Rund 10 000 Schlafzimmer im Süden wollte der Flughafen so aufrüsten, dass die Bewohner am Morgen nicht von frühen Anflügen geweckt werden. Die Nachfrage ist lau. Nicht so die Kritik.
von Andreas Schürer
Die Absicht im «Schutzkonzept Süd» tönt durchaus hehr: Im Juli teilte die Flughafen Zürich AG mit, dass sie in den kommenden zwei Jahren ein Massnahmenkonzept umsetzen werde, das die Anwohner vor Aufwachreaktionen durch morgendliche Südanflüge schütze; Antrieb für dieses Vorhaben bildet ein Bundesgerichtsurteil vom Dezember 2010. Rund 10 000 Schlafräume in etwa 1000 Liegenschaften würden mit einem automatischen Fensterschliessmechanismus oder mit einem Schalldämmlüfter ausgerüstet, schrieb der Flughafen, acht Millionen Franken aus dem Lärmfonds seien dafür reserviert. In den Genuss des Programms sollten Haus- und Wohnungseigentümer im Bereich der Südanflugroute kommen, die nicht vom ordentlichen Schallschutzprogramm profitieren, bei denen es also nicht zu lärmrechtlich relevanten Grenzwertüberschreitungen kommt. Definiert hat der Flughafen das Gebiet denn auch nicht über Lärmkriterien. Stattdessen entspricht es jener Zone, in der wegen der Südanflüge die Dachziegel geklammert werden mussten: dem sogenannten Dachziegelklammerungssektor. Dieser enthält Gebiete der Gemeinden Zürich, Dübendorf, Wallisellen und Opfikon.
Nur jeder Vierte greift zu
Nun zeigt sich, dass die Zahl von 10 000 Schlafzimmern nicht erreicht werden wird. Ist der Leidensdruck zu gering? Oder überzeugt das Schutzkonzept nicht? Das lässt sich nicht abschliessend beurteilen. Fakt ist, dass nur rund 250 von 1000 berechtigten Liegenschaftsbesitzern das Angebot des Flughafens annehmen. Fix reserviert sei die Ausrüstung für rund 2500 Schlafzimmer, bezüglich etwa 1000 Schlafzimmern sei der Entscheid noch ausstehend, sagt Martin Bissegger, Leiter Lärmmanagement der Flughafen Zürich AG. Zu zwei Dritteln hätten sich die Leute für die Fensterschliessmechanismen entschieden. Dieser Antrieb wird am Fensterrahmen montiert. Er kann so programmiert werden, dass er das Fenster zu einer bestimmten Zeit automatisch schliesst, konkret also kurz vor 6 Uhr morgens, vor dem ersten Südanflug. Bissegger teilt die Wertung nicht, dass die Nachfrage bescheiden sei. Da es sich beim Schutzkonzept Süd um ein völlig neues Konzept handle, das noch nirgends sonst implementiert worden sei, übertreffe der Rücklauf die Erwartungen.
«Eine Scheinlösung»
Ein Kritiker des Schutzkonzepts Süd ist Adolf Spörri, der privat betroffen ist als Hauseigentümer in Gockhausen und zudem die Stiftung gegen Fluglärm präsidiert. Er meint: «Es ist nur eine Scheinlösung – kein Lärmschutzkonzept, sondern ein Konzept zur Vereinfachung der Zimmerlüftung.» Nötig ist aus seiner Sicht, dass der Flughafen den Betroffenen den Einbau neuer Fenster finanziere. Die beiden vorgeschlagenen Varianten nützten nämlich nur, wenn jemand bei offenem Fenster schlafe und über so hochwertige Fenster verfüge, dass sie ihn nach dem Schliessen vor Lärm schützten. Seine Fenster seien aber rund 20-jährig. «Da nützt mir weder das Motörchen noch der Schalldämmlüfter etwas.» Für Lothar Ziörjen, Stadtpräsident von Dübendorf und Präsident des Fluglärmforums Süd, verpasst der Flughafen eine Chance, Goodwill zu schaffen: «Statt dass er mit freiwilligen Angeboten auf die Betroffenen zugeht, verschanzt er sich hinter rechtlichen Argumenten.» Dies sei zwar formal korrekt – die Anwohner in der Anflugschneise fühlten sich aber so nicht ernst genommen. Durch den engen und scharf definierten Dachziegelklammerungssektor würden die Leute brüskiert; nachvollziehen könne das Vorgehen kaum jemand. Einspruch angemeldet hat auch der Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN). Der Flughafen mache nur das absolute Minimum, kritisiert er. Vor Bundesverwaltungsgericht blitzten die Kritiker letztes Jahr allerdings weitgehend ab.
Die Kritik, das Schutzkonzept Süd sei eine Scheinlösung, lässt der Flughafen denn auch heute nicht gelten. Fenster nach heutigem Ausbaustandard böten ausreichend Schutz, sagt Bissegger. Der Flughafen habe zusammen mit der Empa Dübendorf aufzeigen können, dass bei geschlossenen Fenstern Aufwachreaktionen vermieden werden könnten. In Fällen, wo die Mindestdämmwerte der Fenster ungenügend seien, biete der Flughafen Hand für Fensterersatz. Auch bezüglich der Motörchen und der Lüfter ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt und das Bundesverwaltungsgericht haben den Flughafen dazu verknurrt, allenfalls weitere Gebäude aufzurüsten. Bis Ende 2017 muss er das für das Schutzkonzept Süd relevante Gebiet neu definieren – nicht aufgrund von Dachziegelklammern, sondern aufgrund akustischer Kriterien.