«Das Heimatgefühl ist bei uns schlecht», weiss Hansruedi Bauer, Stadtschreiber von Opfikon. Das schlägt sich auch in der Statistik nieder: 8181 Personen haben die Stadt zwischen 2007 und 2012 verlassen. Setzt man dies in Relation zur Einwohnerzahl, ergibt sich eine ausserordentlich hohe Wegzügerquote von 61,2 Prozent, wie das Statistische Amt des Kantons errechnet hat.
Das heisst aber nicht, dass Opfikon schrumpft. Im Gegenteil. Die Flughafenstadt boomt und legt stetig an Einwohnern zu. Es ziehen also noch mehr Menschen zu als weg. Zwischen 2007 und 2012 haben sich 10\'281 Personen in Opfikon niedergelassen. In keiner anderen Zürcher Gemeinde ist der Anteil der Neuzuzüger derart hoch. Mit anderen Worten: Opfikons Fluktuation ist enorm. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. «Das ist dem Stadtrat eine grosse Sorge», sagt Bauer. Warum aber ist die Fluktuation in Opfikon derart viel höher als anderswo?
In Frankreich wäre Opfikon Banlieue
Einer der Gründe ist sicher die Nähe zum Flughafen. Solche Standorte sind beliebt bei internationalen Konzernen. Und deren Mitarbeiter sind in der Regel sehr mobil. Heute noch in Opfikon, arbeiten sie morgen vielleicht schon in Wien, Toronto oder Singapur. Entsprechend ist die Wegzügerquote auch in anderen Flughafengemeinden wie Kloten, Rümlang und Oberglatt hoch.
Dasselbe gilt für den Ausländeranteil, der in Opfikon bei 44,5 Prozent liegt. Nur Schlieren kommt im Kanton Zürich auf einen noch höheren Wert, nämlich 45,3 Prozent. In Frankreich würde man Opfikon wohl als Banlieue bezeichnen. Viele empfinden die Agglomerationsstadt als eher tristen Ort, den man gern wieder verlässt, sobald man etwas Besseres gefunden hat. Das ist der Identifikation mit der Stadt natürlich nicht förderlich. Auch Opfiker Vereine leiden unter der hohen Fluktuation. Der Stadtrat versucht derweil, das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Er hat ein «Entwicklungskonzept 2012+» erstellt, das 31 Massnahmen umfasst. Im Vordergrund stehen drei «Leuchttürme»: das Schaffen eines attraktiven Stadtzentrums, das Aufwerten des Grünraums entlang der Glatt und ein regelmässiges Stadtfest.
Spezialfall Hüttikon
Eine noch höhere Wegzügerquote als Opfikon hat laut dem Statistischen Amt Hüttikon im Furttal. Das erstaunt. Ist doch Hüttikon eine Gemeinde mit vielen Einfamilienhäusern. Und Hausbesitzer ziehen in der Regel weniger schnell weg als Mieter. Doch Hüttikon ist ein Spezialfall: Bis 2012 war dort der Gemüsebetrieb Imhof tätig, der viele Saisonarbeiter beschäftigte. Deren Kommen und Gehen hat die Wegzügerquote der 680-Seelen-Gemeinde in die Höhe getrieben. Jetzt spielt dieser Effekt nicht mehr, weil der Gemüsebetrieb unterdessen seinerseits weggezogen ist. In der aktuellen Statistik wirkt er aber immer noch nach. Denn die letzten verfügbaren Daten des Statistischen Amts stammen aus dem Jahr 2012.
Stadt Zürich unter dem Schnitt
Ein Blick auf unsere eingefärbte Karte zeigt, dass nebst der Flughafenregion vor allem das Zürcher Unterland zwischen Dielsdorf und Oberweningen von vielen Wegzügen geprägt ist. Anders sieht es in der Region Winterthur und im Weinland aus: Dort sind die Einwohnerinnen und Einwohner recht treu. Das gilt übrigens auch für die Stadt Winterthur: Sie weist mit 28,9 Prozent eine der tiefsten Wegzügerquoten im Kanton auf.
Die Stadt Zürich liegt mit ihren 37 Prozent deutlich höher als Winterthur – aber immer noch unter dem kantonalen Schnitt von 38 Prozent. In beiden grossen Zürcher Städten wird also weniger gezügelt als in der Agglomeration und auf dem Land – sofern man unter einem Umzug einen Wechsel der Gemeinde versteht. Zieht jemand von einem Stadtkreis in einen anderen, wird er von der Statistik nicht als Wegzüger erfasst.
Treue Waltalinger
Die tiefste Wegzügerquote des Kantons weist die Weinländer Gemeinde Waltalingen aus. Am Steuerfuss kann es freilich nicht liegen, dass dort die treusten Einwohnerinnen und Einwohner leben. Denn er liegt auf dem kantonalen Maximum von 124 Prozentpunkten (ohne Kirchen). Aber in Waltalingen sind die Landpreise noch erschwinglich; dort kennt fast jede jeden; und die meisten wohnen in ihrem eigenen Heim. Da zieht man nicht so schnell weg.
Ähnlich sieht es in Wiesendangen, Humlikon, Dorf und Thalheim an der Thur aus. Auch dort identifizieren sich die Einwohnerinnen und Einwohner in einem Ausmass mit ihrer Gemeinde, von dem der Opfiker Stadtrat nur träumen kann.