Christian Dietz-Saluz
Schlimmer hätte es für den Süden nicht kommen können. Der für die Entwicklung und den Betrieb des Flughafens Zürich massgebliche Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) erhielt Anpassungen. Die wesentlichen Änderungen laufen den Interessen der Bevölkerung in der Region südlich des Flughafens zuwider.
Der SIL 2 – die Überarbeitung des aus dem Jahr 2013 stammenden SIL 1 – sieht rund 13000 Starts auf der Piste 16 geradeaus in den Süden vor. Das entspricht 7 Prozent aller Abflüge. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) begründet diese gestern präsentierte Massnahme mit mangelhafter Sicherheit auf den sich kreuzenden Pisten 16 (Südstarts) und 28 (Weststarts). Heute fliegen nur Grossraumflugzeuge von der Piste 16 ab. In Zukunft sollen bei Bise und Nebel alle Jets von dort starten, dafür wird dann jeweils die Piste 28 gesperrt.
Von 1000 zu 13 000 Südstarts
Die 13 000 Südstarts geradeaus sind den Vertretern des Fluglärmforums Süd – eine Plattform von 23 Gemeinden und Städten im Süden des Flughafens – ein Dorn im Auge. «SIL 2 ist schockierend, eine Katastrophe für die Gemeinden im Süden des Flughafens», sagt der Küsnachter Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP). Es sei noch schlimmer rausgekommen als befürchtet. «Sprach man bisher nur von 1000 möglichen Südstarts pro Jahr, sind es jetzt 13 000», kritisiert Ernst.
Kantonsrat Jürg Trachsel (SVP, Richterswil), der im Fluglärmforum die linksufrigen Gemeinden vertritt, ist enttäuscht über die Südabflüge. «Für den Süden ist das eine Hiobsbotschaft. Aus Gründen der Sicherheit ist es nicht sinnvoll, wenn über die Stadt Zürich und den dicht besiedelten Süden gestartet wird.» Der Zumiker Gemeindepräsident Jürg Eberhard (FDP) bezeichnet den SIL 2 «als einen schweren Schlag und für mich völlig unverständlich». Die Topografie werde nicht berücksichtigt, denn mit den Südstarts geradeaus fliege man direkt auf den Pfannenstiel zu, die Flugzeuge seien also dem Boden viel näher als in anderen Startrichtungen.
«Bise und Nebel Vorwand»
Gemässigter äussert sich der Planungs-Stadtrat von Rapperswil-Jona, Thomas Furrer (parteilos): «Zu befürchten war, dass der Bund die Südstarts geradeaus generell zulassen würde, nicht nur bei Nebel und Bisenlagen. Wenigstens diese Befürchtungen trafen nicht ganz zu.» Fluglärmforums-Präsident Lothar Ziörjen (BDP,StadtpräsidentvonDübendorf ) ist skeptisch, was die 13 000 Südstarts betrifft. Er hält diese für eine Gummibestimmung, die willkürlich angewendet werde. «Es wird weit mehr Südstarts geradeaus geben, das kennen wir schon von den Südanflügen – es werden immer mehr», sagt Ziörjen. Diese Befürchtung teilt Jürg Trachsel. «Ich behaupte, dass Bise und Nebel nur ein Vorwand sind, um möglichst viele Südstarts durchführen zu können.»
Markus Ernst ärgert die «Arroganz von Bundesrätin Leut-hard, andere Varianten nicht einmal zu prüfen. «Bern hat sich von den Bedürfnissen der Bevölkerung entfernt, den Boden verloren. Das ist jenseits von Gut und Böse.» Jürg Eberhard vermisst einen Vergleich zwischen verschiedenen Varianten, wenn es um den Sicherheitsaspekt geht. Bern scheine schon von vornherein auf Südstarts fixiert gewesen zu sein. «Darum fehlt mir das Vertrauen in die Flughafenpolitik», sagt der Zumiker, «da wird nicht mit offenen Karten gespielt.»
Warten auf Regierungsrat
Jürg Trachsel vermisst etwas anderes: «Wenn schon Südstarts, dann hätte ich auch etwas über den gekröpften Nordanflug erwartet, aber der kommt überhaupt nicht mehr vor im SIL 2», klagt der Richterswiler. Für Lothar Ziörjen wird der Lärmschutz ignoriert und werden Sicherheitsargumente zur Erhöhung der Kapazität des Flughafens missbraucht. «Für mich hat der Schutz der Bevölkerung Vorrang, erst danach kommt die Kapazitätssteigerung des Flughafens», fordert er.
Markus Ernst wartet nun gespannt auf die Reaktion des Zürcher Regierungsrats. Denn dessen Fluglärmindex ZFI sei mit 13 000 Südstarts im Jahr wohl kaum einzuhalten. Küsnacht werde als Mitglied des Fluglärmforums Süd alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen die Südstarts ergreifen. Das Fluglärmforum Süd prüft ebenfalls politische und juristische Massnahmen.
ZSZ, 28.09.2016, Seite 15