Wie sinnvoll ist ein 45-Minuten-Flug? (20min)

Publiziert von VFSNinfo am
Umweltsünde

Die Lufthansa betreibt die kürzeste Flugverbindung in Deutschland. Klimaschützer sind entsetzt. Auch in der Schweiz sind Miniflüge Alltag.

Die Lufthansa macht Klimaschützer und Politiker wütend. Grund ist die Flugstrecke Nürnberg–München, die kürzeste Verbindung der Airline in Deutschland. Für die 150 Kilometer Luftlinie beträgt die Flugzeit rund 40 Minuten. Die Lufthansa bietet die Strecke regulär ab rund 69 Euro an, wie die «Welt» schreibt. Für deutsche Politiker ist das Angebot eine «ökologische und ökonomische Absurdität». Sie fordern für die Strecke einen Flugstopp.

Auch innerhalb der Schweiz gibt es ultrakurze Flugstrecken, die für Klimaschützer ein Albtraum sind. Für Empörung sorgte jüngst das Angebot der Swiss: Die Lufthansa-Tochter flog im Februar an zwei Samstagen Passagiere in 45 Minuten von Zürich nach Sion. Ein einfaches Ticket kostete von 70 Franken aufwärts. Zum Vergleich: Die Zugfahrt nach Sion dauert rund zweieinhalb Stunden und kostet mit dem Halbtax in der 2. Klasse 50 Franken.

Nebenprodukt von Sion–London

Die Strecke Zürich–Sion versteht die Swiss als Nebenprodukt der Verbindung zwischen Sion und London. Diese Strecke bietet die Airline seit 2017 an, um britische Wintersportler ins Wallis zu bringen. Laut Swiss muss man daher ohnehin Flugzeuge nach Sion bringen. «Diese Flüge leer durchzuführen, wäre nicht wirtschaftlich», so die Swiss.

Ohnehin gehören Kurzflüge für die Swiss zum Alltagsgeschäft. Täglich fliegt die Airline achtmal die Strecke von Zürich nach Genf und zurück. Flugdauer: 50 Minuten. Hinzu kommen jeden Tag vier Flüge von Zürich nach Lugano und zurück, die jeweils 45 Minuten dauern. Diese Kurzstreckenflüge versteht die Swiss vor allem als Zubringerdienst. «Mit den täglichen Verbindungen bietet Swiss der italienisch- und französischsprachigen Schweiz eine optimale Anbindung an die wichtigsten Abflugswellen ab Zürich an», teilt die Airline auf Anfrage mit.

50 Inlandflüge täglich

Zudem betont die Swiss, dass man sich in einem intensiven Wettbewerb auch mit anderen Verkehrsträgern wie Bus, Bahn oder Auto befinde. «Reisende haben freie Wahl und entscheiden sich beispielsweise aufgrund der Anzahl vorhandener Verbindungen, der Reisezeit, des Preises und des Komforts für eine Flugreise.» Man richte sich als Airline nach der lokalen Marktnachfrage, so die Swiss. Ob die Strecken rentabel sind, will die Airline nicht sagen. Laut dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) werden in der Schweiz täglich rund 50 Inlandflüge durchgeführt.

SP-Nationalrat Thomas Hardegger hält nichts von solchen Kurzflügen. «Man müsste diese wegen der schlechten CO2-Bilanz grundsätzlich verbieten», sagt er zu 20 Minuten. Vor allem in der Schweiz, wo man ein gut ausgebautes Schienennetz habe, machten solche Kurzflüge keinen Sinn. Er fordert daher bei solchen Strecken eine Verlagerung von der Luft auf die Schienen. Einen entsprechenden Vorstoss hat er im Nationalrat eingereicht. Es brauche vor allem Anreize für die Schienen, so Hardegger. «Flugtickets muss man verteuern und dafür Bahntickets verbilligen.»

Politische motivierte Verbindungen

Auch der Grünen-Nationalrätin Irène Kälin sind solche Flugverbindungen ein Graus. «Gerade weil man in Sachen Klimaschutz dringend vorwärtsmachen muss, sind solche Kurzflüge skandalös.» Ebenso sieht Michael Töngi keine Notwendigkeit für Inlandflüge. «Für Destinationen, die innerhalb von drei Stunden mit dem Zug erreichbar sind, braucht es keine Flugverbindung», sagt der Grünen-Nationalrat. Wegen der Anfahrt zum Flughafen und anschliessenden Wartezeiten beim Check-in oder Security-Check sei man sowieso oft nicht viel schneller als mit der Bahn.

Gemäss dem Aviatik-Experten Andreas Wittmer von der Universität St. Gallen ist es für eine Airline kaum möglich, eine Strecke wie etwa Zürich–Lugano rentabel zu betreiben. Solche Verbindungen seien vor allem politisch motiviert. «Man will das Tessin nicht vom Netz abhängen», so Wittmer. Zudem hätten Kurzstreckenflüge gegenüber einer Zugfahrt kaum mehr Zeitvorteile. In Sachen Umweltbelastung nimmt der Experte die Airlines in die Pflicht. «Sie müssen den Klimaschutz ernst nehmen, sich überlegen, ob Kurzstreckenflüge ethisch und moralisch überhaupt noch vertretbar sind.»

20min, 26.02.2019