(sda) Das Bundesgericht hat mit dem am Mittwoch publizierten Entscheid auf eine Aufsichtsbeschwerde des Präsidenten des Eidgenössischen Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK 10) reagiert. Die Kommission ist ein erstinstanzliches Fachgericht, das über Enteignungen im Kanton Zürich entscheidet. Ihre Mitglieder sind nebenamtlich tätig. Die Geschäftslast hat sich seit 1999 jedoch massiv vergrössert, so dass die Kommission diese unmöglich bewältigen kann. Derzeit sind gemäss Entscheid des Bundesgerichts rund 1500 Fälle hängig, die zum grössten Teil seit Jahren nicht bearbeitet werden konnten. Gemäss Bundesgericht sind beim Flughafen Zürich gut 6000 weitere Verfahren pendent, die jederzeit an die Schätzungskommission überwiesen werden könnten.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass die jeweilige Enteignerin, in vielen Fällen die Flughafen Zürich AG, für das Verfahren bei der Schätzungskommission aufkommen muss. Nun hat der Flughafen 2012 gegen eine Kostenverfügung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Die Kommissionsmitglieder hatten somit zwar gearbeitet, müssen aber auf ihren Lohn warten.
Schon früher beanstandet
Das Bundesgericht betonte bereits früher in mehreren Entscheiden im Zusammenhang mit der Schätzungskommission, dass diese Situation nicht haltbar sei. Das Kostenrisiko dürfe nicht auf den Mitgliedern lasten. Diese sind für ihre Tätigkeit nicht einmal bei einer Pensionskasse versichert. Diese Ausführungen machte es auch bei zwei früheren Aufsichtsbeschwerden gegen das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht kümmerte sich jedoch trotz seiner Funktion als Aufsichtsbehörde nicht um die akuten Probleme der Schätzungskommission. Das zeigt sich nicht nur aus den bisherigen Entscheiden des höchsten Schweizer Gerichts.
Im aktuellen Fall schreibt das Bundesgericht, es stelle sich die Frage, «ob das Bundesverwaltungsgericht seine Aufgabe als Aufsichtsbehörde über die ESchK 10 überhaupt wahrnimmt und ob die Aufsicht als solche gesetzmässig, zweckmässig, sachgerecht sowie rechtzeitig ausgeübt wird».
Über Urteil hinweggesetzt
Über zwei frühere Urteile setzte sich das Bundesverwaltungsgericht hinweg, wie aus dem jetzt publizierten Entscheid des Bundesgerichts hervor geht. Damals hielt dieses fest, alle Auslagen der Schätzungskommission, die nicht einem Enteigner in Rechnung gestellt werden könnten, seien durch das Bundesverwaltungsgericht zu tragen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte sich in der Folge jedoch auf den Standpunkt, dass die Urteile nur für die jeweiligen Einzelfälle von Bedeutung seien. Diese Haltung kritisiert das Bundesgericht in seinem aktuellen Entscheid scharf. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass die grundsätzlichen institutionellen und finanziellen Probleme der Schätzungskommission nach wie vor ungelöst seien.
Es gehe darum, eine «rechtsstaatlich korrekte Gerichtsorganisation sicherzustellen, die vor der Bundesverfassung standhält», schreibt das Bundesgericht. Dies sei nur möglich, wenn der Präsident der Schätzungskommission kein finanzielles Risiko für die Führung des Betriebs zu tragen habe. Auch gehe es nicht, dass die Kommission von der Zahlungsbereitschaft der Verfahrensparteien abhängig sei. Die Situation sei «akut», schreibst das Bundesgericht. Es sei deshalb vordringlich, dass der «rechtsstaatlich erforderliche Zustand» ohne Verzögerung hergestellt werde. Als «ultima ratio» hat es deshalb eine Anordnung an das Bundesverwaltungsgericht erlassen. Dieses muss nun alle Kosten der Schätzungskommission tragen, die nicht den Enteignern in Rechnung gestellt werden können. Auch hat es sämtliche laufenden Kosten vorzuschiessen, die voraussichtlich nicht rechtzeitig durch die Enteigner gedeckt werden.
Diese Anordnung gilt, bis das neue Enteignungsgesetz in Kraft tritt. Dieses sieht vor, die Struktur und Organisation der Eidgenössischen Schätzungskommissionen zu verbessern.