Sieg vor Bundesgericht nach 18 Jahren KampfDas Bundesgericht bejaht eine Entschädigungspflicht auch für die entferntere Ostschneise. Die Nürensdorfer Kläger erhalten je eine sechsstellige Summe.
Auf diesen Moment mussten die Nürensdorfer lange warten: «18 Jahre hat es gedauert, bis wir endlich zu unserem Recht gekommen sind», erzählt einer von drei Eigenheimbesitzern. Keiner von ihnen will namentlich genannt werden.
Die Freude ist jedoch gross. Ihre Entschädigungsklage gegen den Flughafen war zuletzt als «Pilotfall» deklariert worden und vor Bundesgericht hängig. Und dieses gab ihnen nun recht.
Seit Oktober 2001 regelmässige Landungen auf die Piste 28 eingeführt wurden, stöhnt man in der Ostanflugschneise über die Belästigungen durch die tief fliegenden Jets. Nun hat erstmals auch das Bundesgericht anerkannt, dass gewisse Hauseigentümer in Nürensdorfer ein Recht auf Entschädigung haben.
Bis zu 121000 Franken
Im oberen Teil des Dorfes donnern die Flieger im Ostanflug täglich während der Abend- und frühen Nachtstunden unmittelbar über die Dächer. Je nach Witterungsverhältnissen manchmals ganztags. Sicher aber kommen die Jets allabendlich ab 21 Uhr bis Betriebsschluss um 23 Uhr.
Wegen Verspätungsabbaus aber oft noch bedeutend länger. Samstags, sonntags und an Feiertagen beginnt das Ostanflugregime bereits um 20 Uhr. Dies hat gemäss Bundesgericht zu einer Wertminderung der Häuser im betroffenen Quartier geführt.
Alle drei Eigenheimbesitzer des Pilotfalls können nach dem aktuellen Urteil aus Lausanne mit einer sechsstelligen Summe rechnen. So haben die Bundesrichter das Urteil der Vorinstanz (Bundesverwaltungsgericht) und damit auch die Entschädigungshöhe der eigens für solche Fälle eingesetzen Eidgenössischen Schätzungskommission grundsätzlich bestätigt.
Schon im Juni 2016 hatte die Schätzungskommission den privaten Klägern zwischen 104000 und 121000 Franken Entschädigung zugesprochen. Bezahlen muss dies die Flughafen AG.
Deren Rechtsanwälte hatten mit einem Weiterzug ans Bundesgericht noch versucht die Klagen abzuwenden. Sie hatten alle möglichen Punkte angegriffen, die für eine Entschädigung gegeben sein müssen. Aber letztlich ohne Erfolg.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Flughafens in allen Punkten ab. Selbst die Verzinsung wurde infrage gestellt und auch ab welchem Zeitpunkt die getroffenen Schallschutzmassnahmen des Flughafens (Montage von besseren Fenstern) anzurechnen seien.
Zentral ist der Fakt, dass nun erstmals im entfernteren Anflugbereich – rund 6 Kilometer von der Pistenschwelle entfernt – auch Nürensdorfer Hausbesitzer wegen «direkten Überflugs» entschädigungsberechtigt sind. Aber nur in einem rund 105 Meter breiten Korridor unter der Anflugachse.
Dies gilt für die entferntere Südschneise nicht. Denn in Gockhausen verneinte das Bundesgericht im April 2016 eine Entschädigungspflicht, weil dort die Flugzeuge beim Anflug in 350 Metern über Boden noch zu hoch seien und zu wenig «bedrohlich» erscheinen.
Anders in Nürensdorf, wo die Jets 260 Meter über Boden sind und gemäss einem Augenschein von Schätzungskommission (2014) und Bundesverwaltungsgericht (2017) mitunter bedrohlich wirken.
Ginge es um reine Fluglärmklagen, so gilt in der Rechtssprechung um den Flughafen Zürich mittlerweile das Stichdatum 1.1.1961. Wer danach gebaut hat, muss mit Fluglärm rechnen und ist deshalb nicht entschädigungsberechtigt.
Kann jedoch im juristischen Sinne der «direkte Überflug» nachgewiesen werden, sind nebst der Lärmbelästigung vor allem «physische und psychische Beeinträchtigungen» auf dem Grundstück massgebend. Dabei muss ein Flugzeug tatsächlich die Luftsäule über dem Haus durchqueren. Zudem müssen weitere Kriterien wie ein bedrohlicher Eindruck, Lichtimmissionen, Randwirbelschleppen oder Erschütterungen auftreten, wie es im Bundesgerichtsurteil weiter heisst.
Weitere hängige Fälle
Die Hausbesitzer sprechen von Genugtuung. «Aber ich musste zuerst einen Hirnschlag bekommen», klagt einer über die zermürbende Zeit im langwierigen Kampf durch alle Instanzen. Er habe nicht mehr erwartet, dass die Flughafen AG ihm noch eine Entschädigung entrichten müsse.
Obwohl der Flughafen in allen Punkten unterlag, tönt es von dessen Kommunikationschefin Sonja Zöchling ziemlich positiv: «Wir sind froh, dass aufgrund der drei Pilotfälle in Nürensdorf weitere Grundlagen abschliessend durch das Bundesgericht geklärt worden sind.» Somit könnten die noch hängigen Fälle in Nürensdorf nun abgearbeitet werden. Wieviele das sind, ist nicht bekannt.