooperation setzen

Auch in einem Wahljahr ist es nicht verkehrt, bei einer stärkeren Besteuerung von Mobilität das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. In der internationalen Luftfahrt steht just in diesen Belangen zugunsten einer nachhaltigen Umweltpolitik einiges an. Ab nächstem Jahr gilt die EU-Emissionsabgabe auch für die Schweiz. Wichtiger noch ist, dass die Schweiz das von der internationalen Zivilluftfahrtbehörde (ICAO) vereinbarte, global wirkende Klimaschutzinstrument Corsia (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) schon ab 2020 umsetzt. Es ist damit die Verpflichtung abgegeben worden, wachstumsbedingte CO2-Emissionen voll zu kompensieren. Der Vorzug dieses Ansatzes ist, dass er global einheitlich wirkt, wobei die Amerikaner und die Europäer an einem Strick ziehen. Das ist kein zahnloses Instrument, sonst hätten China, Indien und weitere Schwellenländer nicht darauf gepocht, sich frühestens ab 2027 an Corsia zu beteiligen.

Das Corsia-Programm findet in der Schweizer Luftfahrt Rückhalt, und zwar nicht nur bei der Swiss. Helvetic Airways etwa erinnert daran, dass in Europa mit der Verwirklichung des Projekts Single European Sky, das auf eine Vereinfachung der Flugrouten und eine zentrale Bewirtschaftung des Luftraums zielt, der CO2-Ausstoss um rund 10% gesenkt werden könnte. Corsia, heisst es in einer Stellungnahme weiter, werde von Helvetic Airways unterstützt, wogegen rein lokale Massnahmen nicht zielführend seien. Eine nationale Ticketabgabe werde auf jeden Fall die Standortattraktivität der Schweiz für den Luftverkehr beeinträchtigen. Passagiere würden im Kurzstreckenverkehr – mit Ausnahme von Basel-Mülhausen, da auf französischem Boden – ins nahe Ausland ausweichen. Mit der neuen Embraer E190-2 kann Helvetic Airways übrigens ab diesem Herbst einen hinsichtlich Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoss sehr effizienten Regionaljet einsetzen.

Ein Schnellschuss in Form einer schlecht strukturierten nationalen Lenkungsabgabe auf Flugtickets birgt somit das Risiko eines regulatorischen Durcheinanders, was der Umwelt wenig bis gar nichts bringen würde. Da bietet es sich doch eher an, ohne ein Schielen auf den Wahlsonntag in diesem Herbst das Für und Wider einer Ticketabgabe sorgfältig abzuwägen.

NZZ, 26.06.2019