Es ist ruhig geworden im deutsch-schweizerischen Dauerkonflikt um Starts und Landungen auf dem Zürcher Flughafen. Der umstrittene Staatsvertrag, noch zwischen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und seiner Schweizer Amtskollegin Doris Leuthard ausgehandelt, liegt seit 2012 auf Eis. Und niemand vermag genau zu sagen, warum das bereits paraphierte Dokument das Parlament nicht passiert hat. Ein Grund dürfte der anhaltende Widerstand der CDU-Landesgruppe im Bundestag sein.
Unterdessen tut sich auf einer anderen Ebene etwas. Zum Schutz der deutschen Bevölkerung hatte die rot-grüne Bundesregierung 2003 die 220. Durchführungsverordnung (DVO) geschrieben. Davon betroffen war vor allem der Anflugverkehr während der Tagesrandzeiten, also abends ab 21 Uhr und morgens bis 7 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen abends ab 20 Uhr, morgens bis 9 Uhr. Die Regelung war Bern und Zürich seither ein Dorn im Auge, weil in diesen Zeiten Flieger unter anderem über den Osten und Süden einfliegen mussten.
Inzwischen hat die DVO fünf Änderungen hinter sich, in diesem Jahr waren es allein zwei. Zur Begründung nannte Berlin zum einen die Einführung eines neuen satellitengestützten Navigationssystems (GBAS), das es Flugzeugen erleichtern soll, den Flughafen anzufliegen. Die letzte Änderung sei notwendig geworden, um Verschiebungen des Erdmagnetfeldes zu berücksichtigen, erklärte unlängst der zuständige Abteilungsleiter beim Bundesverkehrsministerium, Gerold Reichle. Ganz anders wertet hingegen die Bürgerinitiative „Bürgerbrief" die Änderungen. Ihre Mitglieder setzten die DVO grafisch um.
Das Ergebnis zeigt eine Reihe neuer Navigationspunkte, die es bislang nicht gab. „Damit wird das Ostkonzept der Eidgenossen durch die Hintertür eingeführt", erklärt Rolf Weckesser, und wirft den Verantwortlichen in Berlin vor, den Wünschen der Schweizer Nachbarn ohne Not nachzugeben. Nach Angaben des schweizerischen Bundesaufsichtsamts für Zivilluftfahrt (Bazl) soll das Ostkonzept eingeführt werden, um die als riskant geltenden Kreuzungspunkte zwischen startenden und landenden Maschinen zu entflechten. Zugleich freilich würde der Süden vom Flugverkehr nahezu ganz freigestellt werden.
Bei der zuständigen Behörde in Berlin bestreitet man aber, dass die Änderungen der DVO etwas mit dem Ostkonzept der Schweiz zu tun haben. Auf die Bitte um eine Stellungnahme zur grafischen Umsetzung reagierte das Bundesministerium zuletzt nicht mehr.
In den drei vom Flugverkehr betroffenen Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz ist das Bewusstsein gewachsen, dass das Ostkonzept zu mehr Flugverkehr über den Köpfen der südbadischen Bevölkerung führen könnte. Deshalb soll jetzt ein Gutachter die Auswirkungen des Konzeptes untersuchen. Bei einem Treffen in Frankfurt segneten die Landräte ihren Auftrag an den Luftfahrtexperten, Professor Hartmut Fricke, und seine Gesellschaft für Luftverkehrsforschung (Gfl) ab. Der erste Landesbeamte im Kreis Waldshut, Jörg Gantzer, räumt zwar auf Nachfrage dieser Zeitung ein, dass die Gesellschaft auch schon für den Flughafen Zürich gearbeitet habe. Angesichts des engen Gutachterkreises und des Renommees Frickes habe man sich aber für die Auftragsvergabe entschieden. Nach Gantzers Worten kostet die Untersuchung mehrere zehntausend Euro. Das Land habe 35 000 Euro zugeschossen, den Rest teilen sich die drei Kreise. Schließlich feilten die Anwesenden an dem Gutachterauftrag. Dieser „wurde von den Landkreisen mit dem beauftragten Gutachter unter Beteiligung von Kollegen aus dem Regierungspräsidium Freiburg und dem Landesministerium (MVI) konkret formuliert", erklärte Gantzer weiter. Der Kreistag soll am 17. Dezember über Details zur Vergabe des Gutachtens informiert werden. Der Landkreis Waldshut bezahlt die Kosten für das Gutachten laut Jörg Ganzer aus einem Fond, der eigens für das Thema Fluglärm eingerichtet wurde.