Der Schuldspruch gegen einen Skyguide-Fluglotsen hat zu Turbulenzen geführt. Zwei Bundesrätinnen bekamen das zu spüren.
Eine Woche nach dem Schuldspruch durch das Bundesgericht gegen einen Fluglotsen von Skyguide wegen einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge im Jahre 2013 herrschen in der Branche noch immer Turbulenzen. Die Flugsicherung arbeitet seit zehn Tagen nicht mit voller Leistung: «Sicher noch bis Montagabend haben wir die Kapazität im oberen Luftraum um zehn Prozent reduziert», sagt Skyguide-Sprecher Vladi Barrosa. Nicht betroffen sind An- und Abflüge in Kloten.
Während sich unmittelbar nach dem Urteil rund ein Dutzend Lotsen abgemeldet hätten, weil sie das Verdikt verunsichert habe, reduzierte sich die Zahl fehlender Lotsen in den Folgetagen «deutlich». «Eine Handvoll erschien in den letzten Tagen nicht zur Arbeit», sagt Barrosa. Nicht alle diese Ausfälle hätten aber mit dem Urteil zu tun gehabt.
Die Auswirkungen des Verdikts sind auch im Bundeshaus spürbar: Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga und Justizministerin Karin Keller-Sutter erhielten Post von der Civil Air Navigation Services Organization (Canso). Diese setzt sich weltweit für die Angelegenheiten der Flugsicherungen ein und fürchtet einen negativen Effekt des Schuldspruchs: Im Brief – der auf letzten Freitag datiert ist und dieser Zeitung vorliegt – schreibt der Canso-Generaldirektor: «Basierend auf Meldungen von Lotsen und Piloten hat das aviatische System seine Sicherheit erhöht. Es ist entscheidend, dass diese Meldungen künftig vorgenommen werden.» Und: «Solche Urteile wirken der Verbesserung der aviatischen Sicherheit entgegen – auch wenn sie dem Schweizer Rechtssystem entsprechen.» Die Canso bietet den Ministerinnen deshalb ihre Unterstützung an, «damit die Sicherheit im Luftverkehr unter Berücksichtigung der Rechtslage bewahrt wird».
Eklat in der Basis der Schweizer LuftfahrtEin zweites, weitaus schärferes Schreiben kommt vom Aero-Club Schweiz, dem Verband Schweizer Flugplätze und dem Verband der Flugzeugeigentümer und Piloten. Denn die reduzierte Kapazität von Skyguide hat zur Folge, dass im kontrollierten Luftraum Zürichs keine Sichtflüge mehr stattfinden dürfen. Das gilt laut Sprecher Barrosa weiterhin, «mit Ausnahme der in Zürich beheimateten Maschinen».
Der Brief der Verbände an das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) und Skyguide trägt den Titel: «Das Fass ist jetzt übergelaufen». Die Leichtaviatik, die als Basis der Luftfahrt gelte und aus welcher die Linienpiloten hervorgingen, werde «in einer unsäglichen Art desavouiert» und erhalte im Zürcher Luftraum kaum Flugmöglichkeiten mehr. Das bringe die Betroffenen, etwa Fallschirmschulen oder Flugplätze, in «finanzielle Schieflage». «Wir sind nicht mehr bereit, all die Restriktionen kampflos zu akzeptieren.» Die Verbände wollen sich «mit allen Mitteln zur Wehr setzen», nötigenfalls auch auf juristischem Weg, und fordern einen «Krisengipfel». Beim Bazl sowie bei Skyguide heisst es, man nehme das Schreiben «zur Kennntnis», wolle es aber nicht kommentieren und befürworte ein Gespräch mit allen Beteiligten.