Andreas Schürer
Der Zürcher Fluglärmindex (ZFI), dessen Richtwert bereits dreimal überschritten wurde, ist nicht gerade beliebt bei flughafennahen Organisationen. Doch nun, just vor der innerschweizerischen Diskussion über die Umsetzung des Staatsvertrags mit Deutschland, entdecken Kritiker auch positive Seiten an dem Monitoring-Instrument, das im Jahr 2007 vom Zürcher Stimmvolk angenommen wurde, um die Belastung durch Fluglärm in Schranken zu halten.
Christian Bretscher, Geschäftsführer des Komitees Pro Flughafen, sagt: «Der ZFI-Richtwert kann nur eingehalten werden, wenn der Lärm dort konzentriert wird, wo möglichst wenig Leute betroffen sind.» Im Klartext heisst das laut Bretscher in Bezug auf die jährlich rund 20\'000 Anflüge, welche die Schweiz ab dem Jahr 2020 neu zu verteilen hat: «Sie müssen mit dem gekröpften Nordanflug und mit mehr Ostanflügen abgewickelt werden.» Im Sachplan Luftfahrt Infrastruktur (SIL) habe sich gezeigt, dass die Variante mit mehr Ostanflügen am lärmgünstigsten sei. Würde der Lärm in alle Regionen verteilt und der Süden nicht entlastet, sei dies nicht ZFI-kompatibel, sagt Bretscher.
Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion hält solche Erwägungen für spekulativ. Ihr Sprecher Erich Wenzinger meint, dass schwer abschätzbar sei, wie sich die Umsetzung des Staatsvertrags ab 2020 auf den ZFI auswirken werde. Da der Monitoringwert auch von der Bevölkerungsentwicklung, der Zahl der Flugbewegungen und des Flottenmixes abhänge, seien Prognosen mit Vorsicht zu geniessen.
Keine Anpassung geplant
Klargemacht hat der Regierungsrat, dass er grundsätzlich am ZFI festhalten will. Eine Revision oder gar eine Abschaffung komme nicht in Frage, schreibt er in einer am Donnerstag publizierten Antwort auf eine Interpellation der CVP. Der ZFI sei ein aussagekräftiges Monitoring-Instrument. Offen sei noch, welche Rolle er in der im Staatsvertrag vorgesehenen grenzüberschreitenden Luftverkehrs-Kommission spielen werde, schreibt die Regierung.
Für Thomas Koller, Geschäftsführer des Komitees Weltoffenes Zürich, ist der ZFI ein Beurteilungsinstrument langfristiger Entwicklungen – «um das Ziel zu erreichen, möglichst wenig Menschen mit Fluglärm zu belasten». Wie Bretscher beruft sich auch Koller auf den ZFI, um der Kanalisierung das Wort zu sprechen: «Der Index wird nicht explodieren, wenn auf den gekröpften Nordanflug und vermehrte Ostanflüge gesetzt wird.»
«Verlogene Argumentation»
Nicht infrage kommt dieses Szenario für die Kantonsrätin Gabriela Winkler (fdp., Oberglatt). Sie meint: «Ein Zumiker Ohr ist nicht empfindlicher als ein Nürensdorfer oder ein Aargauer.» Die zusätzliche Belastung komme für alle Regionen unerwartet, es brauche deshalb eine faire Verteilung. Dass nun der ZFI ins Feld geführt werde, um den Süden zu entlasten, hält Winkler für unehrlich: «Da stecken abstimmungstaktische Überlegungen dahinter – die Pistenverlängerungen werden nur angenommen, wenn der Süden zustimmt.» Auch für Kantonsrat Ruedi Lais (sp., Wallisellen) ist die Argumentation «der Flughafen-Lobby verlogen». Solange Wachstums-Phantasien und Pistenverlängerungen im Raum stünden, könne keine ehrliche Diskussion geführt werden. Robert Brunner (gp., Steinmaur) glaubt nicht, dass eine Entlastung des Südens den ZFI positiv beeinflussen würde, da in dieser Region kaum Emissionsgrenzwerte überschritten würden. Umso mehr ärgert er sich: «Das Gejammer im Süden ist langsam unerträglich.»
Unklug findet die FDP-Kantonsrätin Winkler, dass die Regierung am ZFI festhalten will: «Dieses Instrument hat sich als wenig tauglich erwiesen.» Wegen der zusätzlichen Belastungen, die Zürich übernehmen müsse, zeichne sich die Überschreitung des Richtwerts ab – fatalerweise könne dies die Entwicklung des Flughafens gefährden.
Enttäuscht von der Stellungnahme der Regierung ist auch der Erstunterzeichner der Interpellation, Jean-Philippe Pinto (cvp., Volketswil). Der Regierungsrat drücke sich um klare Aussagen bezüglich der Auswirkungen des Staatsvertrags. Zudem gehe er mit keinem Wort auf seine Forderung ein, Neuzuzüger nicht mehr im Monitoringwert einzurechnen, da diese ja freiwillig in die Nähe des Flughafens zögen. Pinto meint: «Offensichtlich hofft die Regierung einfach darauf, dass die Flugzeuge immer leiser werden – und sich das Problem in Luft auflöst.»