ZÜRICH Die Lärmbelästigung rund um den Flughafen Zürich hat massiv zugenommen und zwingt SVP-Regierungsrätin Rita Fuhrer zum Handeln. Im vergangenen Jahr stieg der sogenannte Monitoringwert, eine Masseinheit für die stark belästigten Personen, um gut acht Prozent auf 46\'300.
Das geht aus einem bislang un- veröffentlichten Bericht zum Zürcher Fluglärm-Index (ZFI) hervor. Vor allem die Nachtruhestörungen haben zugenommen, und auch das Bevölkerungswachstum liess die Zahl der belästigten Personen in die Höhe schnellen.
Als ZFI-Richtwert hat der Regierungsrat 47\'000 festgelegt. Das Flughafengesetz verpflichtet ihn, «rechtzeitig» Massnahmen zu ergreifen, damit dieser Wert nicht überschritten wird. Das könnte schon bald der Fall sein. Der ZFI wird damit zum Bumerang für Rita Fuhrer, die kaum mit einer solch rasanten Zunahme des Monitoringswerts gerechnet hat.
Eigentlich sollte der Index die radikalen Forderungen der Flughafenkritiker entkräften. Mit einer Volksinitiative wollten sie ein neunstündiges Nachtflugverbot sowie eine Begrenzung der Anzahl jährlicher Flüge von derzeit knapp 270\'000 auf 250\'000 festschreiben – erfolglos. Den ZFI hatten die Kritiker stets als «Beruhigungspille» kritisiert. Doch die ZFI-Werte, die übermorgen Dienstag veröffentlicht werden sollen, dürften Unruhe stiften – und den Kritikern wieder Auftrieb geben: Mit zwei Behördenund einer Volksinitiative versuchen sie erneut, den Flughafenausbau zu verhindern und die Nachtsperre auszuweiten. Über die Vorlagen wird 2009 entschieden. Mehr denn je steht der Regierungsrat unter Druck, Massnahmen zu ergreifen.
Priska Seiler Graf, Präsidentin des Dachverbands Fluglärmschutz und SP-Kantonsrätin, will sich zu den noch vertraulichen ZFI-Zahlen nicht äussern: «Aber fest steht, dass die Nachtsperre jetzt endlich auf acht Stunden verlängert wird.» Peter Staub, Präsident des Schutzverbandes der Bevölkerung um den Flughafen Zürich und FDP-Gemeindepräsident von Dällikon, fordert eine «absolute Nachtruhe» von sieben Stunden – statt der jetzigen fünfeinhalb.
Einflussmöglichkeit des Kantons ist beschränkt
Just das geht Rita Fuhrer aber zu weit, weil damit Zürichs Rolle als interkontinentales LuftfahrtDrehkreuz gefährdet würde. Im noch nicht veröffentlichten ZFI-Bericht verweist sie auf die künftige Nachtsperrordnung, welche die Ruhezeit auf sechseinhalb Stunden verlängert. Allein damit dürfte es ihr aber schwerfallen, den Monitoringwert unter dem Richtwert zu halten.
Auf die meisten anderen Faktoren hat die Kantonsregierung jedoch wenig bis keinen Einfluss: Die Zuwanderung aus dem Inund Ausland hält an, und die deutsche Regierung dürfte sich kaum zu einer raschen Lockerung der Anund Abflugbeschränkungen über Süddeutschland bewegen lassen. Untersuchen will Fuhrer laut ZFI-Bericht, welche Anreize für Lärmschutzmassnahmen an Altbauten geschaffen werden könnten.
Kritik am ZFI muss sich SVP-Magistratin Rita Fuhrer auch aus den eigenen Reihen anhören: Für ihren Parteifreund René Huber, Stadtpräsident von Kloten, war das Instrument ohnehin «kein Glücksgriff», es behindere die Entwicklung der Gemeinden rund um den Flughafen. Schliesslich nähmen Zuzüger in Städten wie Kloten Fluglärm in Kauf.
Huber will sich folgerichtig nicht primär um den Lärm kümmern – sondern um Fuhrers Index: «Wir müssen den ZFI jetzt überdenken.»
Sonntagszeitung, 14.12.2008, Seite 7
siehe auch:
20% aller Nachtlandungen auf Piste 34 (VFSN)