Schneiser befürchten ein Desaster (ZSZ

Publiziert von VFSNinfo am
Der Verein Südschneise Süd – Nein (VFSN) hat seit kurzem einen neuen «Chefpiloten». Der Zumiker Matthias Dutli hat das Präsidium von Thomas Morf übernommen. Unter Dutli soll sich an der Ausrichtung des Vereins nichts ändern. Sein Hauptaugenmerk gilt unverändert den drohenden Südstarts straight.

THOMAS SCHÄR

Der 55-jährige Elektroinstallateur aus Zumikon hat sein Amt Anfang März angetreten. Dutli war an der Generalversammlung in Fällanden einstimmig zum Nachfolger des langjährigen Präsidenten Thomas Morf gewählt worden. Und seine Amtszeit begann gleich mit einem Paukenschlag: Am vergangenen Montag hat der Zürcher Kantonsrat die Verlängerung der Ostpiste am Flughafen aus dem Richtplan gekippt. Für den VFSN, der sich stets für die Pistenverlängerung ausgesprochen hat, stellt der ablehnende Ratsentscheid einen herben Rückschlag dar.

Hoffen auf Initiative
Im Gespräch mit der «ZSZ» erinnert Matthias Dutli daran, dass sich nur mit einer Verlängerung der Ostpiste die drohenden Südstarts geradeaus über das dichtestbesiedelte Gebiet des Kantons abwenden liessen. Nach Darstellung des VFSN droht ohne eine taugliche, modernisierte Ost-West-Piste ein Betriebskonzept des Flughafens mit Nordlandungen und Südstarts während der gesamten Betriebszeit von 16 Stunden täglich.
Noch geben die Fluglärmgegner den Kampf nicht verloren: Flughafenfreundliche Kreise sitzen in den Startlöchern für eine Volksinitiative zu den Pistenverlängerungen. Sie dürfte vom VFSN unterstützt werden. Der Kantonsrat soll nicht im Alleingang Pistenverlängerungen verhindern können. Mit einer Aufklärungsund Informationskampagne, vor allem bei den Lokalpolitikern in der Region, wollen die Südschneiser nach Angaben von Dutli derweil aufzeigen, welches Desaster dem Süden droht.

Keine Flughafen-Gegner
Dutli, der sein berufliches Pensum zugunsten des VFSN-Präsidiums zurückfahren will, machte in seinem ersten Interview nach seiner Wahl deutlich, dass der Verein, respektive er selbst, keine grundsätzlichen Flughafen-Gegner seien: «Wir brauchen für die Schweiz einen Flughafen.»
Allerdings gehe es dabei um einen Landesflughafen, der sich an den Interessen der Schweizer selbst orientiere und nicht als internationales Drehkreuz diene. Die Zahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich sei seit einigen Jahren rückläufig. Die Prognose des Bundes rechnet bis ins Jahr 2020 indessen mit einer deutlichen Zunahme der Flugverkehrsnachfrage.
Dutli zeigt sich befremdet darüber, «dass wir als Schweizer für einen deutschen Konzern Flugrouten festlegen, unter denen wir dann zu leiden haben». Der VFSN will deshalb die unter dem Namen «ZRH-2020» lancierte Forderung, die Zahl der Umsteigepassagiere am Flughafen Zürich auf 20 Prozent zu limitieren, forcieren. Heute beträgt die Zahl rund 35 Prozent. Die Petition wird vom Verein Bürgerprotest Fluglärm Ost (BFO) und vom Hauseigentümerverband Dübendorf und Oberes Glattal mitgetragen.

ZSZ, 29.03.2014, Seite 1




«Müssen die Bevölkerung wachrütteln»

Der neue Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN), Matthias Dutli, setzt auf die Aufklärungsarbeit bei Lokalpolitikern und Behörden in der Region. Hier bestehe noch ein grosses Informationsdefizit.

