Der Flugplatz im Fluglärm-Feindesland (Südkurier)

Publiziert von VFSNinfo am
Donaueschingen im Sommer 1999. An Europas Himmel wird das Luftwegenetz neu gespannt, einer der neuen Luftsammelknoten liegt direkt über der Stadt.

Die Baar als wichtige Landeschneise und Luftwarteraum für den Internationalen Airport Zürich. Ein Häuflein Baaremer um den Schuldirektor Manfred Glunk zettelt eine Bürgerbewegung an. Mit Protestaktionen gegen Fluglärm und bald auch mit Verbündeten im gesamten Schweizer Grenzland bewirkt sie Erstaunliches. Ihr Lärmen klingt bis auf höchste politische Ebene, die Ländernachbarn Deutschland und Schweiz verwickeln sich in einen diplomatischen Konflikt um Höchstanflugzahlen und Fluglärmbeschränkungen, der bis vor den Europäischen Gerichtshof geht und bis heute nicht ausgestanden ist.

Ein Donaueschinger Morgen im Frühjahr 2010. Im Tower des Regionalflugplatzes nördlich der Stadt weist Flugleiter Schlereth anfliegende Geschäftsmaschinen aus Stuttgart, England und Polen ein. Zwischendurch wickelt er am Telefon allerlei Geschäfts erledigungen für den Kleinbetrieb Flugplatz und zahllose Anrufe ab. Einer ruft so gut wie nie an: Manfred Glunk. Fluglärm „made in Donaueschingen" scheint dieselben Bürger kaum zu stören, die mächtig Zähne zeigten gegen die mächtige Schweizer Airport-Lobby. Der kleine, feine Baar-Landeplatz hat das Kunststück geschafft, im lärmsensiblen Donaueschingen akzeptiert zu bleiben.

„Das ist ja auch eine ganz andere Qualität von Fluglärm." Michael Schlereths Erklärungsversuch für ein scheinbares Paradox. Er ist Geschäftsführer der Flugplatz GmbH, zugleich „Mädchen für alles", vom Flugmanagement bis zum Einkauf von Klopapier gelegentlich. Öffentlichkeitsarbeit und Tuchfühlung zur Bevölkerung zählt auch zu seinen Jobs. Und daraus bezieht er diese Kenntnis: Der Flugplatzbetrieb sei gut gelitten bei den Donaueschingern und Umland-Baaremern, Zürich-Fehde hin oder her. Höchstens gebe es gelegentliche Hinweise einzelner kritischer Bürger, wenn Flugzeuge vermeintlich unerlaubte Bahnen zögen. Es mache für die Bürger eben einen gewaltigen Unterschied, ob in täglicher Flugplanregelmäßigkeit Jets mit anonymer Schweizer Zielbestimmung ihre Geräuschspur an den Himmel zögen – „oder ob es sich um Maschinen im Anflug auf Donaueschingen handelt, in denen oft genug Baaremer Firmenchefs mit Baaremer Interessen sitzen". Im Raum Donaueschingen hat die Psychologie der selektiven Fluglärm-Wahrnehmung handfeste Hintergründe. Der Regionalflugplatz gilt Vielen als unverzichtbar für Stadt und Raumschaft. Donaueschingen begreift ihn als erstklassigen Standortvorteil beim Angeln und Halten von Wirtschaftsbetrieben. „Denn er ist der einzige vernünftige Flugplatz weit und breit", sagt Schlereth, „die nächsten wären Mengen und Zürich. " Die erfolgreichen Medizin- und Orthopädietechnik-Größen Aesculap und Häring heben hier ab zu Geschäftsverabredungen, Firma Waldmann Lichttechnik in Schwenningen, Pfeiffer Laborglas in Radolfzell und rund 60 andere Firmen, die Schlereth unter „sehr wichtig" für die Wirtschaftsräume Schwarzwald-Baar, Landkreis Tuttlingen, Bodensee, Rheintal einsortiert.

Schlereths Erfahrung: Die Bürger wissen, was da brummt, transportiert vielleicht gerade den Firmenkapitän oder Ingenieur aus der Heimatregion; sein Lufthüpfer könnte den eigenen Arbeitsplatz und das Familieneinkommen sichern helfen.

Dennoch: Wie kann, ganz objektiv, das Turbinengeflüster eines hoch über der Stadt fliegenden Jets störender wahrgenommen werden als das greifbare Start- und Landebrummen fast vor der Haustür? Schlereth bevorzugt den psychologischen Ansatz. „Lärmempfinden ist zum großen Teil halt eine subjektive Sache." Die Partygeräusche des kaum bekannten Wohnungsnachbarn stören schließlich auch viel stärker als die des gut befreundeten.

Südkurier, 10.04.2010


Kommentar VFSN: Die untenstehenden Grafiken (Resultate der gemeinsamen Lärmanalyse zum Flughafen Zürich) zeigen, wie ungeheuer stark Donaueschingen vom Lärm des Flughafen Zürich betroffen ist:

Nachtlärm:



Tageslärm: