Mit Blick auf die blockierte Ratifikation des Luftverkehrsabkommens in Deutschland und die laufenden Sicherheitsüberprüfungen ist es grundsätzlich sinnvoll, gewisse Projekte in einem vorgezogenen ersten Teil des SIL festzulegen. Wenn man aber das Knäuel an Gründen für die Etappierung sowie den beschlossenen und unterlassenen Massnahmen zu entwirren versucht, will sich kein Glücksgefühl einstellen.
Dies vor allem aus vier Gründen: Erstens ist das grundsätzliche Problem nicht gelöst. Weiterhin besteht keine Rechts- und Planungssicherheit. Zweitens ist unwahrscheinlich, dass Deutschland das Luftverkehrsabkommen in absehbarer Zeit ratifiziert – Anpassungen am Betriebssystem dürfen aus Sicherheitsgründen trotzdem nicht auf die lange Bank geschoben werden. Drittens ist störend, dass die vordringlichste Massnahme nur angedeutet, aber nicht festgesetzt wurde: die Verlängerungen der Pisten 28 und 32. Diese sind unabhängig vom Staatsvertrag mit Deutschland und hätten, mit einer anständigen Portion Mut, vorgezogen gehört. Und viertens wird mit dem Südstart geradeaus bei Nebel und Bise ohne Not ein Nebenschauplatz eröffnet, der überflüssige Verwirrung stiftet.
Handlungsdruck bleibt bestehen
Grundsätzlich ist die von Bundesrätin Doris Leuthard forcierte Etappierung des Sachplanverfahrens ein cleverer Zug. Der Flughafen erhält so einen ersten Katalog, aus dem er dringende Projekte aufgreifen und beantragen kann. Es wäre fatal, wenn wegen der politischen Grosswetterlage die pragmatische Entwicklung im Alltagsgeschäft verunmöglicht würde. Auch wenn nicht alle bodenseitigen Vorhaben unumstritten sind: Es ist wichtig, dass sie vorangetrieben werden können – allen voran die Umrollung der Piste 28, dank der die Zahl der Pisten-Querungen reduziert werden kann, sowie die Schnellabrollwege auf den Pisten 28 und 34.
Richtig an der Etappierung ist auch, dass vor der Lösung des Konflikts mit Deutschland nicht schon alle neu zulässigen An- und Abflugrouten auf Vorrat festgelegt wurden. Dass dabei die Planungssicherheit für den Flughafen, die betroffenen Gemeinden und die Bevölkerung weitgehend auf der Strecke bleibt, ist wohl oder übel in Kauf zu nehmen; ohne nachhaltige Einigung mit Deutschland ist Planungssicherheit ohnehin illusorisch. Auch aus betrieblicher Sicht ist aber mit der Etappierung kein Befreiungsschlag geglückt. Denn es geht auch ohne Lösung im bilateralen Fluglärmstreit nicht an, dass einschneidende Anpassungen am Flugbetrieb um Jahre verzögert werden.
In der im Februar vorgestellten Sicherheitsüberprüfung zum Flughafen Zürich hielten Experten unmissverständlich fest, dass namentlich die vielen Systemwechsel und die Kreuzungen der Flugzeuge in der Luft und am Boden reduziert werden müssten und dass in der Vergangenheit zu viele Kompromisse zulasten der Sicherheit eingegangen worden seien. Mögliche Massnahmen, um den komplizierten heutigen Betrieb zu vereinfachen, sind Verlängerungen der Pisten 28 und 32 und Südstarts geradeaus im Regelbetrieb, in Kombination mit Nordanflügen.
Taktische Winkelzüge
Die Pistenverlängerungen hätten darum Priorität erhalten sollen. Anders, als vom Bundesrat am Mittwoch suggeriert, stehen sie nicht im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag mit Deutschland, sondern nur mit Sicherheitsfragen. Heute können Piloten zum Starten und Landen von der Piste 32 beziehungsweise 28 auf die Piste 34 ausweichen, was jedes Mal einen Konzeptwechsel erfordert und die möglichen Fehlerquellen erhöht. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden, und es ist nicht einzusehen, warum dies verschoben werden soll. Taktische Winkelzüge, um den Ausbau unter dem Titel «Staatsvertrag» verkaufen zu können, erträgt es im emotionalen und von Misstrauen geprägtem Flughafen-Dossier nicht. Ein mutiger Entscheid wäre umso legitimer gewesen, als der Pistenausbau vom Zürcher Stimmvolk ohnehin beurteilt werden muss.
Defensiv beim Pistenausbau, offensiv beim Südstart geradeaus über Teile der Stadt Zürich, das Zürcher Oberland und die Zürichseeregion: Doris Leuthard hätte besser umgekehrt gewichtet. Denn anders als der Pistenausbau ist der Südstart geradeaus bei Nebel und Bise nicht dringlich, was verdeutlicht wird durch die diskrete Bemerkung des Flughafens, er gedenke ihn vorläufig gar nicht zu beantragen. Im Zusammenhang mit der Sicherheitsdiskussion dürfen auch die umstrittenen Südstarts kein Tabu sein. Zum jetzigen Zeitpunkt stiftet die Einführung einer «Light-Variante» bei Nebel und Bise aber mehr Verwirrung als Klärung.