Der gekröpfte Nordanflug ist in weite Ferne gerückt (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Kein Ersatz für Südanflüge

Der gekröpfte Nordanflug, die Hoffnung der Schneiser auf Entlastung, wird noch lange nicht eingeführt.

Patrick Huber / Andreas Schürer

Was wurde nicht schon alles über ihn geschrieben. Seit Jahren ist der gekröpfte Nordanflug für viele Südschneiser der Inbegriff für die Hoffnung auf Entlastung. Statt über Süden, so die Forderung, soll der Flughafen Zürich während der deutschen Sperrzeiten via die Region Brugg und das Zurzibiet dem Rhein entlang und mit einer starken Rechtskurve angeflogen werden. Das Problem: Die technische Umsetzbarkeit ist komplex – und umstritten.

«Durchbruch weit weg»

Im SIL-Objektblatt (Sachplan Infrastruktur Luftfahrt), das ab Montag öffentlich aufliegt, ist der gekröpfte Nordanflug als zukünftige Option enthalten. Das ist für die Schneiser zwar schön – nur wird es auf Jahre hinaus nichts bringen. Denn am Rande der gestrigen Medienorientierung zum SIL sagte der Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl), Peter Müller, gegenüber der «Zürichsee-Zeitung»: «Wir sind noch weit entfernt von einem Durchbruch.» Auch die Hoffnung auf Satellitennavigationstechnik, die beim «Gekröpften» eingesetzt werden soll, sei verfrüht: «Sie ist bei weitem noch nicht so gut entwickelt, dass man in Zürich damit einen ernsthaften Versuch wagen könnte.»

Eine Frage des Willens

Im Süden werden diese Aussagen unterschiedlich aufgenommen. Richard Hirt, Präsident des Fluglärmforums Süd, gibt Bazl-Chef Müller Recht, dass der gekröpfte Nordanflug technisch sehr anspruchsvoll ist. Nichtsdestotrotz ist er zuversichtlich, dass solche satellitengestützte Anflugverfahren die Modelle der Zukunft sind – auch wenn es noch Jahre dauere, bis sie in Zürich umgesetzt werden könnten.
Weniger Goodwil schlägt Müller von Thomas Morf entgegen. Der Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN) ist sich sicher, dass der «Gekröpfte» innert Jahresfrist eingeführt werden könnte – wenn man nur wollte. Müller, erst seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, müsse sich endlich von den «ewig gleichen Einflüsterern im Bazl» lösen. Morf findet: «Das Problem ist nicht, dass der Gekröpfte zu komplex ist; das Problem ist, dass die Bazl-Techniker glauben, er übersteige ihr geistiges Niveau.»

ZSZ, 21.08.2010, Seite 1




Schlechte Neuigkeiten für die Anhänger des «Gekröpften»

Bazl-Direktor Peter Müller rechnet wegen des SIL-Objektblatts mit Tausenden von Eingaben

Gemäss dem Bazl stocken die Gespräche mit Deutschland im Fluglärmstreit – und der «Gekröpfte» droht zum Rohrkrepierer zu werden.

Patrick Huber

Ab kommenden Montag kann sich jedermann zu dem SIL-Objektblatt (Sachplan Infrastruktur Luftfahrt) äussern. Nach dem Bereinigungsverfahren wird es der Bundesrat verabschieden.

Im Objektblatt ist festgehalten, wie sich der Flughafen Zürich in den nächsten 20 Jahren entwickeln kann und mit ihm die Gemeinden in der Umgebung. «Einsprachen aus dem Bündnerland haben weniger Gewicht als die der Flughafengegend», machte der Direktor des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl), Peter Müller, am gestrigen Mediengespräch in Bern klar. Er rechnet mit «ein paar Tausend» Einsprachen.
Definitiv vom Tisch ist die Parallelpiste – nur mit ihr wäre die Nachfrage, die bis 2030 bei 350 000 Starts und Landungen liegt, zu befriedigen. Verzichtet wird auch auf Südstarts geradeaus, allerdings bleiben die Landungen von Süden – wie von Osten – bestehen. Im Betriebsreglement, das nach der Genehmigung des Objektblatts erarbeitet wird, sind zum Abbau von Verspätungen Ausnahmen in der Nachtflugsperre zwischen 23.30 und 0.30 Uhr vorgesehen.

«Durchbruch in weiter Ferne»

Schlecht sieht es für die Einführung des gekröpften Nordanflugs aus, mit dem die Südlandungen am Morgen früh obsolet werden sollen. Müller: «Wir stehen noch weit entfernt von einem Durchbruch.» Bazl-Experten seien ernüchtert vom Stockholmer Flughafen zurückgekehrt, wo als einziger Flughafen Europas ein gekröpfter Anflug praktiziert wird. Die Navigationstechnik sei «bei weitem» nicht so entwickelt, dass man damit in Zürich einen ernsthaften Versuch wagen könnte. Das Gleiche gelte für den «continuous descend approach» – das gleichmässige Absinken. In Stockholm werde das Verfahren nur am Rande praktiziert und habe erhebliche negative Auswirkungen auf den Flugbetrieb.
Noch nicht stattgefunden hat die zweite Gesprächsrunde mit Deutschland zu den Restriktionen im Anflugverkehr nach Zürich. Nach den für den nördlichen Nachbarn nicht unbedingt positiven Lärmmessungen ringe die deutsche Seite um eine Positionierung.

Langer Rechtsstreit

Am 9. September wird am Gericht der ersten Instanz das Urteil zur Klage der Schweiz gegen die angebliche Diskriminierung der Schweiz durch die DVO (Deutsche Verordnung) eröffnet. Müller geht nicht davon aus, dass eine endgültige Klärung erzielt wird. Viel eher könnte die Angelegenheit wieder an die beiden Kommissionen zurückgewiesen werden. Eine der beiden Seiten dürfte das Urteil an die nächste Instanz, den europäischen Gerichtshof, weiterziehen.

ZSZ, 21.08.2010, Seite 9