Das Urteil überraschte. Gestern Mittwoch verurteilte das Zürcher Obergericht den Fluglotsen, der vor fast acht Jahren beinahe eine Kollision zweier Swiss-Flugzeuge auf dem Flughafen Zürich verursachte, zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 210 Franken.
Nun solidarisieren sich die Piloten mit dem Fluglotsen und kritisieren das Urteil scharf. «Die Verurteilung des Fluglotsen um eine fälschlicherweise erfolgte Startfreigabe für zwei Flugzeuge auf sich kreuzenden Pisten am Flughafen Zürich ist ein Rückschritt für die Flugsicherheit in der Schweiz», schreibt die Pilotengewerkschaft Aeropers, die die Swiss-Besatzungen vereint, in einer Mitteilung.
«Anstatt Fehler von Mitarbeitern zu bestrafen, die aufgrund von schwierig zu beherrschenden und komplexen Systemen entstanden sind, würden die Akteure in der Schweizer Luftfahrt gut daran tun, zügig die Voraussetzungen für einen sicheren und effizienten Betrieb am Flughafen Zürich zu schaffen», wird Henning M. Hoffmann, Geschäftsführer der Aeropers, zitiert.
Die Piloten einer der betroffenen Maschinen hätten den Fehler damals bemerkt und den Start rechtzeitig abgebrochen. «Umgekehrt gibt es auch Fälle, da verhindern Fluglotsen nach Fehlern von Piloten unter Umständen Zwischenfälle, darauf baut das komplexe System ‹Luftfahrt›», heisst es in der Mitteilung weiter.
Die Luftfahrt lebe von einer Kultur, bei der Fehler gemeldet würden, damit ihre Kolleginnen und Kollegen von diesen lernen könnten. Die Verurteilung führe nun dazu, dass selbst kleinere Zwischenfälle nicht mehr gemeldet würden, da die Meldenden jederzeit mit einer Strafverfolgung rechnen müssten, so die Pilotengewerkschaft.
Psychologisch geschultes Personal aufgeboten
Das Urteil hat noch weitere Folgen: Nach der Urteilseröffnung hat das Management von Skyguide eine Reduzierung der Abflugrate um 10 Prozent beschlossen. Sie ist bereits den ganzen Donnerstag in Kraft. «Sie wird sicher heute bis zum Betriebsschluss aufrechterhalten», sagte Stefan Lischka von der Lotsengewerkschaft Aerocontrol. Dieser Beschluss hat Folgen für den Flugverkehr. Jeder zweite Flug habe mindestens 15 Minuten Verspätung, sagt Skyguide-Sprecher Rainmund Fridrich.
Wie es in den nächsten Tagen weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Dabei handelt es sich um eine Sicherheitsmassnahme der Flugsicherung. Skyguide wolle so dem Gesprächsbedarf der Mitarbeiter Rechnung tragen. «Psychologisch geschultes Personal ist aufgeboten worden und steht den Lotsen zur Verfügung.»
Weder die Reduzierung der Abflugrate noch einzelne Krankmeldungen von Lotsen hätten mit einem Streik zu tun, betont der Sprecher von Aerocontrol. «Die Flugverkehrsleiter sind vielmehr zutiefst verunsichert.» Sie hätten gestern Mittwoch im Gerichtssaal vernommen, dass die Justiz auf eine Nullfehlertoleranz poche. Das Bewusstsein, nach einem fahrlässig begangenen Fehler verurteilt zu werden, erschwere die ohnehin sehr verantwortungsvolle Aufgabe. (sip/pia)