Trotz Rückgängen bei Passagieren und Fracht sowie Ausdünnung des Netzes gibt sich Swiss verhalten optimistisch.
Birgit Voigt
Nur wenige bedauern, dass die Banker-Kaste heute nicht mehr nonstop um den Globus jettet, auf der Jagd nach dem nächsten Deal. Harry Hohmeister gehört zu ihnen. Der Netzwerk- und Marketingchef der Swiss macht kein Hehl aus der Tatsache, dass die Schweizer Airline durch die Krise der Finanzindustrie getroffen ist.
«Die Kunden aus der Finanzindustrie machen rund ein Drittel unserer Geschäftsreise-Passagiere aus», sagt Hohmeister im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag». «Unsere wichtigsten Ziele ab Zürich bleiben New York und London. Das Premiumsegment bereitet uns sicher mehr Sorgen als die Economy-Klasse. Hier sehen wir noch eine ordentliche Auslastung.»
Besser als die Konkurrenz
Die Branchen-Vereinigung Iata erwartet für die Zivilluftfahrt 2009 Verluste in Höhe von 4,7 Mrd. $. «Die Aussichten sind grimmig», schreibt die Iata. Generell verzeichnen alle Fluggesellschaften einen Absturz der Umsätze bei Fracht und der lukrativen Businessclass. Die jüngsten Passagierzahlen zeigen, dass Swiss im Verhältnis zu den Konkurrenten ordentlich dasteht. Die Airline transportierte im März als schlimmstem Monat des ersten Quartals 4,7% weniger Passagiere als im Vorjahresmonat, die Lufthansa 2,3% weniger. British Airways verlor 7,3% und Air France/KLM gar 9,8%.
Swiss hat in den letzten Wochen laufend das Netz angepasst, hier etwas erhöht, dort abgebaut. Ab Ende April bis Anfang Juli legt Hohmeister nun eine der 15 grossen Langstreckenmaschinen vom Typ A340-300 still. Die Destinationen Johannesburg, Miami, Boston, Chicago, Los Angeles, Mumbai, Delhi und Schanghai verlieren punktuell ein Siebtel ihres Angebots. Über dem umkämpften Nordatlantik hat die Swiss die Zahl der Sitze um 8% gekürzt im Vergleich zum Jahresplan.
Sind die Massnahmen der Beginn grösserer Schnitte? Hohmeister wehrt ab: «Wie halten am Ziel eines Profits für 2009 fest. Bis Ende Jahr erwarten wir aber inzwischen einen Rückgang der angebotenen Sitzkilometer von wahrscheinlich 6% gegenüber unserem Plan. In den Grundzügen wollen wir das Netz trotzdem nicht antasten. Für dieses Netz haben alle hier bei Swiss in den letzten Jahren sehr hart gearbeitet.»
Die schnelle Anpassung der Flugzeuggrösse an die oft sprunghaft ändernde Nachfrage ist eine Massnahme gegen den flauen Geschäftsverlauf. Die andere zielt darauf, den Anteil von Umsteigepassagieren in Zürich zu erhöhen. Dafür fliegt Swiss in Europa zusätzliche Ziele an und bietet den Umsteigern auf den Langstreckenflügen in der Businessclass Preise, die den Schweizer Kunden die Sprache verschlagen. Unter dem Strich verdient eine Airline an den Transferpassagieren oft nichts bis wenig. Sie helfen aber, Fixkosten zu decken. Die Swissair flog mit dieser Strategie ins Unglück.
Auch Hohmeister kennt die Risiken. Er versichert: «Das Herauffahren des Anteils der Umsteigepassagiere ist nicht als dauerhafte Idee gedacht. Unser Modell beruht auf einem Verhältnis von Heimmarkt-Kunden zu Umsteigern in Höhe von 70% zu 30%. Im Moment ist der Schweizer Markt relativ schwach. Wir müssen mehr Passagiere aus Europa nach Zürich bringen.»
Neuer Riesenvogel
Auf den ersten Blick erscheint es da problematisch, dass die Swiss Ende April den ersten A330-300 als Ersatz für einen A330-200 in Empfang nehmen kann. Wer will jetzt schon neue Langstreckenflugzeuge mit noch mehr Sitzplätzen vermarkten müssen? Doch Hohmeister lächelt recht froh, wenn er auf den Riesenvogel zu sprechen kommt. Insgesamt übernimmt Swiss vier dieser Maschinen 2009. Sie seien wesentlich effizienter als die Vorgänger und sparten über 10% Kosten pro angebotenem Sitzkilometer. Ausserdem könne die Swiss nun ihren Geschäftsreisenden endlich auch ein wirklich flaches, langes Bett anbieten, schwärmt Hohmeister. «Da gebe ich theoretisch auch mal den Sitzplatz für einen Euro weg, wenn es denn der letzte auf dem Flugzeug ist», witzelt der schlagfertige Deutsche.
Verhandlungen mit Lieferanten über bessere Tarife sind ein weiteres Element des Krisenmanagements. Betroffene Firmen murren hinter vorgehaltener Hand, die Swiss lagere so den Abbau von Arbeitsplätzen an ihre Lieferanten aus. Hohmeister kontert, dass die Lieferanten in den guten Jahren auch ordentlich verdient hätten und nun anteilig an den kleiner werdenden Einnahmen partizipieren müssten. «Wir haben einige Zulieferer, die mit uns Lösungen suchen, und dann gibt es Monopolbetriebe, die das Krisenmanagement den anderen überlassen.» Der Kommentar zielt auf den Flughafen Zürich. Das Swiss-Management ärgert sich - wie jede Airline in Europa - über die Gebühren der Flughäfen, die keine Zugeständnisse machen.
Die Suche nach Kosteneinsparungen soll nicht in einen Personalabbau münden. Immer noch schult die Swiss neues Kabinenpersonal und Piloten, um den Nachholbedarf zu decken. «Bis Ende Jahr werden wir beim Kabinenpersonal die Ausbildungen weitgehend laufen lassen. Unser klares Ziel ist es, keine Arbeitsplätze abzubauen», sagt Hohmeister. Ob die Swiss den Level an Beschäftigten auch in der Frachtabteilung halten kann, muss man wohl mit einem Fragezeichen versehen. Die Frachtvolumen sind seit Jahresanfang um ein Fünftel zurückgegangen.
Angesichts der Forderungen nach Zugeständnissen bei den Lieferanten steht der neue Gesamtarbeitsvertrag für das Swiss-Kabinenpersonal fast schon schräg in der Landschaft. In diesen Tagen stimmen die Flugbegleiter über den GAV ab. Zwei Drittel müssen zustimmen. «Mit 4% Lohnerhöhung, Gewinnbeteiligung und einer Lösung bei den Pensionen bringt dieser GAV für das Kabinenpersonal eine Strukturkostenerhöhung von rund 10%», sagt Hohmeister. «Wir stehen zum Vertrag, aber er ist ein Kind der Hochkonjunktur. Unter den heutigen Vorzeichen würde ich dem Deal nicht mehr zustimmen. Sollten wir neu verhandeln müssen, ginge es inzwischen um die Frage, wie halten wir den Status quo und nicht, wo geben wir mehr aus.»
NZZ am Sonntag, 14.04.2009, Seite 35