Von Erwin Haas
Bis Ende Jahr muss der Flughafen Zürich auf Geheiss des Departements Leuenberger sein Gesuch um ein Betriebsreglement einreichen (TA vom Dienstag). In diesem Reglement, das vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) genehmigt werden muss, legt Unique An- und Abflugwege, Verfahren und Betriebszeiten fest, die über die «Verteilung» des Fluglärms entscheiden.
Ordentliche Einsprachemöglichkeit
Die guten Nachrichten: Erstens handelt es sich diesmal nicht um Änderungen, die durch deutsche Auflagen erzwungen werden und die der Bund zu Gunsten der Schweizer Luftfahrt per Notrecht genehmigen kann. Zudem muss Unique das Gesuch zusammen mit einem Umweltverträglichkeitsbericht einreichen. Im Frühling erfolgt eine öffentliche Auflage. Die betroffenen Gemeinden und Bevölkerungsgruppen haben das Recht auf ernst zu nehmende Einsprachen. Sie werden darin mit Nachdruck darlegen können, dass die Ost- und Südanflüge nach ihrer Meinung der kantonalen Raumplanung widersprechen.
Die zweite gute Nachricht: Unique will die Nachtruhe auf sieben Stunden ausdehnen. Sie soll von 23 bis 6 Uhr dauern (mit Ausnahmen bis 23.30 Uhr für den Abbau von Verspätungen). Vor drei Jahren dauerte die Nachtruhe noch von 24 bis 5, dann bis 5.30, seit Ende Oktober in der Tat bis 6 Uhr. «Im Wesentlichen», teilte Unique mit, entspreche das Gesuch dem heutigen Flugbetrieb, wie ihn die deutschen Anflugsperren seit 2001 in vier Schritten herbeigeführt haben. Das heisst: tagsüber Nordanflüge, Starts Richtung Westen über Rümlang sowie Richtung Süden über Opfikon und in einer Linkskurve über Wallisellen. Während der deutschen Sperrzeiten am Morgen Südanflüge über den Pfannenstiel, abends Ostanflüge vom Tösstal her, wenn das Wetter sie zulässt. Gestartet wird in diesen Stunden Richtung Norden.
Weitere «Änderungen» befürchtet
«Im Wesentlichen» wird also weitergeflogen wie seit dem 30. Oktober. Diese Formulierung lässt offen, was der Flughafen im «Unwesentlichen» plant. Der Wortlaut des Gesuchs soll erst mit der öffentlichen Auflage bekannt gemacht werden. Doch im geheimen Detail steckt der Teufel. Die Fluglärmgegner, mittlerweile bis über die Zürcher Kantonsgrenzen hinaus aufgescheucht, befürchten die weitere Verschlechterung der Lebensqualität. Drei mögliche Szenarien verfolgen sie mit Argusaugen.
Das 1999 privatisierte Unternehmen Unique hatte sich 2001 der politisch begründeten Forderung der Regierungsvertreter im Verwaltungsrat gebeugt und beim Bazl sieben Stunden Nachtruhe beantragt. Als Kompensation für dieses Zugeständnis verlangte Unique mehr Spielraum bei der Benützung der verschiedenen Pisten, insbesondere die Bewilligung für Südstarts auf der Piste 16 bis 22 Uhr (heute nur bis 21 Uhr erlaubt) und für Weststarts auf Piste 28 schon ab 6.30 Uhr (heute ab 7 Uhr erlaubt). Für das zukünftige Betriebsreglement brauche es «eine Benützung des Pistensystems von 6 bis 22 Uhr ohne zeitliche Einschränkungen für einzelne Pisten», teilte Unique damals mit. Fluglärmgegner argwöhnen, dass Unique diese Forderung jetzt erneut einreicht.
Im Juni konnte Verkehrsminister Moritz Leuenberger die vorzeitige und damals für Flughafen und Swiss existenzbedrohende Einführung der Südanflüge per 10. Juli nur deshalb verhindern, weil er seinem deutschen Amtskollegen Manfred Stolpe eine Gegenleistung anbot: Die Warteräume Ekrit über Bad Säckingen und Laufenburg am Rhein sowie Saffa über Singen werden im Februar 2005 ganz in die Schweiz verlegt. Ekrit vermutlich übers Fricktal, Saffa über den westlichen Thurgau. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Verschiebung des ganzen Zürcher Luftraums nach Süden. Fluglärmgegner befürchten daher Änderungen der An- und Abflugwege und damit Fluglärmbelastungen für neue Gebiete. Anwohner im Süden des Flughafens rechnen damit, dass die Linkskurve nach dem Südstart nicht mehr über Wallisellen und den Hardwald verläuft, sondern südlich über Dübendorf.
Vier notrechtlich bewilligte Änderungen des Betriebsreglements innert zweier Jahre brachten mehr und mehr Ost- und jetzt auch Südanflüge. Alle Rekurse von Gemeinden und Bürgergruppen liefen bisher ins Leere. Die aufschiebende Wirkung wurde den Einsprachen verweigert. In der Sache selbst hat das Bundesgericht eine vorsorgliche Einsprache der Stadt Zürich gegen die Südanflüge abgeschmettert mit der Begründung, sie sei durch weiter gehende Änderungen bereits überholt. Dasselbe befürchtet Thomas Morf vom Verein Flugschneise Süd - Nein, wenn Unique die vier bisherigen Provisorien in einem «vorläufigen Betriebsreglement» verankert. Die Einsprachen gegen die bisherigen Änderungen könnten wiederum «gegenstandslos» werden, obwohl der Fluglärmschaden längst eingetreten ist.
Reko Uvek schaut genau hin
Die unabhängige Rekurskommission (Reko Uvek), die angefochtene Entscheide des Departements Leuenberger prüft, will die zahlreichen hängigen Einsprachen allerdings ganz genau begutachten. «Wir müssen darauf achten, dass die Beschwerdeführer nicht zwischen Stuhl und Bank fallen, nur weil man ihre Einsprachen einfach als gegenstandslos abschreibt», sagt Christoph Bandli von der Reko Uvek.