Michael Schoenenberger, Bern
Einmal mehr beschäftigen Flugzeuge und wie sie fliegen die Politik. Am Mittwochabend und heute Donnerstagmorgen ging es im Nationalrat um den Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den Betrieb des Flughafens Zürich.
«Hier liegt nicht der absolute Wunschvertrag vor», sagte der Zürcher Nationalrat Max Binder (svp.) gleich zu Beginn der Debatte am Mittwoch. Binder betonte als Kommissionssprecher jedoch, dass die Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen würden. Am Flughafen Zürich herrsche, so der Präsident des Komitees «Pro Flughafen», nach der Ratifizierung wieder Rechts- und Planungssicherheit. Es gebe keine Nachverhandlungen, und die Hoffnungen, den Staatsvertrag mit anderen Dossiers verknüpfen zu können, hätten sich zerschlagen. Verwerfe die Schweiz diesen Vertrag, dann könne Deutschland einseitig Massnahmen ergreifen, sagte Binder im Namen der vorberatenden Verkehrskommission.
Gespaltene SVP
Binders Parteikollegin Natalie Rickli (svp., Zürich) sah dies anders: Der Vertrag sei zu sistieren, bis die offenen Fragen zur Lärmverteilung und zum SIL-Verfahren für die betroffenen Kantone und Regionen innerschweizerisch geklärt seien. In diesem Sinne äusserte sich auch die SVP-Fraktion in ihrer offiziellen Erklärung. Die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht, zuerst zu erfahren, was der Staatsvertrag für sie genau bedeute. Es eile zudem nicht, da der Staatsvertrag in Deutschland ja ohnehin auf Eis gelegt sei.
Noch über einen zweiten Antrag hatte die grosse Kammer zu befinden: Thomas Hardegger (sp., Zürich) forderte Rückweisung an die Kommission. Fragen zu Sicherheit und Lärmverteilung seien vorrangig zu klären. Hardegger, der auch Gemeindepräsident der Flughafengemeinde Rümlang und Vizepräsident des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich ist, sagte gar, das vorliegende Vertragswerk sei eine «eklatante Fehlkonstruktion».
Besser als einseitige Massnahmen
Nachdem praktisch alle Rednerinnen und Redner auf die unschöne Situation betreffend Fluglärm hingewiesen und ihren Widerwillen bekundet hatten, erinnerte Bundesrätin Doris Leuthard den Rat am Donnerstagmorgen daran, dass ein Staatsvertrag die wesentlich bessere Lösung sei als die einseitige deutsche Verordnung. Die heutige Situation sei unwürdig. Auch betonte die Verkehrsministerin, dass die Ratifizierung des Staatsvertrags am SIL-Prozess «nichts Wesentliches» ändere. «Mit diesem Vertrag sind keine Kapazitätssteigerungen vorgesehen», sagte Leuthard. Es gehe um den Erhalt der heutigen Kapazitäten.
Der Rat folgte den Argumenten der Bundesrätin: Der Antrag Rickli auf Sistierung wurde mit 113 gegen 71 Stimmen (3 Enthaltungen) abgelehnt. Durch die Fraktionen der SVP und der SP ging in dieser Frage ein Graben. Und auch der Antrag Hardegger auf Rückweisung hatte letztlich keine Chance: Nein dazu mit 115 gegen 71 Stimmen (bei 2 Enthaltungen). Für die Rückweisung gestimmt haben SP und Grüne.
Walter zieht Antrag zurück
Sympathien erntete in der Detailberatung ein Antrag von SVP-Nationalrat Hansjörg Walter. Er wollte, dass in den Staatsvertrag eine Bestimmung aufgenommen wird, die besagt, dass der Bundesrat bei der Umsetzung des Vertrags auf eine «angemessene regionale Verteilung sämtlicher Flüge» zu achten hat. Doris Leuthard mahnte mit Blick auf den Thurgauer Walter davor, hier für einzelne Kantone und Regionen Interessenpolitik zu betreiben.
Am Abend stehe für den Bund das Ostkonzept tatsächlich im Vordergrund, sagte die Bundesrätin. Man werde aber auch die Situation am Pfannenstil (also im Süden) noch genau anschauen. Und überhaupt könne sie versichern, dass eine faire regionale Verteilung dem Bund wichtig sei. Walter zog seinen Antrag nach den Erklärungen der Verkehrsministerin zurück.
Letztlich stimmte der Nationalrat mit 110 zu 66 Stimmen (8 Enthaltungen) dem Staatsvertrag zu. Damit ist der Vertrag bereit für die Schlussabstimmung. Und der Bundesrat ist wohl bald ermächtigt, den Staatsvertrag mit Deutschland zu ratifizieren.
Grüne Politik
Interessant war der Graben, den die Grünen und die Grünliberalen entzweite. Die Grünen lehnten den Staatsvertrag ab, um ihrer prinzipiellen Abneigung gegen den Luftverkehr Ausdruck zu verleihen. Auch der Präsient der Grünliberalen, Martin Bäumle, wies auf die hohen Emissionen des Luftverkehrs hin. Doch er schloss trotzdem: «Wir werden mit einem Zähneknirschen zustimmen, das man bis Hamburg hören wird.»