INTERVIEW: THOMAS SCHÄR/MARTIN STEINEGGER

Herr Dutli, was hat Sie veranlasst, das fordernde Amt als neuer VFSN-Präsident von Thomas Morf zu übernehmen?
Matthias Dutli: Ich bin seit der Gründung des VFSN im Jahre 2003 als Mitglied dabei und habe mich damit auch lange Zeit begnügt. Ich war der Meinung, dass diese Leute eine gute Sache verfolgen und man sie darin unterstützen muss. Allerdings hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie intensiv dies mit Arbeit verbunden ist und was für ein Aufwand dahinter steckt. Ein erstes Mal aufgewacht bin ich vor zwei Jahren, als Thomas Morf seinen Rücktritt auf dieses Jahr hin ankündigte. Ich begann darüber nachzudenken, wer in der Lage wäre, diese Funktion zu übernehmen, habe aber nie an meine Person gedacht. Aber es musste ja irgendwie weitergehen. Und so bin ich eben in diese Lücke gesprungen. Viele Anwärter gab es nicht.

Täuscht der Eindruck, oder haben der Elan und die Begeisterung innerhalb des VFSN im Vergleich zu den Anfangsjahren nachgelassen?

Das glaube ich nicht. Aber es ist so, dass viele ältere Leute bei uns Mitglieder sind. Wir versuchen, die Basis zu verjüngen und die Bevölkerung wachzurütteln. Aber es ist schwierig, denn junge Generationen verfügen in der Regel über keinen Eigenheimbesitz, den es irgendwie zu schützen gilt. Es gibt auch viele Leute, die sagen, ich bin doch erst gerade nach Zumikon gezogen, ich kann doch nicht  gleich auf Opposition machen. Das ist für mich unerklärlich. Man kann gegen eine ungerechte Staatsdoktrin sein und sich für bessere Lebensqualität einsetzen, auch wenn man erst vor kurzem zugezogen ist. Das vom BAZL initiierte Szenario von Südabflügen straight – während 16 Stunden am Tag – ist eine realistische Bedrohung.

Welche Rolle soll denn der Flughafen Zürich aus Sicht des VFSN übernehmen?

Der Flughafen muss existieren können, mit einer gewissen Anzahl Flugbewegungen. Das muss gewährleistet sein. Aber der Flughafen Zürich muss kein internationaler Hub sein mit 410000 Flugbewegungen im Jahr.

Sie sind also kein grundlegender Gegner der Aviatik...

Überhaupt nicht. Wir brauchen einen Flughafen, aber wir brauchen ihn in erster Linie für die Schweizer und nicht als internationalen Hub, wie ihn der Lufthansa-Konzern anstrebt. Das ist es, was mich befremdet, dass wir als Schweizer für einen deutschen Konzern Flugrouten festlegen, unter denen wir dann zu leiden haben. Im Moment haben wir  34% Umsteigepassagiere. Die hiesige Bevölkerung macht also gut 60 Prozent (1/3 aus dem süddeutschen Raum) der Flugbewegungen aus. Von daher ist die vom VFSN Ende 2012 lancierte Petition, wonach der Anteil Transferpassagiere auf 20 Prozent reduziert werden soll, absolut vernünftig. Sie wird neu aufgelegt und nochmals forciert. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Flughafen weiter existieren kann, jedoch muss das möglich sein, ohne dass nur noch über den Süden gestartet und von Norden her gelandet wird über das am dichtesten besiedelte Gebiet. Es muss das Ziel verfolgt werden, möglichst wenige Menschen mit möglichst wenig Fluglärm zu belasten.

Wo sehen Sie für sich die zukünftigen Schwerpunkte bei Ihrer Tätigkeit als Präsident des VFSN?

Im Moment  geht es darum, Informationen zu verbreiten, vor allem in der Politik. Bei der Abstimmung vom Montag im Zürcher Kantonsrat wurde deutlich, dass gewisse Parlamentarier keine Ahnung hatten, worüber sie abstimmten. Es ist nun mal eine Tatsache, dass es immer grössere Passagierflugzeuge gibt, die längere Pisten benötigen. Auf der zu kurzen Ostpiste ist dies  nicht möglich. Das ist einer der Gründe, weshalb über den Süden geflogen wird, weil die Piste 16/34 länger ist. Diese  wurde aber ursprünglich als Blindlandepiste von Norden gebaut. Von Anfang an bestand hier das Kreuzungsproblem mit der Ostpiste. Dieses ist mit der Einführung der Piste 14 zwar ein wenig gemildert worden. Mit dem Einzug der grösseren Flieger ist sie nun aber wieder auf dem Tisch.

Die Verlängerung der Ostpiste ist also eine Grundvoraussetzung dafür, um systematische Starts über die Südpiste zu verhindern: Ist dem aus Sicht des VFSN so?

