Auch gestern mussten in Zürich noch 200 Flüge gestrichen werden. Die Flughafenbetreiberin möchte vom Staat entschädigt werden.
Patrick Huber
2 Millionen Franken hat der Flughafen wegen der Totalsperrung pro Tag verloren, sagt Flughafen-CEO Thomas Kern in einem Interview. Der Flughafen Zürich prüft deshalb eine Entschädigungsforderung an den Staat, da kaum anzunehmen sei, dass eine Versicherung für die Millionenausfälle aufkommen werde. Flughafensprecher Marc Rauch meinte, es dürfte noch einige Zeit verstreichen, bis eine endgültige Übersicht vorliege. Der Flughafen verliert nicht zuletzt darum Geld, weil in den Flughafengeschäften fast nichts mehr lief und der Flughafen vor allem vom Umsatz der Läden profitiert.
Der isländische Vulkan Eyjafiallajökull sorgte auch gestern in Zürich für zahlreiche Flugannullationen, Verspätungen und Hektik. Zumindest rollt der Betrieb in Zürich wieder an. «Bis der Flugbetrieb wieder rund läuft, dürften aber noch einige Tage verstreichen», sagt Rauch bei einem Augenschein in den Terminals 1 und 2, wo sich vor den Check-in-Schaltern lange Schlangen gebildet haben.
Swissport: 1 Million Verlust täglich
«Die Situation ist vergleichbar mit fünf sehr harten Schneetagen», fasst Roland Etter von Swissport die vergangenen Tage zusammen. Der Leiter Passagierservices des grössten Abfertigungsunternehmens am Flughafen Zürich schätzt, dass Swissport pro Tag «rund knapp eine Million Franken» verloren hat. Am Samstag und Sonntag hatten die Angestellten die Wahl, frei zu nehmen und dafür 50 Prozent des Lohns zu erhalten. Wer auf seinen Arbeitsplan pochte, dem werde der volle Betrag entrichtet, so Etter, auch wenn der Angestellte nichts zu tun hatte. Die meisten hätten frei genommen. «Das Ganze stellt die Juristen auf die Probe. Schliesslich hat es dies noch nie gegeben.»
Die Swiss hat gestern den Flugbetrieb an alle Destinationen aufgenommen – mit Ausnahme von Stockholm. Als eigentliche Knacknuss erweist sich London. Die englische Hauptstadt wird von der Swiss von Zürich, Basel und Genf aus täglich 25 Mal angeflogen. «Wir können nur hoffen, dass alles rund läuft», so Swiss-Sprecher Jean-Claude Donzel, der aber wegen der in London raren Slots (Start- und Landefenster) mit weiteren Flugausfällen rechnet.
Flüge während Sperrzeiten
Geprüft wird derzeit, die Nachtflugsperrordnung etwas grosszügiger auszulegen. So landeten gestern zwei Flugzeuge aus Mallorca und Kreta um 0.47 und 1.02 Uhr auf der Piste 28 (Ostanflüge) und zwei Maschinen aus Bangkok und Thessaloniki um 5.41 und 5.52 Uhr auf der Piste 34 (Südanflüge). Es sei deswegen zu einzelnen Anrufen auf der Lärmhotline gekommen.
«Spezielle Situationen ziehen auch aussergewöhnliche Massnahmen nach sich», zeigt sich Bürgerprotest Fluglärm Ost (BFO) nachsichtig. Wenn man die Nachtruhe der Zürcher Bevölkerung für Fussballspiele in Bern oder Zürich während der Europameisterschaft aufheben könne, dann sei es nur logisch, dass die nächsten zwei bis drei Nächte vereinzelte Flieger auch während der sonst geltenden Nachtruhe landen und starten werden. BFO werde einer solchen Massnahme nicht im Wege stehen. «Wir sind und waren immer zu Kompromissen und Zugeständnissen bereit; unsere Banner sind blau und nicht gelb.»
«Schamlos ausgenutzt»
Thomas Morf, Präsident des angegriffenen Vereins «Flugschneise Süd –Nein» hat kein Verständnis für den Lärm. «Das waren planmässige Linienflüge», ärgert er sich. In den Flugzeugen für den sei kein einziger Gestrandeter gesessen, mutmasst Morf: «Der Flughafen hat die Notsituation schamlos ausgenutzt.»
ZOL, 22.04.2010, Seite 11
siehe auch:
Aschenwolke: Schweizer Luftraum aus Siherheitsgründen vorübergehend geschlossen (BAZL)
Gelassen bleiben – zu Hause (Mainpost)
«Konnten mit offenen Fenstern schlafen» (20min)
Luftraumsperre über der Schweiz aufgehoben (BAZL)
Sicherheit nur für Passagiere (Leserbrief TA)
In der Nacht landeten vier Maschinen (BAZL)
Rache der Natur (Leserbrief TA)
Geheime VFSN-Aktion aufgeflogen! (VFSN)
Wir sollten weniger fliegen (Fokus)
Asche-Chaos sorgt weiter für Kritik (FT)