Selten hat eine Bevölkerung (scheinbar) so einig nach einer Steuer gerufen. Das Klima müsse jetzt endlich geschützt werden. Die Jugend sorgt sich zu Recht über die Erwärmung, und Politiker von ganz grün und links bis weit ins bürgerliche Lager hinein wollen sich nicht mit differenzierten Ansätzen ins Abseits manövrieren. Fliegen ist zum Ausdruck des Überkonsums avanciert. Am Fliegen soll ein Exempel statuiert werden.
«Es braucht griffige Massnahmen im Luftverkehr», rufen selbst FDP-Politiker wie der Zürcher Ständerat Ruedi Noser. Wer will als Politiker schon warnen, dass Tourismus und Wirtschaft dieses Landes direkt mit den exzellenten Flugverbindungen zusammenhängen? Die AirlineBranche profitiert ja tatsächlich von einer weltweit geltenden steuerlichen Ausnahme beim Sprit und bietet ihre Tickets befreit von Mehrwertsteuer an. Gerade deshalb sind lokale Massnahmen heikel. Aber: Andere Länder hätten auch schon Steuern, heisst es derzeit aktivistisch von vielen Zeitgenossen. Jetzt sei es an der Zeit, mit dem Strom zu schwimmen.
Tatsächlich ist die Einführung einer Steuer für Flugpassagiere in Europa schon weit verbreitet. Je nachdem wie sie ausgestaltet ist, hilft sie allerdings vor allem beim Füllen der Staatskasse und nicht beim Kampf ums bessere Klima. Und wenn sie wirklich beisst, hat sie Nebeneffekte, wie folgende Beispiele zeigen.
Beliebte Steuerquelle
Deutschland erhebt seit 2011 eine Abgabe. Die Einführung begründete die Regierung mit ökologischen Zielen. In Wahrheit dient die abgeschöpfte 1 Mrd. € der «Konsolidierung des Bundeshaushaltes», wie es beim Bundesfinanzministerium ehrlich heisst. Die verlangten 7,5 € pro Kurzstrecke sind so tief, dass sie niemanden vom Fliegen abhalten. Etwas mehr schenken die 42 € auf den langen Distanzen ein.
Auch Italien und Frankreich haben die Quelle vor Jahrzehnten entdeckt. Die Franzosen finanzieren damit zum Teil ihre Entwicklungshilfe. In Italien sackt der Staat für kurze Strecken weniger
als 10 € ein, für Fernziele muss Alitalia 200 € aufs Ticket schlagen. Zur Klimaverbesserung dienen die Mittel nicht.
Österreich wollte es 2017 dem deutschen Nachbarn nachmachen. Allerdings hat die Alpenrepublik die Rechnung ohne die Flexibilität seiner Bürger gemacht. Der Flughafen Wien liegt nur einen Steinwurf entfernt von jenem in Bratislava in der Slowakei. Massenhaft flogen die Österreicher von dort zu ihren Zielen. Inzwischen hat man die Abflugtaxen in Österreich schon wieder um die Hälfte zurückgenommen.
Es ist eine Crux der kleinen Länder: Die Bürger sind mobil. Auch die Dänen, Niederländer und Iren haben ihre vor einigen Jahren eingeführten Passagiersteuern nach kurzer Dauer wieder abgeschafft. Die Flugwilligen wichen offenbar in Scharen in weniger teure Nachbarländer aus.
Allein an diesen Beispielen zeigt sich, dass lokal angelegte Steuern aufs Fliegen vielleicht gut gemeint sind, deshalb aber nicht unbedingt gut wirken.
Am kräftigsten greift seit Jahren die britische Regierung zu. Der Inselstatus hat eben seine Vorteile. Entstanden ist ein bürokratisches Monster mit sechs Klassen, die jährlich teurer werden. Auf der Kurzstrecke fordert der Staat bei Billig-Airlines umgerechnet 17 Fr. pro Passagier und bei traditionellen Airlines 35 Fr. Deutlich happiger wird es dann auf den Langstrecken: 230Fr. schlägt der Staat für einen Normalpassagier drauf, 690Fr. für die Business-Reisenden.
Insgesamt verdient die Regierung an jedem vollgepackten Airbus A380, der in London Heathrow abhebt, fast 70 000 Fr. Dazu schlagen die Flughäfen ihre üblichen Startund Landegebühren aufs Ticket drauf.