Wenn das Bazl am Flughafen Zürich wirklich kreuzungsfrei fliegen lassen will, dann ist dem so. Die Südstarts geradeaus ermöglichen eine massive Kapazitätssteigerung. Wir sind momentan bei den Flugbewegungen in der Grössenordnung des Standes von 1996, und die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Kurz vor dem Swissair-Grounding 2001 hatten wir die höchsten Bewegungszahlen.

Es gibt aber durchaus ernstzunehmende Stimmen, die sagen, dass es die Südstarts straight aus betrieblichen Gründen braucht, um den Flugverkehr auf dem Flughafen Zürich in geordneten Bahnen abzuwickeln. Damit wäre klar, dass die Starts nach Süden früher oder später ohnehin eingeführt werden...

Da bin ich nicht der gleichen Ansicht. Die Südstarts geradeaus braucht es nicht, um den Flugbetrieb auf dem Flughafen Zürich aufrecht zu erhalten. Diese Südstarts bräuchte es nur für einen internationalen Hub. Dieses Konzept beinhaltet zwei Parallelpisten, womit man unabhängig wäre bei Start und Landung. Das wäre zwar auch bei Einführung des Ostkonzepts der Fall, nur bräuchte es bei diesem Szenario eben die Pistenverlängerungen im Norden und im Osten. Da spielen dann auch die Finanzen eine Rolle. Der Flughafen spricht sich zwar offiziell für diese Variante aus. Inwiefern er jedoch insgeheim froh darüber wäre, falls diese Vorlage von der Bevölkerung bachab geschickt würde, ist offen. Jedenfalls stünde dann die Südpiste «gratis» als genügend lange Piste zur Verfügung. Es fragt sich, welche Strategie ein Flughafen verfolgt, der zuerst die Südstarts beim Bazl fordert, sich aber von ihnen distanziert, sobald dieser Plan im provisorischen SIL-Blatt verankert ist -,. Sollten die Südstarts einmal vom Bazl verordnet werden, kann der Flughafen immer noch darauf hinweisen, dass er diese nie wollte, sich jetzt aber halt fügen müsse.

Wie gut sind Sie in der Aviatik Industrie vernetzt: Thomas Morf war ja diesbezüglich ein wahrer Leuchtturm...

Noch gar nicht. Ich bin mich jetzt am Einarbeiten und Einlesen. Ich konnte mich bisher noch nicht gross mit dem Umfeld bekannt machen, wobei die Leute jetzt teilweise auf mich zukommen, teilweise werde ich auf diese zugehen. Aber das ist zweifellos eine wichtige Aufgabe, gerade auch für die eigene Meinungsbildung..

Wie geht es mit dem VFSN nun konkret weiter: Was sind die Pläne für die kommenden Wochen und Monate?

Wie bereits ausgeführt, steht für uns die Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit bei Meinungsträgern im Vordergrund, aufzuzeigen, was wirklich läuft und ihnen das drohende Desaster vor Augen zu führen. Das haben wir schon im letzten Monat getan, bei Neupolitikern auf Gemeindestufe, die sich jetzt zur Wahl stellen in der Region. Zudem fanden im Februar drei Infoanlässe für Gemeindevertreter statt, wo wir die Grundlagen mit den befürchteten 16 Stunden Fluglärm pro Tag vermittelten und mit Fakten belegten. Eine Massnahme, die gegen dieses Szenario hätte wirken können, wäre eben die Pistenverlängerung gewesen.

Wie hochrechnen Sie Ihre Erfolgschancen aus, dass es eines Tages mindestens die Südanflüge nicht mehr geben wird?

Ich kann Ihnen versichern: wenn die Südabflüge kommen, haben wir die -Südanflügeanflüge automatisch nicht mehr, weil es dann zu Gegenverkehr kommt. Persönlich halte ich eine Überprüfung der Notrechtssituation bezüglich Südanflüge seitens des Bundes für opportun. Gibt es keine andere Möglichkeit als das Notrecht, unter dem dieses Anflugregime läuft? Die Stiftung gegen den Fluglärm hat Westlandungen  ins Spiel gebracht als Option. Schliesslich ist die Lägern nur unwesentlich höher als der Pfannenstiel und gleich weit weg, und es wohnen dort viel weniger Leute, zudem gäbe es noch die Möglichkeit des gekrümmten Nordanfluges.

ZSZ, 29.03.2014, Seite 5