Jeden Tag legen im Durchschnitt gut 1700 Frauen und Männer die Strecke zwischen Zürich und Genf auf dem Luftweg zurück. Es ist die beliebteste unter den innerschweizerischen Flugstrecken, sie trägt den Hauptanteil zur beachtlichen Zahl der Inlandflieger bei: Gemäss Bundesamt für Statistik wird jährlich über 700\'000-mal das Flugzeug für Reisen innerhalb der Landesgrenzen benutzt.
Geht es nach der Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti, werden diese Zahlen nun drastisch gesenkt: auf null. «Der Bundesrat wird beauftragt, die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit Flugreisen im Inland verboten werden.» So steht es in einer Motion, die Marti Ende letzter Woche eingereicht hat, unterstützt von rund einem Dutzend Mitglieder ihrer Fraktion.
Ein Flug von Zürich nach Genf produziere 150-mal mehr CO2 als eine Bahnfahrt auf derselben Strecke, argumentieren die Unterzeichnenden. Inlandflüge seien absurd und unnötig, da die Schweiz über «eine der besten Bahninfrastrukturen weltweit» verfüge. Aus diesem Grund sei ein Verbot zu erlassen – und erst dann wieder aufzuheben, wenn allenfalls neue Flugtechniken mit tieferem CO2-Ausstoss zur Verfügung stünden.
Debatte auch in Deutschland
Die Linke lanciert damit eine Diskussion, die etwa in Deutschland bereits angelaufen ist und im Zuge der Klimadebatte an Fahrt aufgenommen hat. So sorgte der prominente Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie letzten Herbst für Aufsehen, als er die Einstellung des – verglichen mit der Schweiz ungleich grösseren – deutschen Inlandflugmarktes forderte. Letzten Monat wiederum ritten die bayrischen Grünen eine Attacke gegen Lufthansa. Grund dafür war die Flugverbindung, welche die Airline auf der nur 150 Kilometer langen Strecke von Nürnberg nach München unterhält.
Die Lufthansa freilich wehrte sich. Und auch die Swiss, die den Grossteil der Schweizer Inlandflüge anbietet, steht dem von links geforderten Verbot ablehnend gegenüber. Das Unternehmen betrachtet die Flüge von Zürich nach Genf und Lugano als Beitrag zur nationalen Kohäsion: Man biete der Romandie und dem Tessin damit eine «optimale Anbindung an die wichtigsten Abflugswellen ab Zürich» an, teilt eine Sprecherin mit. «Bei einem Wegfall müsste davon ausgegangen werden, dass die Fluggäste auf angrenzende Flughäfen im nahen Ausland ausweichen.» Dies würde die Wertschöpfung in der Schweiz beeinträchtigen und bringe dem Klima keinen Nutzen.
«Klassische Pflästerlipolitik»
Eine Mehrheit für ihre Motion zu finden, dürfte Samira Marti in jedem Fall nicht leichtfallen. Innerhalb der SP-Fraktion scheint der Vorstoss zwar breit abgestützt. Auch Ansässige aus Flughafenregionen haben ihn unterzeichnet, etwa Priska Seiler Graf, Stadträtin aus Kloten ZH. Von bürgerlicher Seite her ist aber mit Widerstand zu rechnen.
Der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter etwa spricht von «klassischer Pflästerlipolitik». Im Moment sei es sehr in Mode, mit Vorstössen «irgendetwas fürs Klima» tun zu wollen. In Tat und Wahrheit machten Inlandflüge nur einen sehr kleinen Teil der Flugbewegungen aus. «Und ich erinnere daran, welchen Aufschrei es gab, als die Swiss vor einigen Jahren die meisten Langstreckenflüge ab Genf strich.» Falls man nun die Flugverbindung nach Zürich kappe, werde das Genf zu spüren bekommen, so Hurter. Immerhin sei die Stadt Standort vieler internationaler Organisationen.
Denkbar ist indes, dass die neue SP-Motion das Terrain für Konzepte ebnen könnte, die als weniger radikal empfunden werden. Darauf hofft beispielsweise Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich. Er findet den Vorschlag für ein Inlandflugverbot grundsätzlich zwar «sehr gut». Für erfolgversprechender hält er aber den Ansatz einer grundlegenden «Verlagerungspolitik für Kurzstreckenflüge». Hardegger empfiehlt, sich bei den Strategien für den Güterverkehr zu orientieren. Entsprechend fordert er in einem Vorstoss ein «Verlagerungsziel» für die Flugreisen im Inland.
Zu Martis Motion wird sich nun als Nächstes der Bundesrat äussern. Mit einer positiven Stellungnahme ist kaum zu rechnen; die von Hardegger geforderte «Verlagerungspolitik» lehnt die Regierung ab. Ihre Antwort allerdings stammt von August 2017. Das war lange bevor Schülerinnen und Schüler auf Europas Strassen für den Klimaschutz demonstrierten.