Die happigen Steuern in Höhe von umgerechnet 4,5 Mrd. Fr. pro Jahr zeigen Wirkung: Grössere britische Städte verlieren Flugverbindungen oder bekommen keine neuen mehr. So begründete die Billigfluggesellschaft Norwegian letzten September die Einstellung der Strecken Edinburg und Belfast (Nordirland) nach New York und Boston mit den hohen Passagiersteuern in Grossbritannien.
Die British-Airways-LowcostTochter Level tritt in der Heimat gar nicht erst an. Das sei aufgrund der Steuerbelastung «finanziell nicht machbar» erklärte kürzlich der BA-Chef Willy Walsh. Schott-
land debattiert deshalb gerade heftig eine von der schottischen Regierung vorgeschlagene Halbierung der Steuern, um die Zahl angebotener Routen in die Region wieder zu erhöhen.
200 Fr. in der Schweiz?
Wie könnte das Ganze nun in der Schweiz aussehen? Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat zuhan-den der Umweltkommission des Nationalrates schon im Oktober einen Bericht «Flugticketabgabe» erstellt. Aufgrund der vom Bundesamt für Raumentwicklung veranschlagten externen Klimakosten des Flugverkehrs müssten pro Passagier und geflogenen Kilometer rund 2,6 Rappen abgegolten werden, schreibt das BAFU: «Dies würde für einen Flug von Zürich nach Berlin (knapp 700 km) einen Mehrpreis von 18 Fr. und für einen nach Peking (knapp 8000 km) rund 200 Fr. bedeuten.»
Relevant ist auch, was das BAFU zum Handlungsspielraum in Bezug auf die Einführung der häufigst geforderten Varianten – Steuer oder Lenkungsabgabe – im Rahmen der Revision des CO2Gesetzes schreibt. Demnach kann der Bundesrat ohne ein extra noch zu schaffendes Gesetz keine Passagiersteuer einführen. Dagegen darf er eine Lenkungsabgabe verfügen. Der Unterschied: Die Abgabe muss grossenteils, wenn nicht vollumfänglich an die Bevölkerung zurückerstattet werden.
Der Ertrag müsste – gleich wie die bereits seit 2008 auf Brennstoffen erhobene CO2-Steuer – wieder an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Die Einnahmen werden dort über eine Beitragszahlung an die Krankenversicherung zurückerstattet. Der Lenkungseffekt bei Brennstoff ist klar sichtbar.
Damit die gewünschte Lenkungswirkung eintrete – Passagiere verzichten auf den Flug, den der Umweltkommission des Nationalrates schon im Oktober einen Bericht «Flugticketabgabe» erstellt. Aufgrund der vom Bundesamt für Raumentwicklung veranschlagten externen Klimakosten des Flugverkehrs müssten pro Passagier und geflogenen Kilometer rund 2,6 Rappen abgegolten werden, schreibt das BAFU: «Dies würde für einen Flug von Zürich nach Berlin (knapp 700 km) einen Mehrpreis von 18 Fr. und für einen nach Peking (knapp 8000 km) rund 200 Fr. bedeuten.»
Relevant ist auch, was das BAFU zum Handlungsspielraum in Bezug auf die Einführung der häufigst geforderten Varianten – Steuer oder Lenkungsabgabe – im Rahmen der Revision des CO2Gesetzes schreibt. Demnach kann der Bundesrat ohne ein extra noch zu schaffendes Gesetz keine Passagiersteuer einführen. Dagegen darf er eine Lenkungsabgabe verfügen. Der Unterschied: Die Abgabe muss grossenteils, wenn nicht vollumfänglich an die Bevölkerung zurückerstattet werden.
Der Ertrag müsste – gleich wie die bereits seit 2008 auf Brennstoffen erhobene CO2-Steuer – wieder an die Bevölkerung zurückgegeben werden. Die Einnahmen werden dort über eine Beitragszahlung an die Krankenversicherung zurückerstattet. Der Lenkungseffekt bei Brennstoff ist klar sichtbar (siehe Grafik).
Damit die gewünschte Lenkungswirkung eintrete – Passagiere verzichten auf den Flug, und die Airlines streichen den Flugplan zusammen –, müssten die Abgabesätze entsprechend hoch sein, hält der BAFU-Bericht fest. Er warnt gleichzeitig davor, dass eine hohe Abgabe zum Ausweichen der Passagiere führen könnte.
