Interview: Andreas Schürer
Herr Stocker, der Regierungsrat reagiert heftig auf den Entscheid des Bundes, dass vorderhand an einer aviatischen Nutzung des Flugplatzes Dübendorf festgehalten werden soll. Das sei unverständlich, nicht nachvollziehbar. Warum so angriffig?
Wenn man etwas nicht versteht, muss man es auch klar sagen. Das Vorgehen des Bundes ist stossend. Der Entscheid, am Flugplatz Dübendorf neu die zivile Fliegerei zuzulassen, hat regional einschneidende Konsequenzen. Der Kanton und die Standortgemeinden wurden aber nicht einmal angehört.
Der Bund will die aviatische Nutzung des Flugplatzes Dübendorf nicht frühzeitig aufgeben. Vor dem Hintergrund, dass der Flughafen Zürich bald Engpässe aufweisen dürfte, erscheint dieser Entscheid durchaus vernünftig.
Das sehe ich ganz anders. Es ist sehr schwierig, im dichtbesiedelten Glatttal zwei zivil-aviatische Infrastrukturen zu betreiben. Zudem schafft der Entscheid zusätzliche Unsicherheit. Dabei haben wir mit dem Fluglärmstreit mit Deutschland, der Sicherheitsüberprüfung des Flughafens Zürich und dem Sachplan-Verfahren schon genug offene Baustellen.
Trotzdem: Die General Aviation wird wohl bald vom Flughafen Zürich verdrängt – aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen. Da wäre es doch unklug, die nahe gelegene aviatische Infrastruktur in Dübendorf ohne Not stillzulegen.
Die Zahl der Flugbewegungen am Flughafen Zürich ist rückläufig, letztes Jahr um 3,2 Prozent. Diese Tendenz wird voraussichtlich anhalten, weil die Fluggesellschaften unter Druck stehen, grössere Maschinen einzusetzen und die Auslastung zu verbessern. Ob es zudem aus Sicherheitsgründen sinnvoll ist, so nahe beim Flughafen Zürich eine zusätzliche Piste für die zivile Fliegerei zu eröffnen, halte ich für fragwürdig.
Sie haben zwei Hüte an: Als Verwaltungsrat des Flughafens Zürich sind Sie wohl froh um diesen Entscheid des Bundes – und müssen nun prüfen, ob sich der Flughafen als Betreiber des Flugplatzes Dübendorf bewerben soll.
Der Flughafen Zürich hat gegenüber dem Kanton gesagt, dass er kein Interesse habe, eine weitere Piste in Dübendorf zu betreiben. Das ist wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Wenn in Dübendorf tatsächlich ein ziviles Flugfeld für die Geschäfts- und Leichtfliegerei geschaffen würde, was bedeutete das für den Zürcher Fluglärm-Index (ZFI) und für die Fluglärmdiskussion im Kanton Zürich?
Zunächst schafft es grosse Unsicherheit, die nicht nötig wäre. Unabhängig vom ZFI wird so die Fluglärmdiskussion natürlich verschärft. Der Regierungsrat ist klar der Meinung, dass es in diesem stark wachsenden Gebiet keinen zweiten Flugplatz mit zivilem Flugbetrieb erträgt. Es ist politisch heute schon schwierig genug, den Flughafen Zürich zu betreiben.
Zivile Fliegerei am Flugplatz Dübendorf ist gegenwärtig planerisch nicht gesichert. Was würde ihre Auslagerung nach Dübendorf für die Arbeiten am Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) für den Flughafen Zürich bedeuten?
Es würde den SIL-Prozess massiv verzögern. Noch nicht klar ist, ob für den Flugplatz Dübendorf ein eigener SIL-Prozess gestartet werden müsste oder ob diese Neunutzung im laufenden Verfahren bezüglich des Flughafens Zürich integriert werden könnte. Auch hier gilt, dass vollkommen unnötig eine Pandorabüchse geöffnet wird.
Der Bund spricht davon, dass neben der zivilen Fliegerei in Dübendorf Raum für andere Nutzungen bleiben könnte. Vielleicht ist ein Innovationspark ja doch möglich.
Das ändert nichts an unserem Widerstand gegen die zivile aviatische Nutzung des Flugplatzes Dübendorf. Aber den Innovationspark haben wir auf jeden Fall noch nicht abgeschrieben. Sollte der Bund tatsächlich an der aviatischen Nutzung festhalten, muss er mindestens eine Fläche von 30 bis 50 Hektaren freihalten, um diesen Innovationspark zu ermöglichen, den wir gemeinsam mit der Universität Zürich und der ETH realisieren wollen.
