Der Bundesrat holt Zürich mit einem Paukenschlag aus den Sommerferien zurück. Am Mittwoch hat er entschieden, dass am Flughafen Zürich künftig auch Südstarts geradeaus möglich sein sollen – bei Bise und Nebel. Das bedeutet, dass Südstarts zu etwa fünf Prozent der Betriebszeit des Flughafens Zürich geflogen würden, wenn sie in einigen Jahren Teil eines rechtskräftigen Betriebsreglement werden. Mit diesem Schritt soll vor allem das heute sehr komplexe Bisenkonzept abgelöst werden, das wegen vielen Kreuzungen der Flugzeuge am Boden und in der Luft einerseits eine geringe Sicherheitsmarge und andererseits eine tiefe Kapazität aufweist. Zudem sollen im neuen SIL laut dem Entscheid des Bundesrats die Pisten 28 und 32 verlängert werden können. Diese zwei Neuerungen sind Teil des Objektblatts des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt (SIL), das der Bundesrat am Mittwoch für den Flughafen Zürich anpasste und festlegte.
Neben Südstarts geradeaus und den Verlängerungen der Pisten 28 und 32 bietet der neue SIL dem Flughafen Zürich weitere Optionen, die er nun beantragen kann. Die im Normalbetrieb geflogene Linkskurve der nach Süden startenden Flugzeuge kann grundsätzlich erweitert werden. Dadurch gewinnen sie mehr Höhe und können so einem allfälligen Durchstart auf der Piste 14 aus dem Weg gehen. Zudem sollen Starts ab der Piste 28 Richtung Westen früher separiert werden. Das ermöglicht kürzere Startabstände und erhöht die Sicherheitsmarge. Als weiterer Punkt sind im SIL die Umrollung der Piste 28 und Schnellabrollwege auf der Piste 14 enthalten. Auf diese Weise sollen Kreuzungen am Boden vermieden werden.
Kurve über Zürichs Stadtzentrum gestrichen
Mit dem Entscheid vom Mittwoch folgt der Bundesrat der Verkehrsministerin Doris Leuthard. Diese hatte die SIL-Pläne im September 2016 in die öffentliche Anhörung geschickt. Auch in der damaligen Version waren Verlängerungen der Pisten 28 und 32 vorgesehen. Den Südstart geradeaus schlug Leuthard bei Nebel und Bise vor. Auf Antrag des Kantons Zürich und nach Absprache mit der Luftwaffe soll nun laut dem Entscheid des Bundesrats einzig auf die Rechtskurve direkt über das Stadtzentrum von Zürich verzichtet werden. Die Langstreckenflugzeuge werden nun länger geradeausfliegen. Somit muss der Betrieb des Flughafens mit dem militärischen Flugbetrieb in Emmen koordiniert werden.
Gewehrt gegen Südstarts geradeaus bei Nebel hatte sich unter anderem die Zürcher Regierung, für die der Sicherheitsgewinn in dieser Variante nicht ausgewiesen war. Im Falle von Bisenlagen anerkennt der Zürcher Regierungsrat dagegen den Sicherheitsgewinn von geraden Südstarts, den das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) und der Flughafen ins Feld führen. Das Bazl rechnet bis im Jahr 2030 mit jährlich rund 8000 Südstarts geradeaus über Teile der Stadt Zürich, die Zürichseeregion und das Zürcher Oberland, die aufgrund von Bisenlagen nötig sind. Aufgrund von Nebel ist laut dem Bazl im gleichen zeitraum mit jählich rund 5000 Abflügen zu rechnen.
Wie im Entwurf des SIL-Objektblatts sind nun auch in der vom Bundesrat festgelegten Version Südstarts geradeaus über Mittag nicht enthalten. Auf diese Variante hatten unter anderem die Swiss und die Flugsicherung Skyguide gedrängt. Aus ihrer Sicht wäre der gerade Südstart in der Spitzenzeit in der Mittagswelle ein probates Mittel, um die heutigen Pünktlichkeitsprobleme zu entschärfen, die oft Verspätungen bis in die Nacht zur Folge haben.
Jahrelange Verfahren
Schnelle Änderungen wird es am Flughafen Zürich indes nicht geben. Bis die im SIL nun neu enthaltenen Optionen tatsächlich umgesetzt werden können, wird es bis zu zehn Jahre dauern. Um Anpassungen der An- und Abflugvarianten vorzunehmen, muss der Flughafen ein neues Betriebsreglement beantragen, für Pistenverlängerungen ist der Weg über ein Plangenehmigungsgesuch nötig. Bei beiden Wegen ist der Rechtsweg offen – und er wird erfahrungsgemäss bis zur höchsten Instanz genutzt.
siehe auch:
Südstarts zerstören unseren Lebensraum (VFSN/StgFl)
Bundesrat genehmigt zweite SIL-Etappe für den Flughafen Zürich (BAZL)