Viele wollten wohlhabend werden und wurden es auch, aber die Dienstleistung am Kunden stand stets im Vordergrund. Das schränkte das Gewinnwachstum ein.
Die Kultur der alemannischen „commons“, des gemeinsamen Besitzes auch sehr grosser Unternehmen, lebt heute noch bei der Migros, der Coop, Fenaco und der Raiffeisen-Gruppe fort. Kommt es zu Übersteigerungen, wie jüngst bei Raiffeisen, greifen Kontrollmechanismen, sei es im eigenen Unternehmen, in den Medien oder in der Politik.
Das ist ein grosser Gegensatz zu den amerikanischen Weltkonzernen, deren Erfolg auf strikter Disziplin aller Mitarbeiter aufgebaut ist. Das ist auch ein grosser Gegensatz zu den zentral geführten französischen Konzernen, wo die Provinz, das ist auch die Schweiz, eigentlich nichts zu sagen hat.
Das ist ein sehr grosser Gegensatz zu den Europa beherrschenden deutschen Konzernen, die mit Unterstützung ihrer Regierung die globale Führung anstreben.
Noch 1923, das sind knapp hundert Jahre her, wurden die Aktien der Schweizerischen Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon von der norddeutschen Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik übernommen. Die Behörden reagierten sofort und verboten den eindringenden deutschen Aktionären, den Begriff „Schweizerisch“ zu verwenden. Damals galt: Wer ein Deutscher ist, kann sich nicht Schweizer nennen.
Tempi passati.
Im Säurebad europäischer und globaler Investoren ist es längst fragwürdig geworden, was an Schweizer Firmen noch schweizerisch ist. Einer der berühmtesten Fälle aus der jüngsten Zeit ist „die Schweizer Fluggesellschaft Swiss“. Der Notverkauf des Bundesrates der bankrotten Swiss an den Deutschen Lufthansa-Konzern war sicher eines der schlechtesten Geschäfte, das von Berner Chefbeamten und Bundesräten aufgegleist wurde.
In der allerjüngsten Zeit wird es nur übertroffen von Deals unseres Wirtschaftsdepartements mit fragwürdigen deutschen Schiffshändlern, die Bundesgarantien erhielten. Risiko: gegen eine Milliarde Franken.
Die Spitzenmanager der Deutschen Lufthansa sahen die Chance, ein Schnäppchen zu machen. Seither fliegen sie mit der Marke „Swiss“ um die Welt. Harmlose Schweizer Bürger erfreuen sich daran und Asiaten ohnehin, die meinen, im Flugzeug einer Schweizer Gesellschaft zu sitzen.
Die Swiss liefert seither jedes Jahr Gewinne in der Höhe von Hunderten von Millionen Franken nach Frankfurt ab. Dabei ist sie nicht mehr als eine Abteilung im Konzern der deutschen Fluggesellschaft.
Man könnte als bescheidener Schweizer auch damit leben, war doch deutsche Effizienz die Grundlage für die alte Schweizer Armee.
Aber der Lufthansa-Konzern hat in aller Stille aus dem Schweizer Landesflughafen Kloten einen transnationalen „Hub plus“ gemacht, der auch Baden-Württemberg und westliche Teile Bayerns bedient. Die Lufthansa hat aus unserem Landesflughafen, der von Schweizer Steuerzahlern bisher finanziert wird, eine europäische Umsteige-Drehscheibe gemacht, deren Rentabilität niemand bestreitet. Wohin geht das Geld? Wohl in erster Linie in die Lufthansa-Zentrale nach Frankfurt.
Kloten hat noch weitere Vorteile. Da an deutschen Flughäfen laufend gestreikt wird, bietet es sich an, den Verkehr über Zürich zu leiten, wo die fleissigen Schweizer Streiks sehr ablehnend gegenüber stehen. Die Flugtarife, langsam ansteigend, stützen sich auf eine sehr reiche Region, weshalb Billigflieger in Zürich tunlichst abgewiesen wurden, also keine Landerechte erhielten.
Die Topmanager der Swiss und der Deutschen Lufthansa verstecken sich gerne hinter der Aussage, sie würden nur ein nachfrageorientiertes Wachstum verfolgen. Das ist blanke Phantasie, denn ein zweifellos attraktives Drehkreuz zieht Passagiere und Fracht an wie Honig die Bienen.
Kurzum, die Schweiz ist schon einige Jahre nicht mehr Herr ihres Flughafens Zürich. Sie baut die Infrastruktur mit Milliarden Franken aus; Stadt und Kanton Zürich freuen sich über die Dividenden.
In der Schweiz gibt es kein öffentliches Interesse an einem Grossflughafen in Zürich. Unser 8,5 Millionen Einwohner zählendes Land wurde von den internationalen Fluggesellschaften, die Deutsche Lufthansa an der Spitze, zu einem Verschiebebahnhof für Flugpassagiere und Cargo umgebaut.
Damit geht die Lufthansa einen Weg, wie ihn viele andere ausländische Konzerne in der Schweiz eingeschlagen haben. UBS und Credit Suisse sind keine Schweizer Grossbanken mehr, vielmehr berufen sie sich nur noch auf ihre „Schweizer Wurzeln“. Novartis, Roche und Nestlé werden von internationalen Fondsgesellschaften kontrolliert. „Die 150 grössten Schweizer Firmen stehen unter ausländischer Kontrolle“, sagte alt Bundesrat Kaspar Villiger, als er in Bern in der Verantwortung stand.
In welcher Verantwortung?
Im Falle des Flughafens Zürich, der kürzlich sein 70jähriges Jubiläum feiern durfte, sind 300’000 Zürcherinnen und Zürcher die Verlierer. Sie leiden nicht nur unter zunehmendem Fluglärm, denn auch die Südstarts werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie erleben, wie ihre Umwelt von morgens 6 Uhr bis abends 23.30 Uhr zerstört wird. Die Gesundheitsschäden für Kinder und Erwachsene sind längst erfasst.
Kein Schweizer Politiker setzt sich ernsthaft für sein Wahl- und Stimmvolk ein, ganz anders als in Baden-Württemberg, wo entschlossene Landes- und Bundespolitiker der SPD, CDU und der Grünen einen Riegel gegen die Schweiz aufgebaut haben.
Adieu, la Suisse. Die Deutsche Lufthansa hat uns im Griff, die über den Zürcher Flughafen anreisenden Chinesen und Japaner stehen auf der Rigi und der Jungfrau. Der Ausverkauf der Schweiz ist in vollem Gange.
von Jacob Zgraggen