Die neue grün-rote Regierung provoziert den Flughafen Zürich bereits im Koalitionsvertrag
von Reza Rafi
Zürich/Stuttgart Die neue Regierung in Baden-Württemberg feuert in ihrem Koalitionsvertrag eine Breitseite gegen den Flughafen Zürich-Kloten: Im 86-seitigen Papier, das Grüne und SPD am Mittwoch präsentiert haben, heisst es wörtlich: «Wir engagieren uns im Interesse der südbadischen Grenzregion für eine deutliche Beschränkung der Flugverkehrsbelastung durch den Züricher Flughafen, wir unterstützen die in der "Stuttgarter Erklärung zum Flugverkehr" festgeschriebenen Positionen und sind für die uneingeschränkte Beibehaltung des Nachtflugverbots.»
Die neue Regierung um den designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Landeschef Nils Schmid setzt also im verkachelten Fluglärmdossier bereits vor ihrer Vereidigung am 12. Mai ein klares Signal: Mit uns ist nicht zu verhandeln. So gibt man sich nicht nur beim umstrittenen Nachtflugverbot stur, sondern unterstützt mit dem Bekenntnis zur «Stuttgarter Erklärung zum Flugverkehr» auch die Reduzierung der jährlichen Anflüge über deutsches Gebiet auf 80\'000.
Stocker: «Der Wechsel wird keine Erleichterung bringen»
Die Kampfansage vom nördlichen Nachbarn sorgt für Unruhe. «Diese Töne sind nicht erfreulich für uns», sagt der Zürcher Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker (SVP). «Der grün-rote Wechsel wird von daher sicher keine Erleichterung bringen.»
Thomas Kern, CEO des Flughafens Zürich, ist zwar «nicht überrascht» - es sei «aber leider Tatsache, dass die Verhandlungen mit unserem nördlichen Nachbarn in Bezug auf den Fluglärmstreit schon lange andauern und nicht einfacher geworden sind». Ob sich durch die neue Zusammensetzung der Regierung in Baden-Württemberg daran etwas ändere, sei «schwierig abzuschätzen».
Beim Verkehrsdepartement von Doris Leuthard ist das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) federführend. Aus den Parlamentskommissionen heisst es einhellig, dass Bazl-Direktor Peter Müller mit grosser Sorge von der Provokation aus Stuttgart berichtet habe. Offiziell hält man sich beim Bundesamt allerdings bedeckt: «Wir nehmen die Koalitionsvereinbarung zur Kenntnis, wollen sie aber nicht kommentieren», sagt Bazl-Sprecher Anton Kohler, «wir bleiben aber vorsichtig optimistisch, was die Gespräche mit Deutschland über das Anflugregime auf den Flughafen Zürich angeht.»
Leutenegger: «Jetzt wird der Druck weiter zunehmen»
Alarmiert sind auch Zürcher Parlamentarier. «Der Flughafen Zürich ist bereits in einer schwierigen Ausgangslage. Jetzt wird der Druck weiter zunehmen», sagt FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger. Er engagiert sich gegen die Südanflüge über den dicht besiedelten Grossraum Zürich. «Wichtig ist nun, dass die betroffenen Kantone und der Bund zusammenstehen und eine gemeinsame Strategie fahren.» Marlies Bänziger, grüne Nationalrätin und Präsidentin des Schweizerischen Schutzverbandes gegen Flug-emissionen (SSF), bedankt sich hingegen für die grüne Schützenhilfe. Sie will im Herbst die kantonale Vorlage für ein Pistenausbauverbot durchbringen. «Die einzige Lösung, um sich vor mehr Fluglärm zu schützen, ist ein Ja zur Flughafen-Initiative. So zeigen wir den Deutschen, dass wir es mit der Wachstumsgrenze des Flughafens auch ernst meinen.»
Regierungsrat Stocker betont, dass beide Seiten an guten Wirtschaftsbeziehungen interessiert sind. «Das müsste auch der neuen Regierung in Stuttgart klar sein. Von daher bin ich zuversichtlich, dass wir eine einvernehmliche Lösung finden werden. Wir werden Herrn Kretschmann zu Gesprächen nach Zürich einladen.»
siehe auch:
Der Forderungskatalog des grün-roten Stuttgart (NZZ)
Grüne Turbulenzen um Anflüge (Südkurier)
Bazl: «Wir sind vorsichtig optimistisch» (TA)