MP: Sie sind neuer Präsident des VFSN – wie erleben Sie den Verein aus dieser neuen Sicht?
Matthias Duttli: Ich war seit der Gründung des Vereins Mitglied. Als Präsident erlebe ich den VFSN natürlich von einer anderen Seite. Der Vorstand ist momentan klein, und es ist eine vordringliche Aufgabe, nach Verstärkung zu suchen, um die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Nur so können wir die anstehenden Aufgaben angehen. Ich erlebe den Verein nach wie vor als sehr aktiv, und es ist mir ein grosses Anliegen, dass es so bleibt. Unser Ziel ist es nach wie vor, die bestehenden Rechtsverletzungen wieder rückgängig zu machen, so dass möglichst wenig Menschen mit Fluglärm belastet werden, so wie es unseren Statuten entspricht. Mit unserer aktuellen Plakatkampagne «Achtung 16 Stunden Fluglärm mit Südstarts Straight 16» konnten wir viele neue Mitglieder auch in den Seegemeinden gewinnen, und wir haben das Interesse der Regionalpolitiker geweckt.
Wie sind die Reaktionen aus Maur?
MD: In der Gemeinde Maur war das Interesse am VFSN immer sehr hoch. In Aesch, Ebmatingen und Binz leiden viele Einwohner am heutigen Flugregime. Aus dieser Region stellen sich immer wieder viele Helfer für Anlässe und interne Arbeiten zur Verfügung. Im Ortsteil Maur mag das Interesse wegen der geringeren Betroffenheit etwas weniger gross sein, aber die Diskussion lebt jetzt neu auf wegen der drohenden Südstarts. Auch in Maur haben wir Neumitglieder gewonnen.
Ihr Vorgänger Thomas Morf war sehr charismatisch und in den Medien om nipräsent. Täuscht es mich, oder ist die Medienpräsenz seit seinem Abgang kleiner geworden?
MD: Seit elf Jahren kämpft der VFSN gegen die Südanflüge. Deren Akzeptanz in der Bevölkerung ist seither nicht gestiegen, aber das Medieninteresse nimmt ab. Ich bedaure das, denn es wird nicht im Sinne der betroffenen Bevölkerung berichtet. Das mangelnde Interesse ist auch schwer verständlich, wenn man bedenkt, wie zurzeit unter dem Titel «Flexibilisierung der Lärmschutzgesetze» versucht wird, der Bevölkerung nachts ungestraft mehr Lärm zuzumuten. Man soll auch dort noch bauen dürfen, wo es bisher nicht erlaubt gewesen wäre. Schallschutzmassnahmen hat der Bauherr zu berappen, so kostet es den Flughafen nichts und die Gemeinden freuts, können sie doch weitere Baubewilligungen erteilen. Solche Machenschaften müssen bekämpft werden – auch wenn es keine Medienrenner sind. Ein anderes Problem sind die Lärmberechnungen: Morgens ab 6 Uhr wird der Fluglärm gemittelt über 16 Stunden. Damit ist die Lärmbelastung der Bevölkerung im Süden in den frühen Morgenstunden nicht adäquat erfasst. Dies hat auch das Bundesgericht festgestellt. Hier versuchen wir Druck auszuüben, denn die Gesetzgebung müsste angepasst werden. Als Schutzkonzept für die geplagte Bevölkerung im Süden bietet der Flughafen den Einbau «Fensterschliessmotörchen» – ein absolut untaugliches Mittel. Auch dies eine Baustelle für den VFSN.
Kommen wir zu den Südstarts, was läuft da, gibt es eine Agenda?
MD: Vorab sei gesagt: Südstarts über das am dichtesten besiedelte Gebiet der Schweiz bedeuten eine enorme Lärmbelastung. Damit werden am meisten Menschen mit dem grösstmöglichen Lärm belastet. Dass wir dagegen kämpfen müssen, versteht sich von selbst. Nicht nur die Pfannenstielregion und die Zürichseegemeinden, auch das Glatttal und die Greifenseeregion wären massiv betroffen. Der Flughafen wünscht einen möglichst kreuzungsfreien Flugbetrieb. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten; Landen von Osten/Starten nach Norden oder aber Landen von Norden/ Starten nach Süden. Der Flughafen favorisiert den Ostanflug, welcher einen Ausbau der Ostpiste 28 erfordert. Der Kantonsrat hat diesen Ausbau aus dem Richtplan gekippt. Wird der Ausbau der ungenügenden Piste 28 blockiert, so sind Südstarts vorprogrammiert. Im Mit einer Initiative könnte allenfalls eine Volksabstimmung erzwungen werden. Im Moment warten alle auf den Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) des BAZL, sind darin Südstarts enthalten, so liegt es dann am Flughafen, ein entsprechendes Betriebsreglement einzureichen, welches wiederum vom BAZL genehmigt werden muss. Ein weiteres Spannungsfeld ist die Nutzung des Flughafens Dübendorf. Sollte hier eine zivilaviatische Nutzung beschlossen werden, hätte unsere Region, insbesondere das Glatttal mit einer nochmaligen Zunahme des Fluglärms zu rechnen. Hier sind die Würfel auch noch nicht gefallen.
Was plant Ihr Verein für Massnahmen?
MD: Wir wollen mit fundierten Vorträgen die Bevölkerung orientieren und die Politiker sensibilisieren, in der Fluglärmproblematik die Interessen ihrer Bevölkerung mit Nachdruck zu vertreten. Wo dies möglich ist, bringen wir uns mit Einsprachen und Beschwerden ein. Wir brauchen dafür die Unterstützung von Juristen und wären an Verstärkung interessiert. Wie ich ausgeführt habe, ist vieles in der Schwebe, und wir müssen jetzt warten.
Den Gegnern der Südanflüge wird manchmal aus anderen Regionen der Schweiz vorgehalten, sie würden einfach aus egoistischen Gründen der Wertmin derung von Liegenschaften gegen die Südanflüge und Südstarts sein.
MD: Ungeachtet von persönlichen Befindlichkeiten und sinkenden Liegenschaftspreisen: Es geht primär um die Vernichtung von Lebensqualität in einem sehr dicht besiedelten Gebiet. Das Umweltschutzgesetz verlangt, dass die Bevölkerung möglichst vor schädigenden Immissionen zu schützen sei. Der Fluglärm muss so kanalisiert werden, dass möglichst wenig Menschen betroffen sind. Dies wird auch in einem Leitentscheid des Bundesgerichts von 2004 festgehalten.
Fliegen Sie viel?
MD: Einmal im Jahr. Gegen einen vernünftigen Flugbetrieb hätte ich nichts einzuwenden. Wir wehren uns gegen einen internationalen Hub in Zürich.
Interview: Christoph Lehmann