FRANKFURT. Zwar sehe man etwa im Frachtgeschäft eine Stabilisierung. „Das ist ein Zeichen, dass die Wirtschaft wieder zu arbeiten beginnt, aber es ist schwach und zerbrechlich", sagte IATA-Chef Giovanni Bisignani am Dienstag.
Auch 2010 wird die Branche wohl rote Zahlen schreiben. Bisignani prognostizierte gestern ein Minus von 3,8 Mrd.. Dollar. Das Kernproblem seien die so genannten Yields, der Erlös pro geflogenen Kilometer und Sitzplatz. Diese Profitabilitätskennzahl sei um 20 Prozent gesunken. „Eine solche Entwicklung haben wir noch niemals in unserer Geschichte erlebt", klagte Bisignani. Profitabel werde die Branche frühestens 2011.
Die Luftfahrtbranche kämpft seit dem Spätsommer vergangenen Jahres gegen massive Nachfragerückgänge. Vor allem die lukrativen Geschäftskunden bleiben fern. Die Airlines verdienen aber vor allem mit Buchungen für die Business- und erste Klasse ihr Geld. Doch dort sieht es derzeit mau aus. So lag die Zahl der Premium-Passagiere laut IATA im Juni um 21 Prozent niedriger als im vergleichbare Vorjahresmonat. In der Economy-Klasse betrug das Minus lediglich fünf Prozent.
Längst läuft die Debatte auf Hochtouren, ob es lediglich eine temporäre oder eine strukturelle Entwicklung ist. Träfe letzteres zu, würden die Geschäftskunden also wegen einer grundsätzlich geänderten Firmenpolitik wegbleiben, drohte langfristiger Schaden. „Die größte Unsicherheit für die Zukunft ist die Frage, ob die Premium-Nachfrage zurückkehren wird", sagte Bisignani.
Derzeit jedenfalls reichen noch nicht mal radikale Preisnachlässe aus, um die vorderen Sitze der Flugzeuge zu füllen. British Airways zum Beispiel hat im Mai damit begonnen, zwei Business-Tickets zum Preis von einem zu verkaufen – ohne Erfolg. Andere Airlines wie die skandinavische SAS versuchen, die Geschäftskunden mit einer gehobenen Economy-Klasse zu locken. Das zeigt immerhin erste Erfolge.
Es werde wohl bis 2012 dauern, bis die Airlines im Premium-Segment wieder an das Niveau von 2008 anknüpfen könnten, sagte Bisignani. Andere sind skeptischer. „Der Anteil der Premium-Kunden wird nach der Krise wieder steigen, aber nicht mehr auf den Umfang wie vor der Rezession", glaubt Ralf Baron, Leiter des Teams „Travel und Transportation" beim Beratungsunternehmen Arthur D\'Little.
Zudem sind die aktuellen Rabatte ein hohes Risiko. „Deutliche und offen kommunizierte Preisnachlässe sind das Gefährlichste, was eine Airline machen kann. Die Kunden gewöhnen sich daran, und es wird schwer, nach der Krise wieder das alte Preisniveau am Markt durchzusetzen", warnt Baron. Das sieht wohl auch der IATA-Chef so. Er rechnet deshalb mit langfristig niedrigeren Margen im Premium-Segment.
Auch im Frachtgeschäft sieht es weiter düster aus. So ist das transportierte Frachtvolumen alleine im Juli weltweit um elf Prozent geschrumpft. Längst fürchten Experten auch hier, dass die ursprüngliche Nachfrage nicht mehr erreicht werden wird. Dagegen geht der Flugzeughersteller Boeing davon aus, dass sich das Frachtgeschäft wieder erholen wird. Vor allem China und die USA würden einen Aufschwung vorantrieben, erklärte Jim Edgar, Regional-Direktor für Cargo-Marketing, jüngst in Hongkong.
Die wachsenden Sorgen vor einer strukturell bedingten Krise sind nicht überraschend. Die Branche leidet seit langem an Überkapazitäten. Zum einen zählen Fluggesellschaften immer noch zu nationalen Status-Symbolen, die ökonomische Auslese wird durch immer neue staatliche Hilfspakete verzögert. Deshalb ist die Luftfahrtbranche stark fragmentiert. Hinzu kommen Auflagen in den meisten Ländern, die verhindern, dass ausländische Investoren Mehrheiten an nationalen Airlines erwerben.
Zum anderen werden die Kapazitäten ungeachtet der Krise weiter ausgebaut. Dies gilt vor allem für die Fluggesellschaften aus der Golfregion. So hat Qatar Airways zum Beispiel gerade erst 24 Airbus A320 bestellt und will seine „aggressive globale Expansionsstrategie" uneingeschränkt fortsetzen. Auch die benachbarte Etihad will an ihren riesigen Flugzeugbestellungen festhalten.