Der Zürcher Kantonsrat steht Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich ablehnend gegenüber. Das ist sein gutes Recht. Inhaltlich gibt es zwar sehr gute Gründe für einen Ausbau. Im regionalpolitisch geprägten Luftfahrtdossier verhelfen bürgerliche Parlamentarier, die zuerst auf ihre Wähler schielen, dem rot-grünen Lager inklusive der GLP aber regelmässig zu Mehrheiten. Der jüngste Entscheid des Parlaments ist jedoch nicht nur inhaltlich, sondern auch demokratiepolitisch fragwürdig, um nicht zu sagen dreist. Der Kantonsrat hintergeht das Zürcher Stimmvolk, das im November 2011 mit einem Nein-Stimmen-Anteil von fast 60 Prozent ein Pistenmoratorium ablehnte. Die Mehrheit will ein konkretes Projekt beurteilen können – und kein pauschales Denkverbot verordnen. Den Kantonsrat hindert dieses klare Abstimmungsresultat freilich nicht daran, Pistenverlängerungen als Option im Richtplan gar nicht erst zuzulassen. So mit dem Wählerwillen umzugehen, ist ein starkes Stück. Wer die Menukarte bestellt und nur die Salatauswahl erhält, weil der Wirt alles andere für ungesund hält, wird diese Beiz künftig meiden.
Der Kantonsrat stellt sich ins Abseits. Er missachtet nicht nur den Wählerwillen der Zürcher, er blendet zudem die Realität aus und verschliesst die Augen vor Zukunftsszenarien, die auch in Bern und Berlin bestimmt werden. Realität ist, dass die Pistenverlängerungen im übergeordneten nationalen Sachplan für den Flughafen Zürich als Vornotierungen bereits enthalten sind und im Westen der Piste 28 eine Projektierungszone neue Bauten verhindert. Dies ist auch nötig, weil Verlängerungen der Pisten 28 und 32 nötig werden könnten – sofern Deutschland mit oder ohne Staatsvertrag die Sperrzeiten ausdehnt oder sofern die hängige Sicherheitsüberprüfung bestätigen sollte, dass mit einem Pistenausbau das System robuster würde. Es ist deshalb davon auszugehen und notabene zu hoffen, dass der Bund von seinem Genehmigungsvorbehalt gegenüber dem Zürcher Richtplan Gebrauch machen und ihn korrigieren wird.
Der Kollateralschaden für das Zürcher Stimmvolk ist, dass der Flughafen-Standort-Kanton durch das unreflektierte Vorgehen des Parlaments an Glaubwürdigkeit verliert und jene Kräfte beflügelt werden, die in der Flughafenpolitik eine Kompetenzverschiebung nach Bern fordern.
siehe auch:
Kantonsrat hebelt Volksentscheid aus VFSN
Pistenverlängerungen aus dem Richtplan gekippt (NZZ)