Wen interessieren die Halbjahres-Geschäftszahlen der Lufthansa-Tochter Swiss? Oder muss man diese Zahlen verbreiten, damit Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Prozess informiert mitreden können?
Die Hauptausgabe der SRF-Tagesschau (2.8.2017) findet das eine oder das andere.
Für die ARD-Tagesschau wie auch für die ZDF-Tagesschau dagegen waren die Halbjahreszahlen der deutschen Lufthansa kein Thema. Allerdings gibt es dort keine Volksabstimmungen – sofern Halbjahreszahlen dazu hilfreich wären.
Kurioser Phlichtstoff zur Genugtuung von Konzern-Managern
Halbjahres-Geschäftsabschlüsse behandelt SRF seit einigen Jahren kurioserweise als Phlichtstoff. Die Konzerne und Unternehmen freut es, weil deren CEOs meistens Gelegenheit erhalten, Interpretationen und Botschaften zu verbreiten, ohne dass diese hinterfragt werden.
Bei den Halbjahreszahlen der Schweizer Lufthansa-Tochter zeigte sich Tagesschau-Moderator Florian Inhauser beeindruckt: «Die Steigrate der Swiss ist eindrücklich». Im ersten Halbjahr habe die Fluggesellschaft «dreissig Prozent mehr Gewinn als im Vorjahr erwirtschaftet».
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Zwischenfrage: Könnte eine 30-prozentige Gewinnsteigerung vielleicht bedeuten, dass die Swiss ihren Fluggästen zu viel Geld aus der Tasche gezogen hat? Oder dass sie bei den Löhnen gegeizt hat? Gewerkschaften und Konsumentenorganisationen kommen zu Halbjahresabschlüssen im SRF nie zu Wort.
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Im Tagesschau-Bericht von SRF-Wirtschaftsredaktor Daniel Daester erfuhren dann die Zuschauenden, dass die Gewinnsteigerung umso bewundernswerter sei, als die Swiss einer starken Konkurrenz der BilligYieger ausgesetzt und mit schlecht laufenden Feriendestinationen konfrontiert sei.
Steuerminimierung des Lufthansa-Konzerns
Doch wie schon in vergangenen Jahren ging die Tagesschau der Frage nicht nach, ob die regelmässig hohen Gewinne der Swiss nicht etwa zur Hauptsache der Steuervermeidung des Lufthansa-Konzerns zuzuschreiben sind: Keine einzige kritische Frage dazu an die Adresse der Swiss und schon gar keine Recherche über die Gründe der enorm unterschiedlichen Betriebsergebnisse. Die Swiss weist im ersten Halbjahr eine 40 Prozent höhere Marge (EBIT) aus als die ganze Lufthansa-Gruppe.
Alle Jahre wieder
Vor zwei Jahren stellte Infosperber fest: «Die Tagesschau lobte die Swiss fast drei Minuten über den grünen Klee. Doch die Supergewinne könnten nichts als Steuertricks sein.»
Die Lufthansa-Tochter «Swiss» sei «die Perle im Lufthansa-Konzern», eine regelrechte «Cash Cow», ein «Goldesel im Lufthansa-Konzern», rühmte die Tagesschau. Fast drei Minuten lang diente die Tagesschau vom 30. Juli 2015 als Sprachrohr der Fluggesellschaft. Swiss-Kommunikationschef Daniel Bärlocher war gleich zweimal zu Wort gekommen.
Die Umsätze der Lufthansa seien viermal so gross wie diejenigen der Swiss gewesen und trotzdem habe die Swiss mehr Gewinn erwirtschaftet, verbreite die Tagesschau voll hörbarer Bewunderung.
Warum keine Skepsis?
Warum bereiteten solche Zahlen keine Skepsis? Schliesslich muss auch der Tagesschau bekannt sein, dass sich mehr als die Hälfte des weltweiten Handels zwischen Unternehmenseinheiten des gleichen Konzerns abspielen.
Die gegenseitig verrechneten Kosten legen die Konzerne innerhalb eines breiten Ermessensspielraums so fest, dass die Gewinne im steuergünstigsten Land anfallen. Insgesamt sparen sie mit diesen Tricks Milliarden an Steuern. «Die Steuervermeidung über Verrechnungspreise (Transfer Pricing) ist bei den Unternehmen eine der beliebtesten Steuervermeidungsmethoden», stellt «oekom research» fest.
Wie viele Gewinne in die steuergünstige Schweiz verschoben?
Warum nur stellte die Tagesschau nicht die Frage, wie hoch die Lufthansa Gewinne in Deutschland versteuern muss, und wie hoch in der Schweiz? Daraus hätten sich wohl weitere Fragen ergeben.
- Jedenfalls beziehen die Leitung der Swiss und die Flotte der Swiss zahlreiche Dienstleistungen von der Lufthansa in Deutschland. Laut Insidern werden einige davon überhaupt nicht in Rechnung gestellt und andere unter den tatsächlichen Kosten.
So ist es leicht möglich, dass ein weit überproportionaler Teil der Konzerngewinne in der steuergünstigen Schweiz anfällt.
Weder die Lufthansa noch deren Tochter Swiss werden dies zum Thema machen, wenn nicht hartnäckig danach gefragt wird. Sie loben die Swiss lieber über den grünen Klee, rühmen die hervorragenden Leistungen und lenken damit vom Steuertrick ab.
Statt zu recherchieren oder wenigstens gezielte Fragen zu stellen, lässt sich die Tagesschau Jahr für Jahr als Sprachrohr des Konzern benutzen.
Grosse Zeitungen machen es nicht besser
Private TV-Sender verbreiten in solchen Fällen sowieso nur Communique?s der Konzerne.
Einige Zeitungen erachteten Halbjahreszahlen der Lufthansa-Tochter für nicht besonders erwähnenswert.Andere Zeitungen, die darüber berichteten, übernahmen ebenso dienstfertig den Duktus der Swiss.