Geeinte Empörung in Zürich
Heftige Reaktionen auf Bundesratsentscheid
Kantonsregierung, Standortgemeinden, Parteien: Alle kritisieren die Pläne des Bundesrats scharf. Lob gibt es einzig aus Aviatik-Kreisen.
asü. Der Entscheid des Bundesrats zur künftigen Nutzung des Flugplatzes Dübendorf hat in Zürich heftigen Protest ausgelöst. Die Zürcher Regierung bezeichnet es in einer Mitteilung als nicht nachvollziehbar, dass in Dübendorf ein ziviles Flugfeld für die Geschäftsfliegerei und die Leichtaviatik entstehen soll. Der Regierungsrat verweist darauf, dass er sich mehrfach gegen eine aviatische Nutzung des Flugplatzes Dübendorf ausgesprochen habe. Er erwarte vom Bundesrat, dass er bereits kurzfristig die Erstellung eines Innovationsparks am Kopf des Flugplatzes Dübendorf ermöglichen werde.
Stossend findet das Vorgehen des Bundes auch Lothar Ziörjen, Stadtpräsident von Dübendorf und BDP-Nationalrat. Er habe von den Plänen am Donnerstagmorgen erfahren, was angesichts ihrer Tragweite ein Affront sei. Den Flugplatz Dübendorf für die zivile Fliegerei zu öffnen, sei ein inakzeptabler Paradigmenwechsel. So werde Dübendorf zur vierten Piste des Flughafens Zürich. Ziörjen hält an der Forderung nach einem Innovationspark fest.
Das Fluglärmforum Süd, die Plattform der Gemeinden im Süden, sieht eine neue Eskalationsstufe im Flughafen-Konflikt erklommen. Das Vorgehen sei einem föderalistischem System unwürdig. Der Bundesrat müsse umgehend Stellung beziehen, warum er den Kanton Zürich und seine Bevölkerung so brüskiere.
Kritik muss der Bundesrat auch von den Zürcher Parteien einstecken. Die FDP spricht von einem brüskierenden Entscheid, der die Schaffung eines Innovationsparks hintertreibe, für die EVP ist das Vorgehen des Bundes selbstherrlich und stillos. Die SP fürchtet, dass wegen einer Verlagerung der Kleinfliegerei die Kapazität des Flughafens Zürich gesteigert werde. Die CVP ruft dazu auf, dass sich der Bund nun dringend mit dem Kanton und den Anrainergemeinden zusammensetzen müsse – sonst drohe lang andauernde Planungs- und Rechtsunsicherheit. Die Grünen künden vehementen Widerstand an gegen die geplante zivilaviatische Nutzung in Dübendorf.
Positiver ist das Echo aus der Aviatik-Branche. Der Flughafen Zürich hält es laut Sprecherin Sonja Zöchling für richtig, dass die aviatische Infrastruktur in Dübendorf nicht stillgelegt werden soll. Was die Pläne für den Flughafen Zürich bedeuteten, sei noch nicht abzuschätzen, da vieles noch unklar sei.
Als weitsichtig bezeichnet die Pläne des Bundesrats das Forum Flugplatz Dübendorf. So werde künftigen Generationen Handlungsspielraum offen gehalten – die drohende Zubetonierung könne so abgewendet werden. Die Aerosuisse, der Dachverband der Schweizer Luft- und Raumfahrt, zeigt sich überzeugt, dass sich ein geeigneter Betreiber finden lässt, der dank zivil-militärischer Mischnutzung auch für substanzielle Beiträge an die Betriebskosten sorgen könne.
siehe auch:
Bundesrat prüft Dübendorf zivilaviatisch weiter zu nutzen (BAZL)
In Dübendorf soll weiterhin geflogen werden (NZZ)
Zürcher Politiker wetzen die Messer (TA)
Rita Fuhrer will mit ihrer Stiftung den Flugplatz betreiben (TA)
Wie die Fliegerlobby für den Flugplatz Dübendorf kämpfte (TA)
Den Flughafen Zürich entlasten (NZZ)
Wie der Kanton Zürich einen Zivilflughafen Dübendorf verhindern kann (TA)