Die Fluggesellschaften geben alkoholisierten und gewalttätigen Fussballanhängern keine Chance. «Die Swiss versucht mit allen Mitteln zu verhindern, dass Betrunkene an Bord gelangen», sagt deren Sprecher Jean-Claude Donzel. Mit Blick auf die Euro 08 führt er aus: «Eine Horde von besoffenen Supportern hat keine Chance, transportiert zu werden – bei der Swiss ebenso wenig wie bei anderen Fluggesellschaften».
Bei Air Berlin beispielsweise verwehrt die Crew jedem Passagier den Zutritt, «wenn sein Verhalten bei anderen Fluggästen oder der Besatzung zur einer unzumutbaren Belastung, zu Schäden oder Verletzungen führt». Ähnlich lauten die Regeln aller Luftfahrtunternehmen, die ab der Schweiz verkehren.
Die Weigerung der Airlines, Besoffene und Gewalttäter zu transportieren, ist eigentlich bekannt. Trotzdem hat der Bundesrat vorgestern beschlossen, das Schweizer Nachtflugverbot «bei bedeutenden Anlässen mit internationaler Beteiligung» zu lockern. So könnten, liess er verlauten, «potenziell gewaltbereite Fangruppen direkt nach einem Fussballspiel auf dem Luftweg wieder in ihr Herkunftsland befördert werden». Als ersten Anwendungsfall für die Bestimmung nannte die Landesregierung die Fussball-Europameisterschaft, die in 112 Tagen beginnt.
«Möglichst viele ausser Land fliegen»
Immer mehr deutet darauf hin, dass es bei der Lockerung des Nachtflugverbots gar nicht darum geht, Gewalttäter ausser Landes zu spedieren. Vielmehr sollen die Flüge nach Mitternacht friedliche Fans, Sponsoren und Spieler dorthin bringen, wo sie während des Turniers auch sonst nächtigen. Im vergangenen Sommer hatte der Schweizer Turnierdirektor Christian Mutschler noch ausgeschlossen, dass es für Fans (ausser für gewalttätige) nächtliche Charter-Maschinen ab Schweizer Flughäfen geben werde.
Diese Aussage gilt nun nicht mehr. Vielmehr verfolgen nun die Schweizer Spielorte, der Bund und der Europäische Fussballverband Uefa gemeinsam das Ziel, «möglichst viele Fussballanhänger nach Spielschluss noch in derselben Nacht ausser Land zu fliegen». Dies sagt Thomas Berner, der beim Bund für die Euro-08-Verkehrsplanung zuständig ist.
Das Kalkül: Je weniger Fussballfans in den Innenstädten feiern, desto weniger kommt es zu Problemen. Bei den Mannschaften hatte es bislang stets geheissen, sie müssten an den Spielorten in eigens reservierten «Transferhotels» schlafen. Dem ist auch nicht mehr so.
Für Geschäftsfreunde und Sponsoren
«Mit der Sonderverordnung für die Euro 08», sagt Thomas Berner, «wollen wir auch ermöglichen, dass die Teams samt Betreuerstab nach Spielschluss in die Nähe ihres Mannschaftshotels zurückfliegen können». Insgesamt rechnet der Bund mit 20 bis 40 Nachtflügen pro Spieltag.
Bei der Swiss sind für die Endrunde bereits 25 Charter- und ein halbes Dutzend zusätzliche Linienmaschinen reserviert worden. Sie heben vor allem in Zürich und Basel nach Amsterdam, Prag und Portugal ab. Der Grossteil der Extra-Flüge buchten gemäss Swiss-Sprecher Donzel «grosse Euro-08-Sponsoren für ihr Kader und für Geschäftsfreunde». Die Geldgeber und die «Uefa-Familie» belegen einen Viertel der Sitzplätze. Ob die Inhaber der Viertelmillion Sponsoren- und «Family»-Tickets nachts fliegen dürfen, ist unklar. «Wir wollen keine Sponsoren- und VIP-Flüge während der Nachtzeit», sagt Berner als Vertreter des Bundes. Genau dies hatte es bislang auch bei Charter- und Teamflügen geheissen.
siehe auch:
Ausnahmen von Nachtflugsperre aus Sicherheitsgründen künftig möglich (BAZL)
Nachtflüge für spezielle Fussballfans (Leserbriefe TA)
Gegen Lockerung des Nachtflugverbots (TA)
Kantonsrat bangt um Nachtflugsperre (TA)