Den Flughafen Zürich entlasten (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Bürgerliche Zürcher Nationalräte stützen die Pläne des Bundes, den Flugplatz Dübendorf weiterhin fliegerisch zu nutzen. Bern weist die Vorwürfe der Zürcher Regierung zurück, sie sei übergangen worden. Kritiker wittern trotzdem einen Geheimplan.

Andreas Schürer

Der Furor wird am Montag nochmals aufleben. Passend zur Aktualität ist im Zürcher Kantonsrat das Postulat der SP, GLP und EVP traktandiert, das sich gegen Kleinfliegerei auf dem Flugplatz Dübendorf richtet. Alle Parteien ausser der SVP haben sich am Donnerstag empört gezeigt über den Entscheid des Bundes, für den Flugplatz Dübendorf einen Betreiber zu suchen, der während 20 Jahren die fliegerische Nutzung sicherstellt (NZZ 1. 3. 13). Absehbar ist, dass die Parteien die Nachricht auch über das Wochenende nicht verdauen – und dem Bund wortgewaltig die Leviten lesen, den Innovationspark beschwören und vor einem Kapazitätsausbau am Flughafen Zürich warnen werden. Jürg Trachsel, Fraktionspräsident der SVP, macht sich auf einen einsamen Kampf für die fliegerische Nutzung auf dem Gelände des Bundes gefasst. Er sagt: «Es wird wohl eine grosse Aufregung geben – aber die Argumente werden nicht wahrer, wenn man auf Gelände plant, das einem gar nicht gehört.»

«Blauäugiger Regierungsrat»
Gegendruck kommt auch von bürgerlichen Zürcher Bundesparlamentarier. Der FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger spricht von einem weisen Entscheid des Bundesrats: «Auf den ersten Blick mag er verwirrend erscheinen, aber langfristig ermöglicht er dem Luftraum Zürich mehr Flexibilität und auch Gestaltungsmöglichkeiten für künftige Generationen.» Max Binder, SVP-Nationalrat und Stadtrat von Illnau-Effretikon, hält die Pläne des Bundes für wegweisend. Die Aufregung in Zürich sei nicht nachvollziehbar, da die Bestrebungen bekannt gewesen seien, in Dübendorf die weitere fliegerische Nutzung sicherzustellen. Namentlich der Zürcher Regierungsrat sei sehr blauäugig, wenn er sich übergangen fühle.

Ganz anders wertet die Vorgänge Martin Bäumle, GLP-Nationalrat und Stadtrat von Dübendorf. Der Entscheid sei nicht nachvollziehbar und nur so zu erklären, dass sich entweder im Bundesrat spontan eine unprofessionelle Allianz gebildet habe oder dass die Flughafenlobby gut orchestriert die Nutzung Dübendorfs als vierte Piste Zürichs vorbereite. Die GLP werde auf allen Stufen dafür kämpfen, dass die Pläne des Bundes in der Schublade verschwänden und stattdessen ein Innovationspark verwirklicht werde, da dieser mit einer fliegerischen Nutzung nicht kompatibel sei.

Insgesamt mehr Flugverkehr
Überrascht von der Reaktion der Zürcher Regierung zeigt sich das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Dessen Sprecher Anton Kohler sagt, dem Zürcher Regierungsrat sei der Bericht «Militärisch-zivilaviatische Mischnutzung des Flugplatzes Dübendorf» schon länger bekannt gewesen. In diesem wird explizit das Modell favorisiert, das eine Abgabe der zentralen Aufgaben an einen zivilen Flugplatzbetreiber und den Rückzug der Luftwaffe auf eine Bundesbasis mit Helikopterbetrieb und Lufttransportdienst vorsieht. Aus aviatischer Sicht bringt eine solche neue Ausrichtung laut Kohler mehrere Vorteile. Zum einen könne der Flughafen Zürich, der laut aktuellen Prognosen zwischen 2020 und 2030 an die Kapazitätsgrenzen stösst, von der General Aviation entlastet werden. Zum andern habe der neue Sicherheitsbericht aufgezeigt, dass eine Konzentration auf den Linien- und Charterverkehr die Komplexität am Flughafen Zürich reduzieren könne. Aus Sicht der General Aviation wäre ein Umzug nach Dübendorf willkommen, weil sie in Zürich zunehmend verdrängt wird und die Sicherheitsbestimmungen rigoros sind.

Eine vollständige Auslagerung der General Aviation nach Dübendorf wird allerdings auch mit dem vom Bund favorisierten Modell nicht möglich sein. Im Jahr 2012 wickelte der Flughafen Zürich knapp 39 000 Flugbewegungen der General Aviation ab. Nach dem vorgeschlagenen Modell «Flugfeld mit Bundesbasis» soll die Zahl der zivilen Flugbewegungen in Dübendorf auf 18 000 jährlich limitiert werden, hinzu kommen rund 7600 militärische Flugbewegungen, davon 6000 Helikopterflüge. Zum Vergleich: Heute finden am Flugplatz Dübendorf jährlich rund 14 000 Flugbewegungen statt. Bazl-Sprecher Kohler sagt: «Insgesamt wird es nach diesem Modell schon mehr Bewegungen im Raum Zürich geben – schlicht und einfach deshalb, weil der Flugverkehr voraussichtlich generell zunehmen wird.»

