Weniger gut sieht es an der Fluglärmfront aus: Gemäss dem Zürcher Fluglärmindex, den die Regierung gegen die Plafonierungsinitiative als Schutz vor zu viel Fluglärm verkauft hatte, waren 2017 65 507 Personen vom Fluglärm betroffen – 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr und insgesamt 18 500 mehr als eigentlich erlaubt; der Regierungsrat müsste längst Massnahmen ergreifen – was er aber nicht kann, weil der Flughafen Bundessache ist. Neben dem Bund würden aber auch die private Flughafen Zürich AG, Städte und Gemeinden, Interessengemeinschaften, Deutschland, der europäische und internationale Luftraum, Fluglotsen(-streiks) und Wetterlagen ebenfalls ihre Bedingungen stellen.
Die Hälfte des ZFI-Anstiegs gehe dabei auf das Bevölkerungswachstum und die Verdichtung in Flughafennähe. Beides ist vom Regierungsrat so gewollt. Der bürgerlich dominierte Kantonsrat hat deshalb im Herbst einen Vorstoss überwiesen, den ZFI anzupassen, was die Regierung auch mit Hilfe externer Stellen tun will.
Die andere Hälfte der Überschreitung werde durch mehr Flüge auch nach 22 Uhr und neue Flugrouten über dichter besiedeltes Gebiet verursacht. Von den 2017 insgesamt 270 400 Flugbewegungen fanden 12 400 nach 22 Uhr statt. Nachtflüge seien wichtig für die Hubfunktion des Flughafens, so Mark Dennler, Chef der Abteilung Flughafen und Luftverkehr im kantonalen Amt für Verkehr. Dennoch schaue man vor allem bei den systembedingten Verspätungen genau hin: Von den mehr als 2600 Flügen nach 23 Uhr (5 Prozent mehr als 2016) habe der Kanton deren 5 ans Bundesamt für Zivilluftfahrt gemeldet, weil er mit der Begründung nicht einverstanden war.
Swiss will mehr Reserven schaffen
Die politisch zuständige Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) betonte aber auch die Lärmreduktion an der Quelle, wie ihn die internationale Flugverkehrsorganisation ICAO favorisiere, noch vor raumplanerischen Massnahmen, optimierten Flugverfahren und zuletzt Betriebseinschränkungen. Dazu hatte sie Thomas Klühr, CEO der Swiss, eingeladen. Er schickte voraus, dass es das emissionsfreie Flugzeug nach wie vor nicht gebe, und erklärte danach die Gründe für die abendlichen Verspätungen, die sich im Lauf eines Tages aufbauen würden: Personalengpässe in der europäischen Flugsicherung und Streiks würden zu «Staus am Himmel» führen; rekordhohe Passagierzahlen (dass dies auch mit Dumpingpreisen für Flugtickets zusammenhängt, sagte er nicht) brächten die Infrastruktur an den Anschlag; und zudem würden Wetterphänomene wie starke Gewitter und lang andauernde Bisenlagen die Kapazität des ohnehin komplexen Flugregimes in Kloten weiter einschränken.
Als Gegenmassnahmen kündigte Klühr an, künftig vier statt zwei Flugzeuge und Besatzungen in Reserve zu halten, um nicht auf verspätet heimkehrende Maschinen warten zu müssen, und im Flugplan zusätzliche Pufferzeiten einzubauen. Zudem sollen mehr Abfertigungspersonal eingestellt und Ausweichrouten in der Luft geprüft werden. Bereits im Gang sei die Erneuerung der Flotte mit leiseren und sparsameren, aber grösseren Flugzeugen (12 vom Typ B777, 30 C-Series und 25 A32Xneo) für insgesamt 8 Milliarden Franken.
Neue Flugzeuge berücksichtigen
Diese Bemühungen betonte auch Walker Späh. So sei der Lärmteppich, den eine leisere und schneller steigende Boeing 777 ausbreite, deutlich kleiner als der anderer Grossraumflugzeuge. Die Empa erstelle deshalb mit Unterstützung des Kantons neue Modelle für ihre Lärmberechnungen, welche die neuen Flugzeugtypen A330, A380, B787 und ehemalige Bombardier C-Series (neu A220) berücksichtigten.
Bei der Raumplanung würden sich Minergie und Schalldämmlüfter vermehrt positiv bemerkbar machen. Und in Sachen Flugrouten möchte man einen kontinuierlich sinkenden Anflug zum Standard erheben: So sollen zu früh betätigte Landeklappen und aufheulende Triebwerke vermieden werden. Für entsprechende Versuche soll demnächst ein Flugzeug in Dübendorf stationiert werden.
Betriebseinschränkungen als allerletzte Massnahme zur Lärmbekämpfung sieht die Regierung trotz konstanter ZFI-Überschreitung keine vor. Hingegen regt Walker Späh an, dass der Bund in der Aussenpolitik «Zähne zeigt» und auch andere Dossiers mit den Verhandlungen um das Betriebsreglement 2014 verknüpft. «Das fertige Übereinkommen wird nach wie vor in Berlin blockiert», moniert die Regierungsrätin, welche das Thema bei ihren Kontakten nach Süddeutschland regelmässig anspreche. Das sei insofern unfair, als dass jeder achte Passagier aus Deutschland komme. «Es ist unser gemeinsamer Flughafen.»
Zürcher Stadtrat will Kerosinsteuer
«Es braucht die Kerosinsteuer», betonte der Stadtrat von Zürich im August 2017. Auf Anfrage heisst es, man wolle an der Forderung nach wie vor festhalten, unabhängig davon, dass der Nationalrat am Montag entschied, keine CO2-Abgabe auf Flugtickets einzuführen. Laut der Stadt werden nach wie vor keine Steuern auf Flugbenzin erhoben. Dies, obwohl der Flugverkehr 25 Prozent der verbrauchten Treibstoffe in der Schweiz ausmache. «Ohne eine Besteuerung des Bundes werden die Klimaziele alleine aufgrund des steigenden Luftverkehrs nicht erreichbar sein», betont der Stadtrat von Zürich. International ist Kerosin ausser in den Niederlanden steuerbefreit, seit 1944.