Fiona Hodel
Der Fluglärm ist ein Thema, welches viele Menschen beschäftigt. Das zeigt das grosse Interesse an der Infoveranstaltung in Zumikon. Über 400 Personen aus Zumikon, Zollikon und Umgebung fanden an diesem Abend den Weg in den Gemeindesaal in Zumikon. Gemeindepräsident Hermann Zangger übernahm die Begrüssung. Er selber engagiert sich seit Jahren für dieses Thema. Das Fluglärmforum Süd wurde 2002 von besorgten Bürgern gegründet. Seit da sei es gelungen, die Bevölkerung südlich des Flughafens zu motivieren, sich Gehör zu verschaffen. Seit zehn Jahren seien die Südanflüge nun Tatsache. Es scheint, als habe man sich weitgehend damit abgefunden, der Widerstand habe nachgelassen. Sehr zum Bedauern von Zangger. Umso mehr freue er sich, dass nun so viele Menschen an die Veranstaltung gekommen sind, um sich über die neu geplanten Südstarts straight zu informieren und zu signalisieren, dass es ein ernstes Thema ist. Er ist nach wie vor der Meinung, dass etwas, was vor Jahren als Notsituation deklariert wurde, nicht zur dauerhaften Situation werden dürfe. Der gebrochene Widerstand werde vom Flughafen, wie auch in Bundesbern als positives Zeichen gewertet. Es erwecke den Anschein, dass die Situation niemandem mehr schade. Darum sollen jetzt schleichend weitere Projekte folgen, welche enorme Einschränkungen und Minderungen der Lebensqualität in den Gemeinden Zumikon, Zollikon und Umgebung zur Folge haben werden.
Lufthansakonzern bestimmt
Die drohenden Südstarts straight über die am dichtesten besiedelten Gebiete im Süden schrecken offensichtlich viele Bewohner auf. Zudem wird realisiert, dass mit dem Straight 16 neu auch Gemeinden betroffen sind, die bis anhin keinen störenden Fluglärm hatten. Dazu gehört auch Zollikon und im Speziellen der Zollikerberg.
In seiner Einleitung zu den Besonderheiten des Flughafens Zürich stellt Thomas Morf fest, dass die sich kreuzenden Pisten sowohl am Boden wie in der Luft zu diversen Konfliktpunkten führen. Die Eignung dieses Systems für einen Hub-Betrieb ist daher sehr beschränkt. Mit dem Start gegen Süden geradeaus oder dem Ostkonzept könnte man diese Kreuzung minimieren oder teils gar vermeiden. Am Flughafen Zürich hat heute der Lufthansakonzern das Sagen. Für den Konzern ist Zürich ein Teil der «Triple-Hub-Strategie» zusammen mit den Flughäfen Frankfurt und München. Gemäss EDA, würden rund 70 Prozent der Flugbewegungen am Flughafen Zürich von deutschen Fluggesellschaften ausgeführt oder von solchen, die in deutschem Besitz sind. Der Flughafen Zürich nennt sich «Zurich Intercontinental Airport – das Tor der Welt». Die Statistiken der Flughafen Zürich AG zeigen aber, dass 2012 alleine 25 Prozent aller Flüge von und nach Deutschland und weitere 61,9 Prozent innerhalb Europa und nur 13,1 Prozent der Flüge interkontinental durchgeführt wurden. Thomas Morf zeigte auf, dass die Passagierzahlen in den letzten Jahren sehr stark gestiegen, aber die Zahl der Flugbewegungen stark gefallen und seit 2012 permanent rückläufig sind. «Das ist kein kurzfristiger Trend, wie von der Aviatikindustrie behauptet», meint er.
Widersprüchliche Ansprüche
Im Bericht über die Luftfahrtpolitik der Schweiz aus dem Jahr 2004 steht: «Der Flughafen Zürich soll seine Rolle als eine der grossen europäischen Drehscheiben des Weltluftverkehrs wahrnehmen können.» Dies bedeutet nichts anderes, als dass Zürich in der gleichen Liga mit Flughäfen wie Frankfurt, London Heathrow, München, Paris Charles de Gaulle, Schiphol Amsterdam und Madrid mithalten möchte. Dem gleichen Bericht kann man aber auch Folgendes entnehmen: «Obwohl Direktverbindungen eine wichtige Rolle spielen und von vielen Fluggästen grundsätzlich geschätzt werden, stellen sie keinen primären Standortfaktor dar.» Ebenfalls entnimmt man dem Bericht, «dass für den Bund die Drehscheibenfunktion des Flughafens nicht im Zentrum stehe». Die Aussagen zur Luftfahrtpolitik sind also sehr widersprüchlich und unklar. «Jeder findet in diesem Bericht, was er hören will. Befürworter und Gegner eines gigantischen Flughafens», meint Thomas Morf.
103 Flugbewegungen pro Stunde
Thomas Morf kritisiert die seiner Ansicht nach völlig realitätsfremde Nachfrageprognose, auf die sich der Bund und die Flughafen Zürich AG berufen. So sollen bis im Jahre 2030 406 000 Flugbewegungen in Zürich nachgefragt werden. Das bedeutet, dass ab sofort jeden Tag 21 Flugbewegungen mehr erfolgen müssen, um dies zu erreichen. Dazu wäre dann gemäss Prognose eine Spitzenkapazität von 103 Flugbewegungen pro Stunde notwendig, das heisst, alle 35 Sekunden eine Flugbewegung in Zürich. Um solche Spitzenkapazitäten zu erreichen, ist der Südstart straight zwingend notwendig. «Solche Ansprüche lassen sich nicht sachlich begründen, darum sollen nun Südstarts straight unter dem Vorwand der Sicherheit eingeführt werden.»
Alternatives Ostkonzept
Neben dem Konzept Straight 16 ermöglicht auch das Ostkonzept einen kreuzungsfreien Flugbetrieb. Bei diesem Konzept wird von Osten gelandet und die Starts erfolgen Richtung Norden. Der Nachteil des Ostkonzeptes ist, dass die Kapazität deutlich tiefer ist als beim Straight 16, aber immer noch gleich hoch wie mit den heutigen Betriebskonzepten. Der Vorteil des Ostkonzeptes ist, dass damit mit Abstand am wenigsten Menschen mit Fluglärm über dem Immissionsgrenzwert (IGW) belastet werden. Statistiken des Bundesamtes für Zivilluftfahrt zeigen, dass beim Konzept Straight 16 rund 30\'000 Personen Lärm über dem IGW ertragen müssten. Beim Ostkonzept wären es knapp 10\'000 Menschen.
Start ist lauter als die Landung
Zu berücksichtigen gelte es auch, dass Starts generell rund doppelt so laut sind wie Landungen. Zudem dürften gemäss internationalen Richtlinien (ICAO) Südstarts straight tiefer als die heutigen Landungen erfolgen. Lärmprognosen, speziell für Starts, sind sehr schwierig, da sie von verschiedenen Kriterien abhängig sind, wie vom Wetter, vom Gewicht eines Fliegers, der Gelände- und eben der Flughöhe. So oder so sei aber klar, dass es lärmig werde. «Die Anwohner der Gemeinden in und um Zollikon müssen mit Lärmemissionen rechnen, die etwa so laut sind wie die Musik in einer Disco. Die Lebens- und Wohnqualität wie auch die Gesundheit werden darunter stark leiden. Zudem werden die Seegemeinden rechtlich gesehen wahrscheinlich keinen Fluglärm haben – und damit auch keinen Anspruch auf Entschädigung», so Thomas Morf.