Noch viel Diskussionsbedarf
Kein Verständnis hat Kohler für den Vorwurf, der Kanton Zürich sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die Zürcher Regierung sei bereits im Mai 2012 ein erstes Mal von Bundesrat Ueli Maurer und Bundesrätin Doris Leuthard über die Abklärungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Militärflugplatz Dübendorf informiert worden. Regierungspräsident Markus Kägi habe im August die Nutzungsstudie erhalten, und Regierungsrat Ernst Stocker habe im Oktober schriftlich dazu Stellung genommen. An einer Aussprache von Bundesrätin Doris Leuthard mit der Zürcher Regierung im November 2012 sei das Thema ein weiteres Mal angesprochen worden.

Dazu kommt laut Kohler: Die zuständigen Behörden und die Bevölkerung haben noch reichlich Gelegenheit, sich zum Vorhaben zu äussern. So sei erstens klar, dass die vorgesehene zivilaviatische Nutzung die Eröffnung eines eigenen Sachplanverfahrens für den Flugplatz Dübendorf nach sich ziehe. Zweitens müsse diese Nutzung mit dem Richtplan des Kantons Zürich abgestimmt werden. Für Diskussionsstoff sei also gesorgt, und klar sei auch: «Gegen den Willen des Standortkantons und der Anrainergemeinden lassen sich weder der Flughafen Zürich noch der Flugplatz Dübendorf betreiben.»

Originalität bewahren
Etwas gar weit gehen die Pläne des Bundes für John R. Hüssy, Leiter der Task-Force Flugplatz Dübendorf. Ein Meilenstein sei zwar der Grundsatz-Entscheid, den Flugplatz weiterhin fliegerisch zu nutzen. Eine weitgehende Verlagerung der General Aviation nach Dübendorf lehne er aber ab, auch wenn es weltweit einzigartig sei, dass ein intakter Flugplatz in unmittelbarer Nähe zu einem Grossflughafen selbständig funktioniere. Anzustreben sei, dass der Flugplatz seine aviatische Originalität mit eingeschränkten Betriebszeiten erhalten könne. Die Stossrichtung des Bundes sei aber richtig: Eine militärisch-zivilaviatische Mischnutzung weise den höchsten volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen aus.

NZZ, 02.03.2013



Spekulationen um neuen Betreiber

asü. Der Bund sucht einen Betreiber, der auf dem Flugplatz Dübendorf sein favorisiertes Modell umsetzt. Hinter vorgehaltener Hand machen Experten beim Bund kein Geheimnis daraus, wen sie für den geeignetsten Bewerber halten: den Flughafen Zürich. Dieser lässt sich selber nicht in die Karten blicken. Zu vieles sei noch unklar.

Laut dem «Tages-Anzeiger» hat sich bereits die Stiftung Museum und historisches Material der schweizerischen Luftwaffe beworben. Laut dem Bund ist allerdings das Einladungsverfahren noch gar nicht gestartet. Zuerst müssten nun die Eckwerte der Ausschreibung definiert werden. Die Präsidentin der Stiftung, alt Regierungsrätin Rita Fuhrer, stellt klar, dass ihre Organisation im vergangenen November dem Bund angeboten habe, über eine neu zu gründende Betreibergesellschaft die Koordination eines zivilen Flugbetriebs zu übernehmen. Die Stossrichtung des damals von der Stiftung eingereichten Konzepts sei allerdings nicht auf die gegenwärtigen Pläne des Bundes ausgerichtet, von denen sie gar nicht gewusst hätten. Fuhrer schwebt vor, den Flugplatz Dübendorf nicht verganden zu lassen, um ihn als Notfallszenario für die Luftwaffe zu erhalten, und ihn gleichzeitig so zu betreiben, dass flugnahes Gewerbe auf die Rechnung kommt, Rettungskräfte Platz haben und die Bevölkerung Freude hat – beispielsweise mit Flügen der Ju-Air.

Klare Vorstellungen hat auch der Luftfahrtdachverband Aerosuisse. Laut Vizepräsident Dieter Neupert soll die Zahl der Flugbewegungen in Dübendorf nicht erhöht werden, sondern bei den heutigen rund 14\'000 stagnieren. Ziel müsse ein bevölkerungsverträglicher Flugplatz mit hoher Wertschöpfung sein. Als Kandidaten für Verbündete in einer Betriebsgesellschaft sieht er Firmen und Organisationen wie Jet Aviation, Execujet, Ruag, Rega oder Air Service.

NZZ, 02.03.2013, Seite 19




siehe auch:
Bundesrat prüft Dübendorf zivilaviatisch weiter zu nutzen (BAZL)
In Dübendorf soll weiterhin geflogen werden (NZZ)
Zürcher Politiker wetzen die Messer (TA)
Rita Fuhrer will mit ihrer Stiftung den Flugplatz betreiben (TA)
«Fluglärmdiskussion wird verschärft» (NZZ)
Wie die Fliegerlobby für den Flugplatz Dübendorf kämpfte (TA)
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