Der Verkehrsminister greift in den Streit um die Anflüge auf den Flughafen Kloten ein. Er denkt über einen runden Tisch und die Verlängerung der Westpiste nach.
Der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber kündigt erbitterten Widerstand gegen die Südanflüge an. Thomas Morf vom Verein Flugschneise Süd-Nein prophezeit Aktionen seiner Mitbürger gegen den Flughafen, und Walter Rohr spricht als Vertreter des Ostens von «menschenunwürdigen Zuständen», weil die Maschinen am frühen Morgen im Tiefflug über Gemeinden wie Nürensdorf und Kloten hinwegdonnern. Den Osten und den Süden des Flughafens verbindet derzeit nur eines: Das Gefühl, den Interessen von Unique und Swiss geopfert zu werden. Und die Angst vor dem Verlust der Lebensqualität in den neuen «Aufwachschneisen».
Der Zürcher Regierungsrat versichert derweil, dass die Südanflüge nur ein vorübergehendes Problem seien. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass die deutschen Verordnungen gegen EU-Recht verstossen und deshalb von den Gerichten aufgehoben werden. Doch bis zu einem rechtsgültigen Urteil können Monate oder Jahre vergehen. Bis dahin wird der Widerstand im Osten und Süden weiter wachsen.
In dieser verfahrenen Situation wird Verkehrsminister Moritz Leuenberger aktiv. In einem Gespräch mit der «SonntagsZeitung» kündigte er an, er wolle einen runden Tisch mit allen Beteiligten organisieren und ein Mediationsverfahren einleiten. «Ich bin bis jetzt davon ausgegangen, dies sei Sache des Kantons Zürich. Jetzt halte ich es aber für sinnvoll, dass der Bund eingreift.» Man dürfe aber keine schnellen Lösungen erwarten. Ein Mediationsverfahren brauche sehr viel Zeit. Für Leuenberger ist der vom Süden und Osten geforderte «gekröpfte Nordanflug» dem Rhein entlang keine Alternative. Wenn man eine dauerhafte Lösung mit Deutschland erreichen wolle, könne man keine Anflugvariante realisieren, die Süddeutschland «mehr Lärmbelastung bringt als je zuvor».
Leuenberger bringt eine andere Idee ins Spiel, die Unique seit einiger Zeit vorantreibt: Die Verlängerung der Westpiste. «Damit könnten Landungen in ein paar Jahren bei jedem Wetter auch von Osten her erfolgen», sagte er. Auf der nur 2,5 Kilometer langen Piste 28 setzen heute schon Maschinen auf. Aber nur, wenn die Sicht gut und die Piste trocken ist. Bis das geplante Instrumentenlandesystem (ILS) in Betrieb genommen werden kann, dauert es noch mindestens zwei Jahre.
Mit einer Verlängerung um 600 Meter würde die Piste 28 zu einer vollwertigen Landebahn aufgewertet. Der Kanton hat Unique vor einem knappen Jahr 100 000 Quadratmeter Land im Westen des Flughafens für 1,15 Millionen Franken verkauft. Der Ausbau müsste allerdings vom Kantonsrat und auch vom Stimmvolk bewilligt werden. Zudem stellen sich technische Probleme: Unique müsste die Glatt, welche mitten durch das besagte Land fliesst, verlegen oder zudecken.
Unique und die Zürcher Regierung konzentrieren sich längerfristig eher auf den Bau einer Parallelpiste, um den Lärm im Norden zu kanalisieren. Dort leben viel weniger Menschen als im Osten und im dicht besiedelten Süden. Würden Anflüge über den Pfannenstiel, das Glatttal und Zürich-Nord definitiv eingeführt, drohen Unique hohe Entschädigungszahlungen. Eine Studie schätzt, dass sich die Liegenschaften im neuen Lärmkorridor um 8 bis 15 Milliarden Franken entwerten.
TA, 30.06.2003