Ausgeklammert bleibt die Frage, ab wann eine erzwungene Reduktion von Flügen das Hubsystem der Swiss ins Wanken bringen würde. Wenn die Airline eine grössere Menge an Zubringerflügen streichen müsste, wäre schnell auch das Langstreckenangebot gefährdet.
Basel bleibt abgabefrei
Den Clou dieses Berichts findet aber nur der aufmerksame Leser. So schreibt das BAFU, man könne die Abgabe auf den inländischen Schweizer Flughäfen einführen. Betonung auf inländisch. Der Flughafen Basel liegt auf französischem Staatsgebiet und unterliegt der dortigen Steuerhoheit. «Die Schweiz kann eine CO2-Abgabe auf Flugtickets erheben, einfach nicht ab Basel», bestätigt Urs Ziegler, Sektionschef Umwelt beim Bundesamt für Zivilluftfahrt, auf Anfrage die Einschränkung. Wie die Passagiere wohl reagieren, wenn sie in Zürich zahlen sollen, in Basel aber nicht?
Schweizer Airlines und ihre Passagiere werden aber auch ohne heimische Lenkungsabgabe bald mehr für die Klimabelastung bezahlen müssen. Ab 2020 sind hiesige Fluggesellschaften verpflichtet, neu am europäischen Emissionshandelssystem teilzunehmen. Theoretisch zumindest, denn die beidseitig ratifizierte Vereinbarung zwischen der Schweiz und der EU liegt aufgrund der verzögerten Revision des CO2-Gesetzes in der Schweiz auf Eis.
Dazu müssen Schweizer Airlines ab 2021 das globale Abkommen der Uno-Tochteragentur ICAO erfüllen. Das Staatenabkommen soll die Industrie zwingen, zumindest ihr prognostiziertes Wachstum über Kompensationszertifikate CO2-neutral zu gestalten. Ob die verabredeten Massnahmen ausreichen, ist umstritten. Umweltverbände fürchten zu geringe Wirkung oder unerwünschte Verlagerungseffekte.
Eine Sorge, die man aber auch zu den von ihnen bevorzugten Steuern äussern könnte.
CO2-Lenkungsabgabe
Kanada macht einen Schritt
Die Schweiz hat 2008 eine CO2Abgabe auf Brennstoffe eingeführt. Derzeit werden Heizöl und Erdgas mit 96 Fr. pro Tonne ausgestossenes CO2 belastet. Der Verbrauch geht bei Privathaushalten stetig zurück . Im Unterschied zu einer Steuer fliesst das eingenommene Geld der Abgabe an die Bürger zurück. Wer wenig Wohnraum beheizt, sollte netto profitieren. 2019 erhält jeder Einwohner rund 77 Fr. zurück.
Allerdings scheute sich die Politik davor, den Strassenverkehr in gleicher Art konsequent zur Verantwortung zu ziehen, und lehnte vor einer Dekade die Ausweitung auf Treibstoffe (z. B. Benzin) ab. Auch in der laufenden Revision des CO2-Gesetzes wollte das Parlament bisher davon nichts wissen. Doris Leuthard als damals zuständige Bundesrätin erklärte Ende 2018 im Nationalrat: «Die Ausweitung der
CO2-Abgabe auf Treibstoffe, wie sie die Minderheit Bäumle zu Artikel 31 fordert, wäre eigentlich wünschenswert. Sie wissen, dass der Bundesrat die Ausdehnung der Abgabe auf Treibstoffe in den vormaligen Gesetzentwürfen drin hatte.»
Kanada setzt seit vier Wochen genau diesen Plan um. Die Regierung beginnt mit einem moderaten Preis von 20 $ pro Tonne CO2. Der Preis soll bis 2022 auf 50 $ pro Tonne oder umgerechnet 11 Rappen pro Liter Treibstoff steigen. Das eingenommene Geld fliesst an die Kanadier zurück.
Klimavorreiter ist aber Schweden mit seiner schon 1991 eingeführten CO2-Steuer. Die kostet derzeit 126 Fr. pro Tonne CO2 auf Brennund Treibstoffe. Der Staat finanziert damit seine Ausgaben, hat im Gegenzug aber andere Steuern im Laufe der Jahre abgeschafft.
NZZ am Sonntag, 05.05.2019, Seite 33
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