Arroganz aus dem Norden (WZ)

Publiziert von VFSNinfo am
WALDSHUT: Deutsche Fluglärmaktivisten verhöhnen Schweizer Regierungsmitglieder

Einst wollte der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück «die Kavallerie« schicken, um der Schweiz in Sachen Lockerung des Bankgeheimnisses «Beine zu machen«. Doch auch wenn es um den Fluglärm geht, kennt die Arroganz aus dem nördlichen Nachbarland kaum Grenzen, wie neueste Beispiele belegen.

«Die Aussenministerin der Schweiz, Micheline Calmy Rey, hat am 6. August 2011 beim Treffen mit Guido Westerwelle erneut versucht die Fluglärmproblematik, oder richtiger, die Anzahl der Überflüge über deutsches Gebiet als Teil eines Paketes darzustellen. Das Ziel dieser Vorstösse ist es, Druckmittel zu entwickeln mit der Folge, dass keines der «verpackten» Probleme sachgerecht gelöst wird. Ein typisch schweizerischer Kompromiss.« Mit diesen Worten verhöhnt die «Bürgerinitiative Flugverkehrsbelastung Landkreis Waldshut e.V. » (BFLW) den Positionsbezug von Bundespräsidentin Calmy Rey, welche bei einem Treffen mit ihrem deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle klar gemacht hat, dass nicht jedes Problem, dass zwischen den beiden Ländern besteht, isoliert betrachtet werden kann. Auch neben dem vor dem Abschluss stehenden Abgeltungssteuerabkommen sei in bilateralen Fragen «eine konstruktive, sachliche und lösungsorientierte Haltung » erforderlich, so etwa bei der Lärmproblematik um den Flughafen Zürich oder beim Ausbau der Rheintalbahn als Zulaufstrecke der Neat. «Es geht in beiden Fragen auch um Interessen Deutschlands», sagte die EDA-Chefin. Der Flughafen Zürich sei auch für die süddeutsche Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor. Bei der Neat handle es sich um ein Projekt zur Steigerung der Nord-Süd-Verkehrskapazitäten von überregionaler, ja europäischer Bedeutung. Die Zürcher Regierungspräsidentin Ursula Gut, die kürzlich in Begleitung von Regierungsrat Markus Kägi die Haltung der Zürcher Regierung in der Stuttgart dargelegt hat, wird von der BFLW als «uninformiert» diskreditiert. «Wir können uns vorstellen, dass der baden-württembergische Ministerpräsident Wilfried Kretschmann sich den Vortrag der Schweizer Vertreter eher amüsiert angehört hat », schreibt die BFLW. So viel zum Respekt, der ausländischen Regierungsmitgliedern in Baden-Würtemberg entgegengebracht wird

Sachgerechte Lösung?

Man würde als fluglärmgeplagter Anwohner z.B. in der Region Winterthur gerne wissen, was denn im süddeutschen Raum als «sachgerechte Lösung» des Anflugregimes für den Flughafen Kloten betrachtet würde. Stellt man auf die Verlautbarung verschiedener Organisationen im süddeutschen Raum ab, ist deren Haltung klar: «Den Lärm den Schweizern, den Nutzen (auch) den Süddeutschen. » Die Lebensqualität im Landkreis Waldshut sei nicht verhandelbar, moniert die BFLW auf ihrer Homepage und will mit ihren Forderungen Regelungen herbeiführen, von denen Anwohner deutscher Grossflughäfen in ähnlicher Situation nicht einmal träumen können und die innerhalb Deutschlands nie und nimmer durchsetzbar wären. Mit anderen Worten: Man nutzt schamlos den Umstand aus, dass zwischen der eigenen Region und der Lärmquelle Flughafen eine Landesgrenze verläuft. «Eine Belastung des süddeutschen Territoriums durch den Flugbetrieb des Flughafens Zürich ist nur tolerierbar, wenn alle Massnahmen zur Übernahme der Belastungen auf dem Territorium der Schweiz ausgeschöpft sind, und wenn für die Verlagerung dieser Belastungen eine zwingende Notwendigkeit nachgewiesen werden kann», ist die völlig einseitige Haltung ennet der Grenze. Dass man auch lautstark protestiert, wenn Lösungsmöglichkeiten wie etwa der «gekröpfte Nordanflug» diskutiert werden, versteht sich schon beinahe von selbst. Dass seit der Übernahme der «Swiss« durch Lufthansa die meisten Flugzeuge, die in Kloten landen oder starten, Geld in deutsche Kassen spülen, sei hier nur am Rande erwähnt

«Lösungs»-Ansätze

Es wäre eigentlich an der Zeit, sich schweizerischerseits einmal einige «Lösungs»-Ansätze auf ähnlichem Arroganz-Niveau, wie es im süddeutschen Raum praktiziert wird, zu überlegen: Kontingentierung der Abflüge von Personen mit deutschem Reisepass ab Zürich etwa oder ein Verbot des Einkaufstourismus durch Schweizer im süddeutschen Raum (dies wäre dann allerdings wieder eine «Paketlösung », und solche werden deutscherseits, wie vorstehend ausgeführt abgelehnt).

Natürlich sind die oben genannten Massnahmen Vorschläge nicht ernst gemeint. Sie sollen nur illustrieren, was zu der «Geisteshaltung» von Organisationen wie etwa der BFLW adäquat wäre. In Tat und Wahrheit können Lösungen nur in harten, auf realistischer Basis geführten Verhandlungen gefunden werden. Dass die zuständigen Schweizer Behörden dabei auch andere Verhandlungsgegenstände ins Spiel bringen und damit signalisieren, dass es höchste Zeit ist, einseitige Extremforderungen durch ein sorgfältig abgewogenes Geben und Nehmen abzulösen, ist dabei ebenso wichtig wie richtig.

Winterthurer Zeitung, 10.08.2011, Seite 3