Die Aktie der Flughafen Zürich AG ist 2018 arg ins Trudeln geraten. Sie verlor mehr als ein Viertel ihres Werts; am Jahresende war eine Aktie für 162 Franken 50 zu haben. Dort hatte der Kurs letztmals 2016 gelegen. Insbesondere der Streit um die neue Gebührenordnung des Flughafens hat der Aktie zugesetzt.
Zu spüren bekommt die Turbulenzen nicht zuletzt die Stadt Zürich. Sie ist mit einem Anteil von 5 Prozent die zweitgrösste Aktionärin, nach dem Kanton mit 33 Prozent. Anfang 2018 war ihr Aktienpaket 342 Millionen Franken wert, am Jahresende waren es satte 92 Millionen Franken weniger. Dabei handelt es sich zwar bloss um einen Buchverlust. Dennoch wird er in die Jahresrechnung einfliessen, wie umgekehrt auch die Dividenden. Denn die Stadt führt ihre Wertpapiere im Finanzvermögen und muss die Schwankungen eins zu eins abbilden. Ob der Abschluss dadurch ins Minus gedrückt wird, wird sich Anfang März zeigen, wenn die Stadt die Rechnung präsentiert.
Folgen haben sich abgezeichnet
Bis vor wenigen Jahren konnte die Stadt die Ausschläge abfedern. Dazu hatte sie sich ab den frühen nuller Jahren eine sogenannte Schwankungsreserve aufgebaut. Ab 2014 musste sie das Polster jedoch in drei Schritten abbauen. Denn der Bezirksrat hatte bemängelt, es gebe keine rechtliche Grundlage. Was dies für die Zukunft bedeutete, war dem Stadtrat schon klar, als er die Auflösung formell beschloss: Es sei in Kauf zu nehmen, dass Kursschwankungen das Ergebnis massgebend positiv beziehungsweise negativ beeinflussen könnten, hielt er fest. So kam es auch: Für 2017 verbuchte die Stadt einen Kursgewinn von 52 Millionen Franken, jetzt geht es in die andere Richtung.
Die heftigen Ausschläge in der Jahresrechnung sollen jetzt aber ein Ende haben. Der Stadtrat will das Aktienpaket in seiner Bilanz verschieben: vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen. Buchhalterisch hätte dies den Vorteil, dass die Schwankungen nach oben begrenzt würden, da die Aktie höchstens zum Anschaffungswert bewertet werden muss. Aus Sicht des Stadtrats gehört die Flughafen-Aktie ohnehin ins Verwaltungsvermögen. Denn es handle sich nicht bloss um eine Finanzanlage. Vielmehr diene das Aktienpaket dem Schutz öffentlicher Interessen, garantiere es doch einen Sitz und damit Einfluss im Verwaltungsrat, heisst es sinngemäss im Stadtratsbeschluss von Ende November. Die Vertreterin im Verwaltungsrat des Flughafens ist Stadtpräsidentin Corine Mauch (sp.).
Doch die Verschiebung entpuppt sich als heikler als vom Stadtrat gedacht. Er will sie mit einem Federstrich vollziehen und hierzu eine historisch einmalige Gelegenheit nutzen. Mit dem neuen Gemeindegesetz und der Einführung des Rechnungslegungsmodells HRM2 hatten die Gemeinden die Chance, ihre Bilanzen auf Anfang 2019 anzupassen. Wenn ein Vermögenswert irrtümlich im Finanzvermögen bilanziert wurde, darf er übergeführt werden. Die Stadt erstellt zu allen Änderungen einen Bilanzanpassungsbericht, der von der kantonalen Justizdirektion genehmigt werden muss.
Der Stadtrat ist nun der Meinung, dass es sich bei der bisherigen Bilanzierung um einen Irrtum handelt. 1994 hat das Stadtparlament die Beteiligung am Flughafen zwar vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen verschoben. Der Stadtrat sollte sie angesichts der schwierigen Haushaltlage verkaufen können. Danach veräusserte die Stadt zwar ihre Beteiligungen an der Swissair und der Crossair, nicht aber diejenige am Flughafen – im Gegenteil. 2006 stockte sie ihren Anteil per Dringlichkeitsbeschluss auf, um sich den Verwaltungsratssitz zu sichern, was das Parlament nachträglich guthiess. Spätestens in diesem Moment, so der Stadtrat, habe sich Sinn und Zweck fundamental geändert, ohne dass dieser Umstand buchhalterisch durch die richtige Zuordnung umgesetzt worden wäre. Bestätigt sieht sich der Stadtrat auch durch das Parlament.
Kanton fordert Volksabstimmung
Von einem Irrtum könne nicht die Rede sein, findet jedoch das Gemeindeamt des Kantons Zürich, das sich im vergangenen Frühling in einem Schreiben äusserte. Das Parlament habe die Beteiligung in den neunziger Jahren bewusst verschoben. Auch wenn der Stadtrat sie nicht verkauft habe, sei sie im Finanzvermögen verblieben. Eine Überführung zurück habe mittels Ausgabenbewilligung zu erfolgen. Im Klartext: Es braucht – angesichts der Höhe des Vermögenswerts – eine Volksabstimmung.
Dagegen wehrt sich der Stadtrat. Eine Abstimmung für die Umsetzung eines rein buchhalterischen Akts sei ein «übertriebener, unverhältnismässiger und vermeidbarer Formalismus», schreibt er in seinem Beschluss. Er hält an seiner Position fest. Auf Anfrage schreibt das Finanzdepartement, die Aktien seien per Anfang Jahr im Verwaltungsvermögen. Sollte der Kanton die Anpassung nicht gutheissen, nehme der Stadtrat eine «Neubeurteilung» vor. Für den Übertrag gebe es aber gute Gründe.
Bestärkt sieht sich der Stadtrat durch den Gemeinderat. Dieser hat es im vergangenen Sommer mit deutlichem Mehr abgelehnt, die Aktien zu verkaufen. Die Forderung erhoben hatten die SVP, die etwa vor Buchverlusten warnte, und die Grünen, die mit ökologischen Argumenten fochten.
Die Stadt Zürich und die anderen Gemeinden haben bis im Sommer Zeit, ihre Bilanzanpassungensberichte beim Kanton einzureichen. Wie das Gemeindeamt auf Anfrage mitteilt, wird es bis im Herbst prüfen, ob die Berichte genehmigt werden oder ob es noch Anpassungen braucht. Die Frage nach der Volksabstimmung zur Flughafen-Aktie bleibt vorläufig in der Schwebe.