Der Bund erwägt Klimaabgabe für Airlines (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Flugverkehr ist eine CO2-Schleuder. Dennoch ist er kein Bestandteil internationaler Klimaschutzabkommen. Die Schweiz will sich an der Klimakonferenz in Doha dafür einsetzen, dass sich das ändert.

54 Millionen Tonnen Treibhausgase entweichen in der Schweiz jährlich in die Luft: So weisen es die Statistiken des Bundes aus. Doch in der Rechnung fehlt der Ausstoss des internationalen Flugverkehrs – nicht zufällig. Im Klimaschutz geniesst das Fliegen einen Sonderstatus. Flüge ins Ausland sind kein Bestandteil des Klimaschutzabkommens von Kyoto. Flössen sie in die Bilanz, kämen in der Schweiz 4,3 Millionen Tonnen CO2 dazu. Bestimmen lässt sich diese Menge anhand des getankten Treibstoffs in der Schweiz für alle Auslandflüge. So berechnet, liegt der Ausstoss in der Schweiz bei total 58,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (die Inlandflüge machen 0,25 Tonnen aus). Mit knapp 8 Prozent trägt der internationale Flugverkehr damit überdurchschnittlich viel zu den Emissionen in unserem Land bei; weltweit sind es zwischen 2 und 3 Prozent.

Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen der Schweiz zu werten, wenn am nächstem Montag in Katars Hauptstadt Doha die UNO-Klimakonferenz beginnt. Es stellt sich unter anderem die Frage, ob die Schweiz darauf drängen soll, dem Flugverkehr Reduktionsverpflichtungen aufzuerlegen. Ende Jahr läuft Kyoto aus, und noch ist kein internationaler Konsens zu einer weiteren Verpflichtungsperiode gefunden.

Überproportional schädlich

Die Frage scheint umso dringlicher, als der Flugverkehr als besonders klimaschädlich gilt: Er wächst seit 9/11 nicht nur wieder stark und droht damit auf anderen Feldern eingesparte Emissionen aufzuwiegen. Weil Flugzeuge bis in grosse Höhen aufsteigen, kommen nebst dem Ausstoss von Treibhausgasen weitere klimawirksame Prozesse dazu, etwa die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, die erwärmend wirken. Gemäss WWF Schweiz ist der Klimaeffekt des Flugverkehrs etwa doppelt so hoch wie sein Anteil an den Emissionen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) will sich mit Verweis auf laufende wissenschaftliche Studien nicht auf eine Zahl festlegen, bestätigt aber, dass der Effekt «höher liegen dürfte».

Welche Position die Schweiz beim Flugverkehr einnehmen soll, ist umstritten. Bürgerliche Energiepolitiker warnen davor, vorzupreschen. Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP) ist der Meinung, die Reduktionsverpflichtungen könnten nur im globalen Kontext erfolgen. Zudem trügen die modernsten Flugzeugtypen heute schon viel dazu bei, Treibstoff zu sparen. Mehr Tempo fordert hingegen Bastien Girod (Grüne): Emissionen aus dem Flugverkehr sollen ab sofort kompensiert werden – mit Klimaschutzprojekten, an die der Fluggast einen finanziellen Beitrag leisten müsste. Anders als Wasserfallen hält Girod einen Anschluss der Schweiz ans Emissionshandelssystem ETS der EU für sinnvoll: «Weil die Schweiz beim Klimaschutz im Flugverkehr derzeit nichts macht, wäre dies bereits ein grosser Fortschritt.»

Zertifikate für Europa

Fluggesellschaften, die in der EU starten und landen, müssen seit Januar für ihre Luftverschmutzung Zertifikate erwerben. Dies hat jedoch umgehend zu scharfen Protesten geführt, nicht nur von Staaten wie den USA, Russland, Indien und China, deren Fluglinien die Abgabe bei Europaflügen bezahlen müssen. Noch härter trifft es die europäischen Airlines, die gegenüber der Konkurrenz aus Asien und dem Nahen Osten ohnehin schon laufend an Terrain verlieren und sich zu drastischen Sparübungen gezwungen sehen; sie müssen die Abgabe bei jedem Flug bezahlen.

Als Reaktion darauf hat EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard den 27 EU-Mitgliedsstaaten jüngst empfohlen, die Integration der Airlines ins EU-ETS um ein Jahr auszusetzen. Ein Ergebnis in den internationalen Gesprächen über verbindliche Klimaschutzvorgaben sei «in greifbare Nähe gerückt», begründet sie ihren Vorschlag, den die EU-Staaten noch absegnen müssen. Falls die Zustimmung ausbleiben sollte, wird die EU-eigene Abgabe für die Flugzeuge gemäss Hedegaards Plan ab 2014 wieder eingeführt.

Gegen den Willen der Swiss

Tatsächlich bestehen Pläne, das Problem global zu lösen. Treiber ist die internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), der auch die Schweiz angehört. Die Regulatorin für die Luftfahrt hat die Kompetenz, bindende Regeln aufzustellen, welche die Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Bis in einem Jahr, so das Ziel, soll ein globales Abkommen zur CO2-Reduktion des Flugverkehrs vorliegen.

Die Airline Swiss begrüsst diese Bestrebungen. Auch die Delegation des Bundes, die nach Doha reist, setzt ihre Hoffnungen auf multilaterale Prozesse. «Um das Klimaproblem zu lösen, muss auch der Luftverkehr seinen Beitrag leisten», sagt Botschafter Franz Perrez vom Bafu, Leiter der Klimaverhandlungsdelegation in Doha. Die Schweiz habe diese Haltung «immer klar» vertreten und werde das auch in Doha so machen. Die internationale Gemeinschaft solle verbindliche Reduktionsziele beschliessen und die Icao deren Umsetzung begleiten, fordert Perrez.

Gefahr einseitiger Benachteiligung

Daneben zeigt der Bund aber auch Interesse an einem Beitritt zum EU-ETS. Anders die Swiss, die bei einer rein europäischen Lösung Wettbewerbsverzerrungen befürchtet. «Wir befürworten globale Massnahmen», sagt eine Sprecherin. Auch der Flughafen Zürich warnt vor der Gefahr einseitiger Benachteiligungen und verweist auf die Bemühungen der Luftfahrbranche beim Klimaschutz. Iata, der Verband der Fluggesellschaften, etwa will bis 2050 gegenüber 2005 die CO2-Emissionen um 50 Prozent reduzieren, dies unter anderem dank des technischen Fortschritts. Umgerechnet auf die Schweiz dürften die Emissionen des internationalen Flugverkehrs noch rund 2 Millionen Tonnen CO2 betragen. Zum Vergleich: Das geplante Gaskraftwerk Chavalon VS wird pro Jahr etwa 1 Million Tonnen CO2 ausstossen.

Tages-Anzeiger, 23.11.2012


Kommentar VFSN: Besser als kompensieren (moderner Ablasshandel) ist vermeiden. Ein Schritt in diese Richtung: ZRH_2020.




siehe auch:
Privilegien abschaffen! (TA)