Andreas Schürer
Es ist eine Posse, doch sie lässt tief blicken: Die radikalen Akteure im Fluglärmstreit beginnen in Süddeutschland offenbar anzuecken.
Auf den ersten Blick ist allerdings das Gegenteil der Fall. Die Ablehnung des Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland ist in Süddeutschland parteiübergreifend stark, bis zu den Bundestagswahlen im Herbst ist das Geschäft blockiert, danach wird der Druck auf Nachverhandlungen gross sein. Einer, der gegen diesen Mainstream redet, ist nun richtiggehend an den Pranger gestellt worden: Karsten Jung, Bundestagskandidat der FDP und promovierter Theologe aus Waldshut.
Zuvor hatte sich Jung in der NZZ für das Luftverkehrsabkommen starkgemacht . Es brauche zwar noch Präzisierungen, grundsätzlich sei der Vertrag jedoch ein fairer Kompromiss. Der Flughafen Zürich sei für Südbaden wichtig, die Schweiz trage auch heute die Hauptbelastung, und in Deutschland gebe es keinen Lärm über den Grenzwerten, führte Jung ins Feld.
Dies blieb nicht ohne Widerspruch. In einem 75-seitigen Schwarzbuch wirft die Bürgerinitiative Flugverkehrsbelastung Landkreis Waldshut (BI) Jung vor, dass er mit falschen Behauptungen operiere. Interessant ist, dass die Prangerwirkung ausbleibt; stattdessen scheint sich die Bürgerorganisation zu isolieren.
Mahner in der Wüste
In ihrem Schwarzbuch vergleicht die BI Jung mit Johannes dem Täufer. Er werde ein einsamer und ergebnisloser Mahner in der Wüste bleiben, wird ihm prophezeit. Grundsätzlich spricht aus den 75 Seiten ein grosses Misstrauen gegenüber Entscheidungsträgern aus der Schweizer Politik und dem Flughafen Zürich. Jung übersehe, dass diese den interpretationsbedürftigen Staatsvertrag zu ihren Gunsten ausnützen würden, schreibt die Bürgerinitiative. Sie warnt etwa vor Starts über den Landkreis Waldshut, vor Zusatzbelastungen wegen niedrigerer Flughöhen und vor verminderter Nachtruhe.
Ein Dialogangebot von Jung lehnt die Vereinigung ab, wie das Schwarzbuch zeigt: «Zu einem Gespräch stehen wir erst zur Verfügung, wenn wir voraussetzen können, dass der Gesprächspartner mindestens Grundkenntnisse über die komplexen Zusammenhänge im Flugverkehr erworben hat.»
Der angeprangerte Jung nimmt die Vorwürfe mit Humor. Gegenüber der NZZ sagt er: «Es ist putzig, dass die sich so intensiv mit mir befassen.» Das Schwarzbuch enthalte eine Mischung aus wilden Spekulationen und unbewiesenen Behauptungen in pseudowissenschaftlichem Gewand. Amüsiert zeigt er sich über den Vergleich mit Johannes dem Täufer, habe der doch eine enorm grosse Wirkung entfaltet. Kritik geerntet habe dieser einzig von Pharisäern seiner Zeit, die auf Gesetze und Durchführungsverordnungen gesetzt hätten, statt auf Freiheit und Liebe. «Auch insofern ist der Vergleich also durchaus passend», meint Jung.
Nicht einsam, sondern gestützt
Einsam sei er auch nicht, versichert der FDP-Politiker. Zwar sei er für eine gewisse Sorte Kommunalpolitiker eine Persona non grata. In der Partei werde er auf Kreis- und Landesebene aber gestützt. Auch die aufgrund der Aktualität erhaltenen Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien grossmehrheitlich positiv. Oft werde er dieser Tage angesprochen, sagt Jung, der Tenor sei eindeutig: «Man will mit den Schweizern positiv zusammenleben und -arbeiten, der Fluglärm stört nicht wirklich, die Kritik ist überzogen.» Das Thema sei für ihn ein klassisches Beispiel dafür, dass sich die öffentliche Meinung von der veröffentlichten stark unterscheiden könne: «Der Lautsprecher hat nicht immer die Mehrheit hinter sich.» Mit radikalen Massnahmen wie dem Schwarzbuch gegen ihn isoliere sich die Bürgerorganisation zusehends selber.
Diesen Eindruck hat auch die «Badische Zeitung». Sie schreibt, hinter der Bürgerinitiative stünden nur acht Aktivisten, die es sich «Stück für Stück» mit allen Parteien im Kreis Waldshut verderben würden. So beklagte jüngst Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Bundestagsabgeordnete, dass die BI die Sozialdemokraten in ihren Wahlempfehlungen hinter die CDU rangiert hatte. Ruth Cremer-Ricken kritisierte im Namen der grünen Kreistagsfraktion, die anonyme Briefkasten-Bürgerinitiative betreibe Wahlwerbung für die CDU.
In der Sache bleiben die FDP und Jung allerdings tatsächlich allein, zumindest vorläufig. Schwarzelühr-Sutter zum Beispiel sagte gegenüber der «Badischen Zeitung»: «Auch in der nächsten Legislaturperiode wird dieser Staatsvertrag noch akut sein. Nachdem ihm die Schweiz zugestimmt hat, ist die Gefahr über den südbadischen Dächern grösser denn je.»