von Lukas Hässig
Der Fall scheint simpel. Ein Lotse der Flugsicherung Skyguide gibt am 15. März zwei Swiss-Jets auf kreuzenden Pisten Startfreigabe. Im letzten Moment bringt die eine Crew ihren Airbus A320 rund 20 Meter vor dem Pistenkreuz in Zürich gerade noch zum Stillstand. Das Leben von rund 200 Insassen hängt in diesem Moment an einem seidenen Faden.
Wie das passieren konnte und was die richtigen Schlüsse daraus sind, das klärt das Flugunfallbüro derzeit ab. Es tut dies ohne besondere Eile, sondern im normalen Rhythmus, so wie es alle Unfälle oder schweren Zwischenfälle, egal, wie komplex diese sind, jeweils untersucht.
Simpler Fall, lange Ermittlung
Somit dauert es auch in diesem Fall, der ziemlich sicher eine simple Ursache haben dürfte, mindestens zwei Monate, bis erste gesicherte Erkenntnisse vorliegen werden. «Wir werden unseren Zwischenbericht in etwa einem Monat dem Flugamt mitteilen», sagt der zuständige Untersuchungsleiter Daniel Knecht auf Anfrage von 20 Minuten Online.
Der Bericht werde die Ergebnisse des Zwischenfalls sowie erste Empfehlungen zur Verhinderung von weiteren solchen Vorfällen umfassen. «Was die Aufsichtsstelle damit tun wird, ist deren Sache und liegt nicht in unserer Gewalt», sagt Knecht.
Öffentlichkeit muss warten
Bei der Aufsicht (Bazl) heisst es zum Near-Crash von Zürich-Kloten, es gebe «im Moment» nichts Neues. «Wir warten auf den Zwischenbericht», sagt Bazl-Sprecher Anton Kohler. «Ob dieser veröffentlicht wird, ist Sache der Untersuchungsleitung.»
Untersuchungsleiter Knecht hält sich diesbezüglich bedeckt. Üblicherweise würden Zwischenberichte nicht offengelegt, sondern erst die Schlussversionen. Diese würden in der Regel erst nach einem Jahr vorliegen, nachdem alle Involvierten – Personalverbände, Flugsicherung, Airline, Aufsicht – ihre Stellungnahmen abgegeben hätten.
Verwedeln statt verurteilen
Ein Skyguide-Insider, der sich nur anonym äussern will, kritisiert das langsame Mahlen der Behörden-Mühlen. «Da gibt einer ein falsches Kommando, merkt es lange nicht, zuletzt braucht es ein Notmanöver in letzter Sekunde, um eine Katastrophe zu verhindern.» All das liege längst auf dem Tisch, sagt der Aviatiker. «Statt aber die Verantwortlichen zu nennen und entsprechende Massnahmen zu beschliessen, gibt man dem System die Schuld.»
Tatsächlich legt eine erste Reaktion der Flugsicherung die Vermutung nahe, dass der Fehler nicht bei Mitarbeitern und Managern gesucht wird, sondern bei den vermeintlich komplexen Abläufen. Jedenfalls gab Skyguide bekannt, dass es sämtliche Prozesse auf allen Flughäfen und in allen Kontrolleinheiten auf Sicherheitsmängel untersuche. Diese Arbeit habe besondere Priorität erhalten, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. «Wegen dem Vorfall am Pistenkreuz haben wir entschieden, die für Zürich bereits laufende Schwachstellen-Analyse zu beschleunigen.»